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Tiroler Post
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Page 15 of 20
Date: 25.04.1913
Physical description: 20
Bezugsbedingungen samt Zustellung: für Oesterreich -cuujSbrtg K 6.— halbjährig »»,»»».,»N L— Vierteljährig K tSO Oberländer rn solche alle raus entgegen » I Schicksal!" Und Katharina sah bann sinnend und grübelnd bis tief in die Nacht hinein; aber sie fand keinen Ausweg, die Schmerzen und Sorgen los zu werden. Sie braucht«- Trost und fand keinen, denn sie hatte ja Glauben und Frömmigkeit wie eine unnütze Ware von sich geworfen und verstand nicht mehr, sich reuig an den anzuklammern

, der ihr allein helfen konnte; sie dachte nicht an Gott. — Die trüben Stunden wiederholten sich öfter, und jedes- inal war sie allein. Kam aber ihr Mann nach Hause, so lebte sie wieder ans und ließ ihn nichts von ihrem Gemütszustände merken. In letzter Zeit zeigte Mar Winter eine sonderbare Un ruhe und auffällige Zerstreutheit. Was war nur mit ihm? — Katharina forschte in seinen Mienen. — Sie merkte, es war bei ihm etwas nicht in Ordnung. Sollte er Verdruß im Geschäft gehabt haben? — An einem der folgenden

Abende saß sie wieder stunden lang wartend in ihrern Zimmer. Es war eine rauhe Nacht im Spätherbst, und draußen beulte der Wind wie wehklagend durch die Straßen. Im Ofen surrte und sununte das vom Winde angefachte Feuer. — Katharina trat öfter ans Fenster, von hier aus mutzte sie ihn im Scheine des elektrischen Lichtes kommen sehen. Doch ihr Warten war vergebens, ihr Mann ließ sich nicht sehen, «sie wurde.ungeduldig und wanderte im Zimmer auf und ab. Wieder trat sie ans Fenster. — Mehrere in Mäntel

gehüllte Polizisten, die sie an den Dienstniützen erkannte, hielteil vor ihrem Hanse. Die junge Frau beobachtete die Männer. <sie sehen einigemale nach ihrem Fenster hinauf, durch welches das Lampenlicht schimmerte. Jetzt wurde unten an der Haustüre geklinkt. — Katharina meinte, es müsse ihr Mann sein. Sie stand mitten im Zimmer und lauschte. Nun knarrten mehrere Tritte die Treppen herauf. — Katharina stand noch horchend. Die Tritte draußen verstärkten sich. — Jetzl blieb es auf einmal ein Weilchen

still. „Was soll das!" murmelte die junge Frau. Aber schon wurde die Klingel auf eine Weise von draußen gezogen, die vermuten ließ, daß es nicht ihr Mann sei, der eingelassen werden wollte. Katharina eilte zur Tür, aber sie öffnete nicht. Die Klingel - wurde heftiger geläutet. Die junge Frau fuhr zusammen. „Wer ist hier?" rief sie von innen. Eine fremde Männerstimme antwortete im tiefsten Baßtone: „Bitte, öffnen Sie!" Ein neuer Schreck durchzuckte die Frau; sie ahnte in diesem Augenblicke Schlimmes

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Lienzer Nachrichten
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Page 11 of 16
Date: 25.04.1913
Physical description: 16
Mach der Konfiskation zweite Auflage. nr t fr Schicksal!" Und Katharina saß dani: sinnend und grübelnd bis tief in die Nacht hinein; aber sie fand keinen Ausweg, die Schmerzen und Sorgen los zu werden. Sie brauchte Trost und fand keinen, denn sie hatte ja Glauben und Frömmigkeit wie- eine unnütze Ware von sich geworfen und verstand nicht mehr, sich reuig an den anzuklammern, der ihr allein helfen konnte; sie dachte nicht an Gott. —- Die trüben Stunden wiederholten sich öfter, und jedes mal

war sie allein. Kam aber ihr Mann nach Hause, so lebte sie wieder auf und ließ ihn nichts von ihrem Gemütszustände merken. In letzter Zeit zeigte Mar Winter eine sonderbare Un ruhe und auffällige Zerstreutheit. Was war nur mit ihm? — Katharina forschte in seinen Mienen. — Sie merkte, es war bei ihm etwas nicht in Ordnung. Sollte er Verdruß im Geschäft gehabt haben? — An einem der folgenden Abende saß sie wieder stunden lang wartend in ihrem Zimmer. Es war eine rauhe Nacht int Spätherbst, und draußen beulte

der Wind wie wehklagend durch die Straßen. Im Ofen surrte und sununte das vom Winde angefachte Feuer. — Katharina trat öfter ans Fenster, von hier aus mußte sie ihn im Scheine des elektrischen Lichtes kommen sehen. Doch ihr Warten war vergebens, ihr Mann ließ sich nicht sehen. Sie wurde ungeduldig und wanderte im Zimmer auf und ab. Wieder trat sie ans Fenster. - Mehrere in Mäntel gehüllte Polizisten, die sie an den Dienstmützen erkannte, hielten vor ihrem Hanse. Die junge Frau beobachtete die Männer

. Sie sehen einigemale nach ihrem Fenster hinauf, durch welches das Lampenlicht schimmerte. Jetzt wurde unten an der Haustüre^geklinkt. — Katharina meinte, es müsse ihr Mann sein, sie stand mitten im Zimmer und lauschte. Nun knarrten mehrere Tritte die Treppen herauf. — Katharina stand noch horchend. Die Tritte draußen verstärkten sich. Jetzt blieb es auf einmal ein Weilchen still. „Was soll das!" murmelte die junge Frau. Aber schon wurde die Klingel auf eine Weise von draußen gezogen, die vermuten ließ

, daß es nicht ihr Mann sei, der eingelassen werden wollte. Katharina eilte zur Tür, aber sie öffnete nicht. Die Klingel wurde heftiger geläutet. Die junge Frau fuhr zusammen. „Wer ist hier?" rief sie von innen. Eine fremde Männerstimme antwortete im tiefsten Baßtone: „Bitte, öffnen Lie!" Ein neuer Schreck durchzuckte die Frau; sie ahnte in diesem Augenblicke Schlimmes — ein Unglück. Sie suchte sich indes zu fassen turd fntg wieder: „Was soll'?? Was wollen Sie? —" „Oeffnen Sie!" erscholl es draußen schärfer. „Wen

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Außferner Zeitung
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Page 14 of 20
Date: 26.04.1913
Physical description: 20
Seite 12* WAE» 4 $ m m m m m m m Hausnun auch nao darfsfalle arbeiten im eigen? Bl eröffnet \ 13161 öt Die Pro Themata ur Maria. . . . . ( und wert, d denn eine j und Hörer di innig an. An echt besteht keif unserer gro ganz vortret Buch! Brixe Üfl <£(%'- E'„ und H - 130 » rimöcn Tisch lugen geling noch uon voriger Woche -Da. — Gerade in der jetzigen Jahreszeit ist die Frequenz bei der Sibylle einen über den Durchschnitt hinausgehende." Als Katharina die vielen Namen von Gräfinnen und Baroninnen

erwähnte, meinte ihre Herrin: „Warum sollten diese Damen weniger neugierig wegen ihrer Zukunst sein als die gewöhnlichen, die Bürgers frauen!" „Die Namen von „Bürgerlichen" waren gar nicht ver- treten", bemerkte Katharina. „Kann mir's denken, was haben d i e von ihrer Zukunst weiter zu fürchten und zu hoffen!" sagte die Baronin achsel zuckend. „Und übrigens setzen die meisten dieser Frauen ihre Hoffnung und ihr Vertrauen gewöhnlich mehr auf ihren Gott als auf eine der weisen Frauen", sagte

nimmt; wie man sich's halt eben einbildet", verbesserte Katharina mit verschmitztem Lächeln. „Höre, du gefällst mir, Trinchen! Du läßt dir kein di für ein U machen — du hast, wie ich merke, auch nicht zu dem dummen Landvolke gepaßt", lobte die Baronin: und trillerte einige Takte aus einer neuen Arie. „Kann schon sein", versetzte Katharina schmunzelnd. Das Gespräch wurde iunterbrochen, denn ein Besuch meldete sich bei der Baronin an. Sie schlürfte in ihr Boudoir, um geschwind etwas Toilette

