Beilage zum „SMiroler Vollsblattt Nro. Zö. Streiflichter und Schlagschatten Bozen, 28. März. Als im November v. I. vernommen wurde, Graf Leo Thun und seine Genossen würden zu Verhandlung über die Ehe- und Schulgesetze im Herrenhause sich einsinken, da wurde (viel bezeichnend genug) im November v. Z. ein Pairsschub vorgenommen. Derselbe hat die Erwartungen entsprochen, denn von den damals ernannten 20 Mitgliedern haben ü für den Vertagungsantrag, 15 für den Bruch des EoncordateS gestimmt
. Von den im Frühjahre ernannten waren drei nicht erschienen, 4 hatten für den Vertagungsantrag und 14 für den Bruch des Vertrages, genannt Concordat, gestimmt. „Ein Herrenhaus, dessen lebenslängliche Mitglieder jeder Zeit, vor jeder wichtigen Verhandlung von der jeweiligen Regierung beliebig vermehrt werden können, ist nichts weiter als ein ministerieller Abstimmungs apparat.' „Vaterland.' Graf Leo Thun hat in dem Schreiben vom 17. Febr. seine Anschauungen so klar und unzweideutig ausgesprochen, daß Niemand mehr
über ihn im Ungewissen sein konnte, daher beschloß das Herren haus über Antrag des Freiherr» von Lichtenfels den Grafen Thun, obgleich es ihn als Mitglied betrachte, aufzufordern, daß er von des Kaisers Majestät seine Enthebung erwirke, weil seine Anschauungen, als den Rechtsbestand der Verfassung bestreitend, nicht zulässig seien und ihn von der Theilnahme an den Verhandlungen des Hauses aus schließen. Nichts destoweniger erschien Graf Leo Thun zu sichtlicher Ueberraschung des Hauses wie der Minister in Folge
Stricken selbst gedreht hatten. Graf Leo Thun stand wieder in dem Hause mit der vollen Freiheit seiner Ueberzeugung, nicht um Rechte auszuüben, die er sich selbst ebenso gut wie dem ganzen Reichsrathe abgesprochen hatte, sondern um einer kaiserlichen Aufforderung Folge leistend, Obliegenheiten nach« zukommen. WaS sind aber die Obliegenheiten, von denen Graf Leo Thun trotz seiner bekannten Rechtsanschauungen anerkannt, daß er ihnen an diesem Orte nachzukommen habe? Das ist die Frage
, auf welche wir keine Antwort zu geben vermögen, insolange Graf Leo Thun selbst sich nicht darüber ausgesprochen hat. So daS „Vaterland,' dem wir auch Nachstehendes in gedrängter Kürze entnehmen. Die Frage der jüngsten Debatten war für alle aufrichtige Katholiken eine GewissenSfrage, zugleich die Frage der Rechtsstellung der katholischen Kirche in Oesterreich. Man hätte füglich erwarten können, daß diejenigen Mitglieder deS HerrenhanseS, welche Prote stanten oder Juden sind, eS für anständig halten