, der Doktor möge bald wiednrkommen, recht bald, damit es nicht zu spät sei. Als er fort war, schien Wilhelmine eine Weile zu schlummern und erwachte etwas gekräftigt, so daß sie glaubte, anhaltend sprechen zu können, weshalb sie mich bat, sie mit Leonhard einige Stunden allein zu lassen und indessen zu ruhen. „Bleibe aber nicht zu lange," fügte sie noch hinzu, „wir wollen die kurze Zeit möglichst wenig getrennt sein." Als ich durch das Nebenzimmer sing, saß Frau von Rhoden wieder dort, aber sie sprach
ich wieder hinab zu Wilhelmine. Leonhard saß an Wilhelmines Bett und sah traurig und er regter aus, als ich ihn bisher gesehen. Wilhelmine versuchte, mir ihre kleine, müde Hand entgegenzustrecken, aber es gelang ihr nicht mehr. „Deine Wilhelmine wird schwach," sagte sie, trübe lächelnd, „aber ihre Liebe ist für Dich die alte." Ich mußte mich auch an ihr Beit setzen, so daß sie uns beide sehen konnte, und wir blieben bei ihr Tag und Nacht. Nur zu jeder Mahlzeit ging Leonhard einige Minuten hinaus, und indessen
mußte Eckhard im Vorzimmer bleiben, damit ich uöthigenfalls Bei stand zur Hand hätte. Kam aber Leonhard zurück, so wurde für mich im Vorzimmer servirt, weiter wollte ich nicht fortgehen, und ich aß überhaupt nur, weil Wilhelmine und Leonhard es ver langten. In der Nacht schlief Wilhelmine ein wenig, aber sehr unruhig. Schmerzliche Träume schienen sie zu quälen, und wovon diese handelten, sagten uns die Worte, die sie zuweilen angstvoll rief: „Nein, Josephs, das war nicht meine Mutter! Meine Mutter
war so kalt, so stolz!" — „Kurt nennt sie ihn? Mein Vater hieß auch so!" — „Ich mußte ja fort; nun sterbe ich — dann ist sie frei!" — „Gott verzeihe ihr!" Es waren schreckliche Stunden für uns. Leonhard erzählte mir auch, daß Wilhelmine ihm alles mitgetheilt habe, was ihr armes Herz bedrückte, und daß er nur mit ihr sagen möchte: „Ich habe keine Mutter mehr!" Er sah so unglücklich ans! Am anderen Morgen wiederholte sich der Blutsturz, und als der Medizinalrath kam, konnte man an dem Schmerze
in seinem Antlitz erkennen, daß nichts mehr zu hoffen war. Er beobachtete sie lange und fragte sie dann, ob sie auch heute die Mutter nicht sehen wolle? Leonhard wollte hastig etwas erwidern, aber Wil helmine wehrte leise mit der Hand und sagte: „Ja, heute! Ich würde sie gern um etwas bitten!" Dann dankte sie dem Vormunde für alle Liebe und Güte, die er ihr bewiesen, und bat ihn, Sorge zu tragen, daß ihre letzten Wünsche, die sie Leonhard anvertraut habe, erfüllt würden. Er versprach es, küßte