zu machen. Katharina folgte ihr. . •. Drittes Kapitel. Seit der Zeit, da Katharina an jenem Nachmittag die Kartenlegerin aufgesucht hatte, waren nun schon wieder zwei Jahre vergangen. Und was war in dieser Zeit in der Großstadt nicht alles vorgegangen! Auch in Katharinas Leben war mancher Wechsel eingetreten. Ihre gutmütige Herrin, die Baronin, war zur armen Frau geworden, die in einer der Vorstädte ein einziges Zimmer bewohnte und von der Gnade ihrer Verwandten lebte; sie, die einst das Geld für Luxus und Tand

im# für die unnötigsten Dinge der Welt mit vollen Händen aus gegeben hatte. Die vergnügungssüchtige Dame war als Verschwenderin erklärt worden und man hatte sie unter Kurgtel stellen müssen. Aber sie hatte es verstanden, weiter die vornehme Dame zu spielen und hatte Schulden auf Schulden gemacht, bis sie am Rande des Verderbens an gekommen war. Katharina hatte eine andere, weniger günstige Stellung gefunden. Ihr Verhältnis mit Max Winter, dem Bankbeamten, unterhielt sie noch immer. — Der kränkelnden Mutter schrieb

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Tiroler Post
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Page 15 of 20
Date: 18.04.1913
Physical description: 20
auf geführt wurden. Das Mädchen verlor so mit der Zeit jedes Ehrgefühl. Mit der Baronin stand Katharina gut. Die ohne sittliche Grundsätze lebende, lebens- und genußsüchtige Frau zeigte sonderbarerweise ini Verkehr mit dem Mädchen gar keinen Stolz und keine Zurückhaltung. Und sie nahm es der Dienerin auch nicht so iibel, wenn diese die stets vor handenen „Zigaretten" mitbenützte. Und Katharina schmauchte die duftigen Glimmstengel mit Behagen. Die Baronin, eine Dame in mittleren Jahren, war eine Polin

und sprach gebrochen deutsch. Sie war gutmütig und flatterhaft wie ein Kind. Von ihrem Manne lebte sie ge trennt; aber Männergesellfchaft war ihr unentbehrlich. Sie hoffte noch auf großes Glück und besuchte öfter eine „be rühmte Kartenschlägerin", die ihr die Zukunft Vorhersagen und deuten mußte. Sie glaubte fest an die Wahrheit und Sicherheit der Aussagen der Kartenlegerin; und so beredete sie auch Katharina, sich vom dein Weibe einmal die geheim nisvollen Blättchen vorlegen zu lassen. Das war der Zofe

schon recht, zumal ihr die Herrin das Geld für das Kartenschlagen einhändigte. Es war aber nicht so leicht, bei der berühmten Frau, die das Schicksal der Menschen aus den Karten las, vorgelassen zu werden. Und dann durfte Katharina nicht als einfache Zofe vor die Frau treten; sie mußte zum mindesten eine „Geheimratstochter" vorstellen und Protektion haben, sonst war es' undenkbar, daß fie zu der Kartenschlägerin vorgelassen wurde. Die Sache ließ sich aber machen, die Baronin, als gute Kundin

der Frau, wollte die Vermittlerin spielen. Die Baronin wußte sich für den Besuch ihrer Zofe bei dem berühmten Weibe Visitenkarten zu besorgen. Sie selbst nahm erst einige Tage vorher die Kunst der Karten schlägerin in Anspruch und leitete so die Sache ein. Katharina fuhr am bestimmten Tage, nachmittags, mit der Elektrischen manche der vielen Straßen durch, um die Frau aufzusuchen. Endlich hatte sie das Haus der Kartenlegerin erreicht; es befand sich in einem der vornehmsten Stadtteile. d Katharina

, im eleganten Kostüm, zu dem die Baronin beigesteuert, trat in den Hausflur und stieg, der Weisung ihrer Herrin gemäß, die mit Läufern 'belegten Stufen empor. Die Frau wohnte im zweiten Stock. Vor ihr stiegen drei ältere Damen in leisem Gespräch, als befänden sie sich in eines ehrwürdigen Tempels Raume, langsam empor; sie waren halb verschleiert. Katharina zögerte etwas — da öffnete sich unten die Tür und vier — fünf Damen schlüpften herein und stiegen die Treppen empor. Die Gesichter waren ebenfalls

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Tiroler Post
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Page 14 of 20
Date: 25.04.1913
Physical description: 20
Kostenvoranschläj , kos Telephon : Wat w Besorgt und t Vorschüsse au treibende und Baiffeisen&ass Auswärtige Ei 130 - runden Lisch Ingerl gewiß uod) non voriger Woche da. Gerade in der jetzigen Jahreszeit ist die Frequenz bei der Sibylle einen über den Durchschnitt hinausgehende." Als Katharina die vielen Namen von Gräfinnen und Baroninnen erwähnte, meinte ihre Herrin: „Warum sollten diese Damen weniger neugierig wegen ihrer Zukunft sein als die gewöhnlichen, die Bürgers frauen!" „Die Namen von „Bürgerlichen

" waren gar nicht ver> treten", bemerkte Katharina. „Kann mir's denken, was haben d i e von ihrer Zukunft weiter zu fürchten und zu hoffen!" sagte die Baronin achsel zuckend. „Und übrigens sehen die meisten dieser Frauen ihre Hoffnung und ihr Vertrauen gewöhnlich mehr auf ihren Gott als auf eine der weisen Frauen", sagte sie in spöttischem Tone. Die Zofe stimmte der „gnädigen" Frau lächelnd bei und erlaubte sich zu bemerken, indem sich um ihre Mundwinkel ein verächtlicher Zug legte: „Die Landleute wenden

sich in ihren Anliegen nicht an weise Frauen, sondern an sogenannte heilige Männer, die ihnen helfen sollen —" „Ungebildetes Volk!" meinte die. „Gnädige". „Als ich noch zu Hause war, mußte ich mit der Mutter auch öfter einen solchen Heiligen um Hilfe anrufen." „Wie hieß der Mann?" „Antonius!" „Und hat er geholfen?" „Wie man's nimmt; wie man sich's halt eben einbildet", verbesserte Katharina mit verschmitztem Lächeln. „Höre, du gefällst mir, Trinchen! Du läßt dir kein $ für ein U machen — du hast, wie ich merke

, auch nicht zu dem dummen Landvolke gepaßt", lobte die Baronin: und trillerte einige Takte aus einer neuen Arie. „Kann schon sein", versetzte Katharina schmunzelnd. Das Gespräch wurde iunterbrochen, denn ein Besuch meldete sich bei der Baronin an. Sie schlürfte in ihr Boudoir, nur geschwind, etwas Toilette zu machen. Katharina folgte ihr. ... Drittes Kapitel. Seit der Zeit, da Katharina an jenem Nachmittag die Kartenlegerin aufgesucht hatte, waren nun schon wieder zwei-Jahre vergangen. Und was war in dieser Zeit

. Aber sie hatte es verstanden, weiter die vornehme Dame zu spielen und hatte Schulden auf Schulden gemacht, bis sie am Rande des Verderbens an gekommen war. Katharina hatte eine andere, weniger günstige Stellung gefunden. Ihr Verhältnis mit Max Winter, dem Bankbeamten, unterhielt sie noch immer. — Der kränkelnden Mutter schrieb sie nur selten und dann jedesmal kurz und bündig. Die Mutter sehnte sich nach ihrem einzigen Kinde und bat, Katharina solle die Großstadt doch verlassen und wieder ins Häuserl auf dem „Kreuzbergl

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Lienzer Nachrichten
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Page 10 of 16
Date: 25.04.1913
Physical description: 16
?' Als Katharina die vielen Namen von Gräfinnen und Baroninnen erwähnte, meinte ihre Herrin: „Warum sollten diese Damen weniger neugierig wegen ihrer Zukunft sein als die gewöhnlichen, die Bürgers frauen!" „Die Namen von „Bürgerlichen" waren gar nicht ver treten", bemerkte Katharina. „Kann mir's denken, was haben die von ihrer Zukunft weiter zu fürchten und zu hoffen!" sagte die Baronin achsel zuckend. „Und übrigens setzen die meisten dieser Frauen ihre Hoffnung und ihr Vertrauen gewöhnlich mehr auf ihren Gott

!" „Und hat er geholfen?" „Wie man's nimmt; wie man sich's halt eben einbildet", verbesserte Katharina mit verschmitztem Lächeln. „Höre, du gefällst mir, Trinchen! Du läßt dir kein £ für ein U machen — du hast, wie ich merke, auch nicht zu dem dummen Landvolke gepaßt", lobte die Baronin: und trillerte einige Takte aus einer neuen Arie. „Kann schon sein", versetzte Katharina schmunzelnd. Das Gespräch wurde iunterbrochen. denn ein Bestich meldete sich bei der Baronin an. Sie schlurfte in ihr Boudoir, um geschwind

etwas Toilette zu machen. Katharina folgte ihr. ... Drittes Kapitel. Seit der Zeit, da Katharina an jenen: Nachmittag die Kartenlegerin anfgesucht hatte, waren nun schon wieder zwei Jahre vergangen. Und was war in dieser Zeit in der Großstadt nicht alles vorgegangen! Auch in Katharinas Leben war mancher Wechsel eingetreten. Ihre gutmütige Herrin, die Baronin, war zur armen Frail geworden, die in einer der Vorstädte ein einziges Zimmer bewohnte und von der Gnade ihrer Verwandten lebte; sie, die einst das Geld

' für Luxus und Tand und für die unnötigsten Dinge der Welt mit vollen Händen aus gegeben hatte. Die vergnügungssüchtige Dame war als Verschwenderin erklärt worden und man hatte sie unter Kuratel stellen müssen. Aber sie hatte es verstanden, weiter die vornehme Dame zu spielen und hatte Schulden auf Schulden gemacht, bis sie am Rande des Verderbens an gekommen war. . Katharina hatte eine andere, weniger günstige Stellung gefunden. Ihr Verhältnis mit Max Winter, dem Bankbeamten, unterhielt sie noch immer

. — Der kränkelnden Mutter schrieb sie nur selten und dann jedesmal kurz und bündig. Die Mutter sehnte sich nach ihrem einzigen Kinde und bat, Katharina solle die Großstadt doch verlassen und wieder ins Häuserl auf dem „Kreuzbergl" kommen. Die Tochter dachte nicht daran, der Mutter Wunsch zu erfüllen; und wie sollte das leichtlebige Mädchen sich auch entschließen können, nach Hause zu ziehen, war sie doch ganz in der Macht und den Händen ihres „Bräutigams", von den: sie nicht lassen v mochte. An Beten dachte

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Außferner Zeitung
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Page 15 of 20
Date: 26.04.1913
Physical description: 20
* 131 . Schicksal!" Und Katharina saß dann sinnend und grübelnd bis tief in die Nacht hinein; aber sie fand keinen Ausweg, die Schmerzen und Sorgen los zu werden. Sie braucht«- Trost und fand keinen, denn sie hatte ja Glauben und Frömmigkeit wie eine unnütze Ware von sich geworfelt und verstand nicht mehr, sich reuig an den anzuklammern, der ihr allein helfen konnte; sie dachte nicht an Gott. — 1 Die trüben Stunden wiederholten sich öfter, und jedes mal war sie allein. Kam aber ihr Mann

nach Hause, so lebte sie wieder auf und ließ ihn nichts von ihrem Gemütszustände merken. In letzter Zeit zeigte Mar Winter eine sonderbare Un ruhe und auffällige Zerstreutheit. Was war nur mit ihm? — Katharina forschte in seinen Mienen. — Sie merkte, es war bei ihm etwas nicht in Ordnung. Sollte er Verdruß im Geschäft gehabt haben? — An einem der folgenden Abende saß sie wieder stunden lang wartend in ihrem Zimmer. Es war eine rauhe Nacht int Spätherbst, und draußen heulte der Wind wie wehklagend

durch die Straßen. Im Ofen surrte und sununte das vom Winde angefachte Feuer. — Katharina trat öfter ans Fenster, von hier aus mußte sie ihn im Scheine des elektrischen Lichtes kommen sehen. Doch ihi^Warten war vergebens, ihr Mann ließ sich nicht sehen. Sie wurde ungeduldig und wanderte im Zimmer auf und ab. Wieder trat sie ans Fenster. — Mehrere in Mäntel gehüllte Polizisten, die sie an beu Dienstmützen erkannte, hielten vor ihrem Haufe. Die junge Frau beobachtete die Männer. Sie sehen einigemale

nach ihrem Fenster hinauf, durch welches das Lampenlicht schimmerte. Jetzt wurde unten an der Haustüre geklinkt. — Katharina meinte, es müsse ihr Mann sein. Sie stand mitten im Zimmer und lauschte. Nun knarrten mehrere Tritte die Treppen herauf. — Katharina stand noch horchend. Die Tritte draußen verstärkten sich. — Jetzt blieb es auf einmal ein Weilchen stillt „Was soll das!" murmelte die junge Frau. Aber schon wurde die Klingel auf eine Weise von dranßen gezogen, die vermuten ließ, daß es nicht ihr Mann sei

, der eingelassen werden wollte. Katharina eilte zur Tür, aber sie öffnete nicht. Die Klingel wurde heftiger. geläutet. Die junge Frau fuhr zusammen. „Wer ist hier?" rief sie von innen. Eine fremde Männerstimme antwortete im tiefsten Baßtone: „Bitte, öffnen oie!" Ein neuer Schreck durchzuckte die Frau; sie ahnte in diesem Augenblicke Schlimmes — ein Unglück. Sie suchte sich indes zu fassen und frug wieder: „Was soll's? Was wollen Sie? —" „Oeffnen Sie!" erscholl es draußen schärfer. „Wen suchen Sie?" sagte

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Außferner Zeitung
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Page 15 of 20
Date: 19.04.1913
Physical description: 20
ihm herausbekommen, daß er nichts glaubte und auf die volksverdummenden Pfaffen schimpfte; er war noch über einen Sozialdemo kraten und hielt — wie er sich mit Vorliebe ailszudriicken pflegte — zur „Gemeinde der Freidenker". Dieser Mar Winter nahm sein „Käthcheu" öfter mit in die Theater, wo die moralisch bedenklichsten Stiicke auf geführt wurden. Das Mädchen verlor so mit der Zeit jedes Ehrgefühl. Mit der Baronin stand Katharina gut. Die ohne sittliche Grundsätze lebende, lebens- utiö- genußsüchtige Fran zeigte

sonderbarerweise im Verkehr mit dem Mädchen gar keinen Stolz und keine Zurückhaltung. Und sie nahm es der Dienerin auch uicht so übel, wenn diese die stets vor handenen „Zigaretten" mitbenützte. Und Katharina schmauchte die duftigen Glimmstengel mit Behagen. Tie Baronin, eine Dame in mittleren Jahren, war eine Polin und sprach gebrochen deutsch. Sie war gutmütig und flatterhaft wie ein Kind. Von ihrem Manne lebte sie ge trennt; aber Männergesellschast war ihr unentbehrlich. Sie hoffte noch auf großes Glück

und besuchte öfter eine „be rühmte Kartenschlägerin", die ihr die Zukunft Vorhersagen und deuten mußte. Sie glaubte fest an die Wahrheit und Sicherheit der Aussagen der Kartenlegerin; und so beredete sie auch Katharina, sich von dem Weibe einmal die geheim nisvollen Blättchen vorlegen zu lassen. Das war der Zofe schon recht, zumal ihr die Herrin das Geld für das Kartenschlagen einhändigte. Es war aber nicht so leicht, bei der berühmten Frau, die das Schicksal der Menschen aus den Karten las, vorgelassen

zu werden. Und dann durfte Katharina nicht als einfache Zofe vor die Frau treten; sie mußte zum mindesten eine „Geheimratstochter" dorstellen und Protektion haben, sonst war es undenkbar, daß sie zu der Kartenschlägerin vorgelassen wurde. Die Sache ließ sich aber machen, die Baronin, als gute Kundin der Frau, wollte die Vermittlerin spielen. Die Baronin wußte sich für den Besuch ihrer Zofe bei dem berühmten Weibe Visitenkarten zu besorgen. Sie selbst nahm erst einige Tage vorher die Kunst der Karten schlägerin

in Anspruch und leitete so die Sache ein. Katharina fuhr am bestimmten Tage, nachniittags, mit der Elektrischen manche der vielen Straßen durch, um die Frau aufzusuchen. Endlich hatte sie das Haus der Kartenlegerin erreicht; es befand sich in einem der vornehmsten Stadtteile. Katharina, im eleganten Kostiim, zu denk die Baronin beigesteuert, trat in den Hausflur und stieg, der Weisung ihrer Herrin gemäß, die mit Läufern belegten Stufen empor. Die Frau wohnte im zweiten Stock. Vor ihr stiegen drei ältere

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Lienzer Nachrichten
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Page 11 of 16
Date: 18.04.1913
Physical description: 16
sein. Das hatte sie aus ihm herausbekommen, daß er nichts glaubte und auf die volksverdummenden Pfaffen schimpfte; er war noch über einen Sozialdemo kraten und hielt — wie er sich mit Vorliebe auszudrücken pflegte — zur „Gemeinde der Freidenker". Dieser Mar Winter nahm sein „Käthchen" öfter mit in die Theater, wo die moralisch bedenklichsten Stücke auf geführt wurden. Das Mädchen verlor so mit der Zeit jedes Ehrgefühl. Mit der Baronin stand Katharina gut. Die ohne sittliche Grundsätze lebende, lebens- und genußsüchtige Frau zeigte

sonderbarerweise im Verkehr mit dem Mädchen gar keinen Stolz und keine Zuriickhaltung. Und sie nahm es der Dienerin auch nicht so iibel, wenn diese die stets vor handenen „Zigaretten" mitbeniitzte. Und Katharina schmauchte die duftigen Glimmstengel mit Behagen. Die Baronin, eine Dame in mittleren Jahren, war eine Polin und sprach gebrochen deutsch. Sie war gutmütig und flatterhaft wie ein Kind. Von ihrem Manne lebte sie ge trennt; aber Männergesellschaft war ihr unentbehrlich. Sie hoffte noch auf großes Glück

und besuchte öfter eine „be rühmte Kartenschlägerin", die ihr die Zukunft Vorhersagen und deuten mußte. Sie glaubte fest an die Wahrheit und Sicherheit der Aussagen der Kartenlegerin; und so beredete sie auch Katharina, sich von dem Weibe einmal die geheim nisvollen Blättchen vorlegen zu lassen. . Das war der Zofe schon recht, zumal ihr die Herrin das Geld für das Kartenschlagen einhändigte. Es war aber nicht so leicht, bei der berühmten Frau, die das Schicksal der Menschen aus den Karten las, vorgelassen

zu werden. Und dann durfte Katharina nicht als einfache Zofe vor die Frau treten; sie mußte zum mindesten eine „Geheimratstochter" vorstellen und Protektion haben, sonst war es undenkbar, daß sie zu der Kartenschlägerin vorgelassen wurde. Die Sache ließ sich aber machen, die Baronin, als gute Kundin der Frau, wollte die Vermittlerin spielen. Die Baronin wußte sich für den Besuch ihrer Zofe bei dem berühmten Weibe Visitenkarten zu besorgen. Sie selbst nahm erst einige Tage vorher die Kunst der Karten schlägerin

in Anspruch und leitete so die Sache ein. Katharina fuhr am bestimmten Tage, nachmittags, mit der Elektrischen manche der vielen Straßen "durch, um die Frau aufzusuchen. Endlich hatte sie das Haus der Kartenlegerin erreicht;, es befand sich in einem der vornehmsten Stadtteile. Katharina, im eleganten Kostüm, zu deni die Baronin beigesteuert, trat in den Hausflur und stieg, der Weisung ihrer Herrin gemäß, die mit Läufern belegten Stufen empor. Die Frau wohnte im zweiten Stock. Vor ihr stiegen drei ältere

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Tiroler Post
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Page 15 of 20
Date: 04.04.1913
Physical description: 20
man dich gar wenig int Dorfe", setzck das Mädchen hinzu. „Kann schon sein, daß ich mich jetzt rar mache", er widerte Katharina und ging weiter. „Na, guten Tag auch, Kathrinl'!" rief des Kunzelbauern Tochter der Dahinschreitenden nach. Das Bergmädchen wandte sich um und bemerkte ver- drießlich: „Weißt', Lisel, du kannst mich jetzt immer „Käth- chen" nennen." „Wenn dir's so besser klingt, meinetwegen", rief lachend die Schulfreundin. Katharina ging weiter. „Du, Kathrinl, was ich dir noch sagen wollte, weißt

, auf'n Sonntag ist im Kretscham Tanz", rief Lisel. Die Angeredete gab keine Antwort. Lisel sagte zu einer alten Frau, die dem Mädchen be gegnete, indem es mit dem Finger aus Katharina zeigte-. „Ist die aber stolz, man sollte schier meinen, sie sei eine Grafentochter." „Hm!" niachte die alte Frau; „weißt, Hochmut kommt allemal vor dem Fall!" Katharina ging indes weiter ins Dorf hinein, wo sie noch manches besorgen mußte. Erst begab sie sich auf den Dorfkirchhof, zu Vaters Grabe. Mit unwilliger Miene

sah sie den Totengräber aus dem neuen Grabe, das er für den Gemeindehirten herrichtete, den Boden hart neben des Vaters Hügel aufwerfen. Sie grüßte ihn kaum und warf nur einen finsteren Blick auf den weißhaarigen Alten, der gelassen mit der Schaufel hantierte. Wie zur Entschuldigung meinte er. nur, als einzelne Erdstücke bis zu ihrem Kleide kollerten: „Dem Grabe geschieht nichts, liebes Fräulein; es wird von mir nach der Beerdigung alles wieder hübsch in Ordnung gebracht." Katharina schien

es t" Katharina ging jetzt auf einem Seitenwege zu den Krümersleuten, dort wollte sie sich einige kleine Schmuck sächelchen für den kommenden Sonntag kaufen. Sie mußte lachen, wenn sie daran dachte, wie sie der gar zu sparsamen Mutter mit Müh und Not ein paar Pfennige durch eine Lüge herausgepreßt hatte. Die Mutter hatte mit zittern den Fingern das dünne Geldbeutelchen aus der Truhe ge zogen und beim Aufzählen der paar kleinen Nickelmünzen gejammert: „Kind, wir müssen sparen, sonst reicht's

nicht." Und sie, Katharina, hatte ihren Willen durchgesetzt, indem sie vorgegeben, sie müsse die Sachen notwendig haben, lieber wolle sie weniger essen als darauf verzichten. Katharina wurde jetzt von des Birkenhofbauern Fritz, der ihr entgegen kam, angeredet. Schnell fuhr sie mit dem Körbchen unter die Schürze, denn als Botenmädchen mit einem Körbchen am Arm, wollte sie, die Beamtentochter, von den Leuten des Dorfes nicht angesehen werden. Der freundliche Bursche plauderte ein wenig mit ihr und ging

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Außferner Zeitung
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Page 13 of 20
Date: 17.05.1913
Physical description: 20
Organ für den politischen Bezirk Reutte. Vertage zur „Anßfcrncr Zeitung". Verloren unci wieitergefuncien. Erzählung von Lechmann in Tharnau. (Schlust.) >Nachdruck verboreir.i eilte, an dein kalten Tage, eilt Katharina Straße auf, Straße ab; sie hat ihr stöhnendes Kind in einen verschlissenen Tuchumschlag gehüllt; sie selbst , _ hat nur einen diinnen Rock lind ein Wolltuch um den vor Kälte zitternden Leib; die Fiiße stecken in zer rissenen Schuhen. Wieder ha-t die arme Frau um Arbeit angehalten

nicht darauf. Was ist ihr in ihrem elenden Zu stande Spott und Verachtung! Ihre Menschennatur verlangt gebieterisch Ruhe, Nahrung, und beides will sie hier suchen und erbetteln. Sie wendet sich bittend an den dicken Schenk wirt. Dieser streicht sich be haglich den Nundbauch und meint: „Hier ist ein Wirts haus, aber kein Verpflegehaus sur deutsche Bettelweiber!" Katharina muß sich vor Schwäche an die Wand lehnen. - Der dicke Wirt reicht der halb Verschrnachteten ein Glas mit Schnaps. Katharina schüttelt

den Kopf. „Das deutsche Vettelweib hat den Hochinutsteufel!" schreit der erboste Wirt. Er macht eine Bewegung mit der fetten Hand nach der Tür. . Katharina schleicht hinaus. Im Hausflur taumelt sie wie eine Betrunkene hin. ^.roftlos steht sie mm mit dem kranken Kinde im Arm, sie bedenkt, was sie nun beginnen soll. Mühsam schleppt sie sich abermals von Straße zu Straße. Die Menschen eilen an ihr vorüber, die Gefährte und Ricard rDagncr Kutschen rollen vorbei und die „Elektrische" saust dahin. Oester

wird Katharina von vorbeieilenden Männern und Frauen beiseite gestoßen; mehrmals hört sie den Ruf: „Bettelweib!" Aber liegen bleiben will sie hier aus offener Straße unter diesen hartherzigen Mensck^n nicht, und so schwankt sie weiter. Wiener ist eine Stunde vergangen, und noch hat sie keine Unterkunft gesunden. Sie fleht oft: „O Gott, laß mich sterben!" Jetzt biegt sie in eine der vielen Vorstädtstraßen ein. Wieder sucht sie aus und ad, aber nirgends wird sie ange nommen. Es ist schon eine Stunde

nach Mitternacht; Katharina lehnt eben wieder an der Wand eines kleinen Hauses. Nur wenige Menschen gehen hier noch vorüber. Katharina rafft sich noch mals auf und taumelt bis zum nächsten Hause. Dort auf den Steinstufen will sie etwas ausruhen und das stöhnende Kind besser einwickeln. Sie läßt sich nieder und lehnt sich mit dem Rücken gegen die Tür. Sie versinkt vor Schwäche in Schlaf. Plötzlich rüttelt eine starke Hand die fast Ohnmächtige aus ihrem Zustande. Es ist ein Wächter, der seinen Gang macht

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Außferner Zeitung
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Page 15 of 28
Date: 05.04.1913
Physical description: 28
107 * freundlich aucjentfeu. Ktmzelbauers Lisel meinte treu herzig: „Kathrinl, wo gehst denn hin?" „Wo werd' ich hingeh'n als halt ilts Torf!" war der -kurze Bescheid. „Na, fragen darf man halt doch, wenn man einander begegnet, Kathrinl!" meinte Lisel. „Weißt, seit unserer Schulentlassung sieht man dich gar wenig im Torfe", setzte das Mädchen hinzu. „Kann schon sein, daß ich mich jetzt rar mache", er widerte Katharina und ging weiter. „Na, guten Tag auch, Kathrinl'!" rief des Kunzelbauern

Tochter der Dahinschreitenden nach. Das Bergmädchen wandte sich um und bemerkte ver drießlich: „Weißt'-, Lisel, du kannst mich jetzt immer „Käth- cheu" nennen." „Wenn dir's so besser klingt, meinetwegen", rief lachend die Schulfreundin. Katharina ging weiter. „Tu, Kathrinl, was ich dir noch sagen wollte, weißt, auf'n Sonntag ist im Kretscham Tanz", rief Lisel. Tie Angeredete gab keine Antwort. Lisel sagte 31t einer alten Trau, die dem Mädchen be gegnete, indem es mit dem Finger ans Katharina zeigte

auf den weißhaarigen Alten, der gelassen mit der Schaufel hantierte. Wie zur Entschuldigung meinte er nur, als einzelne Erdstücke bis 31t ihrem Kleide kollerten: „Dem Grabe geschieht nichts, liebes Fräulein; es wird von mir nach der Beerdigung alles wieder hübsch in Ordnung gebracht." Katharina schien befriedigt und nickte nur stumm; daß der Alte sie „Fräulein" tituliert hatte, gefiel ihr und stimmte sie um. Nachdem sie den Grabhügel des Vaters etwas zurecht gemacht hatte, entfernte

sie sich wieder. Am Kirchhofstore begegnete sie dem Pfarrer; sie machte einen gutgelungenen Knix und schlüpfte davon. Die ernsten Blicke des Priestergreises folgten ihrer leicht hinschwebenden Gestalt. Er flüsterte vor sich hin: „Ist das nicht der Brunner- Witwe Mädchen? Ein pures Stadtfräulein — Gott be- hüte es!" Katharina ging jetzt auf einem Seitenwege zu den Krämersleuten, dort wollte sie sich einige kleine Schmuck sächelchen für den kommenden Sonntag kaufen. Sie mußte lachen, wenn sie daran dachte, wie sie der gar

zu sparsamen Mutter mit Müh und Not ein paar Pfennige durch eine Lüge herausgepreßt hatte. Tie Mutter hatte mit zittern den Fingern das dünne Geldbeutelchen aus der Truhe ge zogen und beim Aufzählen der Paar kleinen Nickelmünzen gejammert: „Kind, wir müssen sparen, sonst reicht's nicht." Und sie, Katharina, hatte ihren Willen durchgesetzt, indem sie vorgegeben, sie müsse die Sachen notwendig haben, lieber wolle sie weniger essen als darauf verzichten. Katharina wurde jetzt von des Birkenbofbauern Fritz

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Tiroler Post
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Page 13 of 20
Date: 16.05.1913
Physical description: 20
». eute, an dem kalten Tage, eilt Katharina Straße auf, Straße ab; sie hat ihr stöhnendes Kind in einen verschlissenen Tuchumschlag gehüllt; sie selbst hat nur einen dünnen Rock und ein Wolltuch um den vor Kälte zitternden Leib; die Füße stecken in zer rissenen Schuhen. Wieder hat die arme Frau uni Arbeit angehalten, aber umsonst war ihr Bitten und Flehen; jetzt, gegen Abend, wankt sie zwischen den Häusern hin; die Augen sind tränenfeucht, ihr schwindelt vyr Schwäche. Sie kann fast nicht mehr

sich bittend an den dicken Schenk wirt. Dieser streicht sich be haglich den Rundbauch und meint: „Hier ist ein Wirts haus, aber kein Verpflegehaus für deutsche Bettelweiber!" Katharina muß sich vor Schwäche an die Wand lehnen. Der dicke Wirt reicht der halb Verschmachteten ein Glas mit Schnaps. Katharina schüttelt den Kopf. „Das deutsche Bettelweib hat den Hochmutsteufel!" schreit der erboste Wirt. Er macht eine Bewegung mit der fetten Hand nach der Tür. Katharina schleicht hinaus. Im Hausflur taumelt

sie wie eine Betrunkene hin. Trostlos steht sie nun mit dem kranken Kinde im Arm, sie bedenkt, was sie nun beginnen soll. Mühsam schleppt sie sich abermals von Straße zu Straße. Die Menschen eilen an ihr vorüber, die Gefährte und Sie fleht oft: Richard Wagner. Kutschen rollen vorbei und die „Elektrische" saust dahin. Oester wird Katharina von vorbeieilenden Männern und Frauen beiseite gestoßen; mehrmals hört sie den Ruf: „Bettelweib!" Aber liegen bleiben will sie hier auf offener Straßo unter diesen hartherzigen

Menschen nicht, und so schwankt sie weiter. Wieder ist eine Stunde vergangen, und noch hat sie keine Unterkunft gefunden. Gott, laß nach sterben!" Jetzt biegt sie in eine der vielen Vorstadtstratzen ein. Wieder sucht sie auf und ab, aber nirgends wird sie ange nommen. Es ist schon eine Stunde nach Mitternacht; Katharina lehnt eben wieder an der Wand eines kleinen Hauses. Nur wenige Menschen gehen hier, noch vorüber. Katharina rafft sich noch mals auf und taunielt bis zum nächsten Hause

. Dort auf den Steinstufen will sie etwas ausruhen und das stöhnende Kind besser einwickeln. Sie läßt sich nieder und lehnt sich mit dem Rücken gegen die Tür. Sie versinkt vor Schwäche in Schlaf. Plötzlich rüttelt eine starke Hand die fast Ohnmächtige aus ihrem Zustande. Es ist ein Wächter, der seinen Gang macht. Katharina hebt mühsani den Kopf und flüstert: „Er barmen! Erbarmen!" „Ohne Umstände! Was suchen Sie hier?" schnarrt der Wächter verdrießlich. „Ruhe!" klagt Katharina. „Hier können Sie nicht liegen bleiben

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Lienzer Nachrichten
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Page 13 of 20
Date: 16.05.1913
Physical description: 20
Illustriertes AnLerhattungsölatt der „Lienzer Aachrichten". Verloren uncl wieclergetunclen. Erzählung von Lechmann in Tharnau. (Schluß.) ^Nachdruck verboren.i * cutc, an dem falten Tage, eilt Katharina Straße auf, Straße ab; sie hat ihr stöhnendes Kind in einen verschlissenen Tuchumschlag gehüllt; sie selbst — hat nur einen dünnen Rock und ein Wolltuch um den vor Kälte zitternden Leib; die Füße stecken in zer rissenen Schuhen. Wieder hat die arme Frau um Arbeit angehalten, aber umsonst

. Was ist ihr in ihrem elenden Zu stande Spott und Verachtung! Ihre Menschennatur verlangt gebieterisch Ruhe, Nahrung, und beides will sie hier suchen und erbetteln. Sie wendet sich bittend an den dicken Schenk wirt. Dieser streicht sich be haglich den Rundbauch und meint: „Hier ist ein Wirts haus, aber kein Verpflegehaus für deutsche Bettelweiber!" Katharina muß sich vor Schwäche an die Wand lehnen. Der dicke Wirt reicht der halb Verschmachteten ein Glas mit Schnaps. Katharina schüttelt den Kopf. „Das deutsche Bettelweib

hat den Hochmutsteufel!" schreit der erboste Wirt. Er macht eine Bewegung mit der fetten Hand nach der Tür. Katharina schleicht hinaus. Im Hausflur taumelt sie wie eine Betrunkene hin. Trostlos steht sie nun mit dem kranken Kinde im Arm, sie bedenkt, was sie nun beginnen soll. . Mühsam schleppt sie sich abermals von Straße zu Straße. Die Menschen eilen an ihr vorüber, die Gefährte und Richard JDagner. Kutschen rollen vorbei und die „Elektrische" saust dahin. Oefter wird Katharina von vorbeieilenden Männern

und Frauen beiseite gestoßen; mehrmals hört sie den Ruf: „Bettelweib!" Aber liegen bleiben will sie hier auf offener Straße unter diesen hartherzigen Menschen nicht, und so schwankt sie weiter. Wieder ist eine Stunde vergangen, und noch hat sie keine Unterkunft gefunden. Sie fleht oft: „O Gott, laß mich sterben!" . Äetzt biegt sie in eine der welen Vorstadtstraßen ein. Wieder sucht sie auf ltnb ab, aber nirgends wird sie ange nommen. Es ist schon eine Stunde nach Mitternacht; Katharina lehnt eben

wieder an der Wand eines kleinen Hauses. Mrr wenige Menschen gehen hier noch vorüber. Katharina rafft sich noch mals aus und taumelt bis zum nächsten Hause. Dort aus den Steinstufen will sie etwas ausruhen und das stöhnende Kind besser einwickeln. Sie läßt sich nieder und lehnt sich mit dem Rücken gegen die Tür. Sie versinkt vor Schwäche in Schlaf. Plötzlich rüttelt eine starke Hand die fast Ohnmächtige aus ihrem Zustande. Es ist ein Wächter, der seinen Gang macht. Katharina hebt mühsam den Kopf und flüstert

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Lienzer Nachrichten
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Page 11 of 16
Date: 04.04.1913
Physical description: 16
107 freundlich angerufen. KuitzÄbauers Lisel .meinte treu herzig: „Kathrinl-, wo gehst denn hin?" „Wo werd' ich hingeh'n als halt ins Dorf!" war der kurze Bescheid. „Na, fragen darf man halt doch, wenn man einander begegnet, Kathrinl!" meinte Lisel. „Weißt, seit unserer Schulentlassung sieht man dich gar wenig im Dorfe", setzte das Mädchen hinzu. „ „Kann schon sein, daß ich mich jetzt rar mache", er widerte Katharina und ging weiter. „Na, guten Tag auch, Kathrinl'!" rief des Kunzelbauern

Tochter der Dahinschreitenden nach. Das Bergmädchen wandte sich um und bemerkte ver drießlich: „Weißt , Lisel, du kannst mich jetzt immer „Käth- chen" nennen." „Wenn dir's so besser klingt, meinetwegen", rief lachend die Schulfreundin. Katharina ging weiter. „Du, Kathrinl, was ich dir noch sagen wollte, weißt, auf'n Sonntag ist im Kretscham Tanz", rief Lisel. Die Angeredete gab keine Antwort. Lisel sagte zu einer alten Frau, die dem Mädchen be gegnete, indem es mit dem Finger auf Katharina zeigte

-. „Ist die aber stolz, man sollte schier meinen, sie sei eine Grafentochter." „Hm!" machte die alte Frau; „weißt, Hochmut kommt allemal vor dein Fall!" Katharina ging indes weiter ins Dorf hinein, wo sie noch manches besorgen mußte. Erst begab sie siw auf den Dorfkirchhof, zu Vaters Grabe. Mit unwilliger' Miene sab sie den Totengräber aus dem neuen Grabe, das er für den Gemeindehirten herrichtete, den Boden hart neben des Vaters Hügel auswerfen. Sie grüßte ihn kaurn und warf nur einen finsteren Blick

auf den weißhaarigen Alten, der gelassen mit der Schaufel hantierte. Wie zur Entschuldigung meinte er nur, als einzelne Erdstücke bis zu ihrem Kleide kollerten: „Dem Grabe geschieht nichts, liebes Fräulein; es wird von mir nach der Beerdigung alles wieder hübsch in Ordnung gebracht." Katharina schien befriedigt und nickte nur stumm; daß der Alte sie „Fräulein" tituliert hatte, gefiel ihr und stimmte sie um. Nachdem sie beit Grabhügel des Vaters etwas zurecht gemacht hatte, entfernte

sie sich wieder. Am Kirchhofstore begegnete sie dem Pfarrer; sie machte einen gutgelungenen Knix und schlüpfte davon. Die ernsten Blicke des Priestergreises folgten ihrer leicht hinschwebenden Gestalt. Er flüsterte vor sich hin: „Ist das nicht der Brunner- Witwe Mädchen? Ein pures Stadtfräulein — Gott be hüte es!" Katharina ging jetzt auf einen: Seitenwege zu den Krämersleuten, dort wollte sie sich einige kleine Schmuck- söchelchen für den kommenden Sonntag kaufen. Sie mußte lachen, wenn sie daran dachte, wie sie der gar

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Tiroler Post
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Page 13 of 20
Date: 25.04.1913
Physical description: 20
Brauen: der Blick hatte etwas Stechendes und schien sich dolchartig in Katharinas Gestalt bohren zu wollen. In der linken, langfingrigen, ringgeschmückten Hand hielt sie die Visiten karte empor, während die Rechte an dem seidenen, dunkel farbigen Kleide, das ihre hohe Gestalt wie ein Talar umschloß, herabstrich. Katharina las ans der ihr entgegen- gehaltenen Karte den Namen: Fräulein p. Friedeck. Sie verzog keine Miene und nickte nitr wie zustimmend. Die Sibylle wies mit der Hand auf den nächsten

Stuhl. Katharina ließ sich nieder. Wieder forschte der grelle Blick des Weibes in der Sitzenden Zügen. Das dauerte einige Sekunden. — Der weiß haarige Kopf der Kartenschlä gerin bog sich ein wenig nach links und sie fragte mit tiefer Stimme: „Wie alt sind Sie?" „Siebenzehn und ein halbes Jahr." „Bitte Ihre rechte Hand"! sprach die Sibylle. Das Mädchen kam der Aufforderung nach. Das Weib prüfte die Linien des Handtellers. Katharina durchlief jetzt ein Schauer. — Die Frau flüsterte

etwas in sich hinein. Dem Mädchen wurde es heiß int Herzen. „Es ist gut!" Mit dem Ausruf ließ das Weib Katha rinas Hand los. Das Mädchen atmete beklommen, denn es ineinte, nun werde die weise Frau des Schicksals Spruch verkünden. Aber Irene Botin schwieg. Jetzt griff sie nach einem Päckchen Karten, mischte sie und legte sie nebeneinander. Katharina war ganz Auge. Das Weib tippte mit dem Finger bald auf diese, bald aus jene Karte und sprach flüsternd, doch.mit gewissem Nachdruck des Tones: „Sie suchen Glück

— es steht am Schluß ihres Lebens"; sie zeigte auf die letzte Karte. Katharina wurde etwas blaß. „Sie suchen Liebe. — Hm! Die Karte gefällt mir nicht; da sehen Sie Tränen, Schmerz und — halt, diese Karte hier spricht von Liebe, Reichtum, Ansehn —" Katharina jubelte innerlich aus. „So, für heute wär's genug. — Sind Sie zufrieden, Kind!" Sie klappte die Karten zusammen und sah aüf die goldene Uhr. — „Dreimal läßt sich des Schicksals Spruch vernehmen: also auf Wieder sehn!" „Ich soll wie derkommen

?" flüsterte Katha rina. „Noch zwei mal, dann ver nehmen Sie die Entscheidung!" Die Frau machte eine bezeich nende Bewegung mit der Hand. Katharina war entlassen. Sie reichte der Sibylle ein Geld stück. Diese besah es flüchtig und um ihre Mundwinkel zuckte es geringschätzig. — Zehnmark stücke zu nehmen war sie nicht gewohnt ... Schon trat aus einen Wink des Mädchens eine andere Dame ins Geheimkabinett. . Katharina verließ die Wohnung der Sibylle. . . . Die Baronin erwartete sie mit großer Neugier. Die Zofe

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Tiroler Post
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Page 14 of 20
Date: 16.05.1913
Physical description: 20
. „Ich werde Sie in einer Wirtschaft hier in der Nähe unterbringen", meint der mürrische Führer. „Gott sei Dank!" sagt Katharina. Beide gehen eine kurze Strecke, dann hält der Wächter vor einem mittelgroßen Gebäude. Die Fenster sind ge schlossen, abre man vernimmt noch Stimmen. Der Mann tritt durch ein Seitenpförtchen in einen kleinen Hof; Katharina folgt ihm. Er verschwindet hinter einer Tür, die ins Haus führt. Nach einer Weile kommt er wieder und führt die Frau bis zur Tür, welche in den Stall leitet. Er öffnet und sagt

: „Hier drinnen können Sie die Nacht über zubringen. Legen Sie sich auf jenes Stroh im Winkel." Schwerfällig stapft er davon. Katharina tappt in den finsteren Stall hinein; mit der rechten Hand tastet sie an der feuchtkalten Wand entlang. Endlich hat sie das Stroh erreicht. Erschöpft fällt sie nieder. Ihre Knie zittern und der Kopf brennt wie im Fieber. Das Kind jammert leise; sie sucht den kleinen Körper fester einzuwickeln, reißt von ihrer Schulter den Tuchfetzen und umhüllt das schwerkranke Kind

damit. Katharina kauert sich jetzt zusammen, sie will und muß einige Stunden ruhen. Gegen Morgen, beim trüben Dämmerschein, erwacht die junge Frau; verwundert hält sie in dem Stalle Umschau; sie erblickt nichts als vier kahle Wände und einige Schütten Stroh. Ihr ist heute so eigen zu Mute; sie fühlt im ganzen Leibe eine bleierne Schwere und ihr Kopf sinkt kraftlos zur Brust herab. „Was ist's doch nur mit mir?" flüstert sie. Jetzt tastet sie nach dem Kinde, das Uhr im Schlafe ent glitten ist. Mit einem leisen

Ausruf des Schreckens fährt sie zurück; denn ihr Kleiner liegt starr und kalt. „Tot!" murmelt sie tonlos. Dann umhüllt sie den Leichnam mit dem Tuche, als wollte sie ihn erwärmen. Als sie das Kind aufheben will, sinkt sie kraftlos aufs Stroh zurück und die Sinne vergehen ihr. ... Als Katharina wieder zum Bewußtsein erwacht, befindet sie sich in einem sauberen Bette in einem kleinen Zimmer. Indem sie verwundert umherblickt, tritt eine barmherzige Schwester herein, deren mildes, liebes Gesicht

freundlich lächelt. Von ihr erfährt Katharina, daß sie seit acht Wochen Gast des katholischen Krankenhauses sei, daß sie lange zwi schen Leben und Tod geschwankt und heute zum erstenmal zum vollen Bewußtsein gekommen sei. Nach einigen Tagen der noch notwendigen Schonung teilt ihr die gicke Schwester auch mit, wo und in welchen: Zustande man sie gefunden habe; auch vom Tode ihres Knaben erzählte die Pflegerin. Katharina seufzt zwar schwer auf, aber sie richtet doch einen dankbaren Blick zum Himmel

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Außferner Zeitung
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Page 14 of 20
Date: 17.05.1913
Physical description: 20
hier in der Nähe unterbringen", meint der miirrifche Führer. „Gott sei Dank!" sagt Katharina. Beide gehen eine kurze Strecke, dann hält der Wächter vor einem mittelgroßen Gebäre. Die Fenster find ge schlossen, abre man vernimm! noch Stimmen. Der Mann tritt durch ein Seitenpförtchen in einen kleinen Hof; Katharina folgt ihn:. Er'verschwindet hinter einer Tür, die ins Haus führt. Nach einer Weile kommt er wieder und führt die Frau bis zur Tür, welche in den Stall leitet. Er öffnet und sagt: „Hier drinnen

können Sie die Nacht über zubringen. Legen Sie sich auf jenes Stroh im Winkel." Schwerfällig stapft er davon. Katharina tappt in den finsteren Stall hinein; mit der rechten Hand tastet sie an der feuchtkalten Wand entlang. Endlich hat sie das Stroh erreicht. Erschöpft fällt sie nieder. Ihre Knie zittern und der Kopf brennt wie im Fieber. Das Kind jammert leise; sie sucht den kleinen Körper fester einzuwickeln, reißt von ihrer Schulter den Tuchfetzen und umhüllt das fchwerkranke Kind damit. Katharina kauert

sie zurück; denn ihr Kleiner liegt starr und kalt. „Tot!^ murmelt sie tonlos. Dann umhüllt sie den Leichnam mit dem Tuche, als wollte sie ihn erwärmen. Als sie das Kind aufheben will, sinkt sie kraftlos aufs Stroh zurück und die Sinne vergehen ihr. ... Als Katharina wieder zun: Bewußtsein erwacht, befindet sie sich in einem sauberen Bette in einem kleinen Zimmer. Indem sie verwundert umherblickt, tritt eine barmherzige Schwester herein, deren mildes, liebes Gesicht freundlich lächelt. Von ihr erfährt

Katharina, daß sie seit acht Wochen Gast des katholischen Krankenhauses sei, daß sie lange zwi schen Leben und Tod geschwankt und heute zum erstenmal zum vollen Bewußtsein gekommen sei. Nach einigen Tagen der noch notwendigen Schonung teilt ihr die gute Schwester auch mit, wo und in welchen: Zustande man sie gefunden habe; auch vom Tode ihres Knaben erzählte die Pflegerin. Katharina seufzt zwar schwer auf, aber sie richtet doch einen dankbaren Blick zum Himmel und flüstert die ihr aus der Kinderzeit

in Erinnerung gebliebenen Liedesworte: „Was Gott tut, das ist wohlgetan; Es bleibt gerecht sein Wille; Weil er nur heilig wollen kann In seiner Gottheit Fülle!" Die Schwester lächelt gar liebevoll und nickt bejahend mit dem Kopf. Nach und nach erholt sich Katharina unter der sorgsamen Pflege der barmherzigen Schwester — die eine Deutsche ist — zusehends. So vergehen noch einige Wochen. Nur eine Schwäche stellt sich öfter ein, Katharina achtet nicht darauf. Die guten Schwestern, denen Katharina ihren Lebens

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Unterinntaler Bote
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Page 17 of 22
Date: 08.10.1910
Physical description: 22
315 Tie Katharina sagte ja, ohne sich zu besinnen, ebenfalls in der festen Hoffnung, dem Remigi einen Tort anzutun. Also der schönste Hof in Breitnach ward doch noch ihr eigen! Sie ging dem Alten um den Bart mit süßen Redensarten und hundert Versicherungen, wie sie ihn pflegen wolle und ihm alles Böse vergessen machen, das er erlebt. Ja, als sie ihm näher rückte und ihm recht schön tat, da konnte es einen wunder nehmen, wie gern die Maid den mürrischen Alten mit dem breiten, grauen Gesicht

hatte. Ec aber stieß sie fast unsanft zurück: „Ist nit notwendig. Zum Scharmuzieren bin ich zu alt. Und du nimmst mich nit wegen mir, sondern wegen meinem Hof. Es braucht's keine Lug'." Tie Katharina merkte nun, wie sie ihn behandeln müsse. Grober Schmeichelei^ war er nicht zugänglich, — dazu war er zu gerieben und zu mißtrauisch. Ganz fein mußte sie ihn nehmen, es ihm behaglich machen, ohne daß er es merkte, und zugleich für ihn unentbehrlich werden. So bald es anging, wurde die Hochzeit gefeiert

, und die Katharina zog ein auf dem Hof ob der Linden. Raub war der Winter und warm die Stube. „Ach", klagte die Katharina, den Faden netzend, da sie gerade beim Spinnen war, „wie schlecht werden doch die jungen Leut'! Ja, ja! Jetzt der Remigi — wie dankt er dir all deine Lieb' und Sorg'! Davonlaufen tut er und sich herumtreiben." Ter Alte knurrte und paffte eine dicke Dampfwolke an die Stubendecke. „Ja", fuhr sie unbeirrt fort, „und wo man nie weiß, wie lang man die Eltern hat. Könnt' sein, was der liebe Gott

, und der Remigi hat das Nachsehen. Wenn nit. . . no, du wirst es ja erleben, ich red' nit darüber!" „Ja, ja", meinte die Katharina, hochrot bis über die Ohren, „es ist nur, daß du es auch bei Zeiten schriftlich machst, du lieber Gott, man kann nie wissen, und sicher ist sicher!" „Hab' keine Angst", sagte der Bur, „siebenzig Jahr' ist kein Alter, die Wendrichs werden bis neunzig alt. die hab«r ein Leben wie eine Katz', ja, wie eine Katz'!" „Tas ist gut", sprach die Katharina, fieberhaft das Rädlein tretend

und noch mehr errötend, „dann ist ja alles in Ordnung." „Und von dem Remigi schwätz' du nie mehr mit mir," setzte er langsam und schwerfällig hinzu. Tas war im Winter. Zu der Zeit der ersten Schneeschmelze fing der Wendrich an, zu husten. Wieder jammerte die Katharina und beklagte ihr hartes Los, falls ihm etwas zustoße. „Hab' keine Angst, das ist ein Gesundheitshusten, mir ist sau wohl," tröstete er sie mit beißendem Spott. Allgemach ward sie deutlicher. Aus dem schmeichlerischen Trauer ton verfiel

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Lienzer Nachrichten
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Page 14 of 20
Date: 16.05.1913
Physical description: 20
vom! Jeden Sor MZZeZkIrA M LsuspenAl Oescliirr- i ir g M Antoi Lien Empfehle mi TO schlägigen Arbe [Hi Ehrung. [jyi Großes Lage» TO waren in allen f Fach einschlägig Zimmer wie au TO stände. ^ Mäßige Preise „Hm, ja, eine Deutsche!" knurrt der Manu. Das junge Weib erhebt sich mühsam und folgt dem Wächter stillschweigend. „Ich werde Sie in einer Wirtschaft hier in der Nähe unterbringen", meint der mürrische Führer. „Gott sei Dank!" sagt Katharina. Beide gehen eine kurze Strecke, dann hält der Wächter

vor einem mittelgroßen Gebäude. Die Fenster sind ge schlossen, abre man vernimmt noch Stimmen. Der Mann tritt durch ein Seitenpförtchen in einen kleinen Hof; Katharina folgt ihm. Er verschwindet hinter einer Tür, die ins Haus führt. Nach einer Weile kommt er wieder und führt die Frau bis zur Tür, welche in den Stall leitet. Er öffnet und fagt: „Hier drinnen können Sie die Nacht über zubringen. Legen Sie sich auf jönes Stroh im Winkel." Schwerfällig stapft er davon. Katharina tappt in den finsteren Stall hinein

; mit der rechten Hand tastet sie an der feuchtkalten Wand entlang. Endlich hat sie das Stroh erreicht. Erschöpft fällt sie nieder. Ihre Knie zittern und der Kopf brennt wie im Fieber. Das Kind jammert leise; sie sucht den kleinen Körper fester einzuwickeln, reißt von ihrer Schulter den Tuchfetzen und umhüllt das schwerkranke Kind damit. Katharina kauert sich jetzt zusammen, sie will und muß einige Stunden ruhen. Gegen Morgen, beim trüben Dämmerschein, erwacht die junge Frau; verwundert hält sie in dem Stalle

, als wollte sie ihn erwärmen. Als sie das Kind aufheben will, sinkt sie kraftlos aufs Stroh zurück und die Sinne vergehen ihr. ... Als Katharina wieder zum Bewußtsein erwacht, befindet sie sich in einem sauberen Bette in einem kleinen Zimmer. Indem sie verwundert umherblickt, tritt eine barmherzige Schwester herein, deren mildes, liebes Gesicht freundlich lächelt. Von ihr erfährt Katharina, daß sie seit acht Wochen Gast des katholischen Krankenhauses sei, daß sie lange zwi schen Leben und Tod geschwankt und heute

zum erstenmal zum vollen Bewußtsein gekommen sei. Nach einigen Tagen der noch notwendigen Schonung teilt ihr die gute Schwester auch mit, wo und in welchem Zustande man sie gefunden habe; auch vom Tode ihres Knaben erzählte die Pflegerin. Katharina seufzt zwar schwer auf, aber sie richtet doch einen dankbaren Blick zum Himmel und flüstert die ihr aus der Kinderzeit in Erinnerung gebliebenen Liedesworte: „Was Gott tut, das ist wohlgetan; Es bleibt gerecht sein Wille; Weil er nur heilig

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Lienzer Nachrichten
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Page 9 of 16
Date: 25.04.1913
Physical description: 16
: ihr schwarzes Auge glühte unter dichten dunklen Brauen; der Blick -<v> hatte etwas Stechendes und schien sich dolchartig in Katharinas Gestalt bohren zu wollen. In der linken, langfingrigen, ringgeschmückten Hand hielt sie die Visiten karte empor, während die Rechte an dem seidenen, dunkel farbigen Kleide, das ihre hohe Gestalt wie ein Talar umschloß, herabstrich. Katharina las auf der ihr entgegeu- gehalteneu Karte den Namen: Fräulein v. Friedeck. Sie verzog keine Miene und nickte nur wie zustimmend

. Die Sibylle wies mit der Hand auf den nächsten Stuhl. Katharina ließ sich nieder. . Wieder forschte der grelle Blick des Weibes in der Sitzenden Zügen. Das dauerte einige Sekunden. — Der weiß haarige Kopf der Kartenschlä gerin bog sich ein wenig, nach links und sie fragte mit tiefer Stimme: „Wie alt sind Sie?" „Siebenzehn und ein halbes Jahr." „Bitte Ihre rechte Hand"! sprach die Sibylle. Das Mädchen kam der Aufforderung nach. Das Weib prüfte die Linien des Handtellers. Katharina durchlief

jetzt ein Schauer. — Die Frau flüsterte etwas in sich hinein. Dem Mädchen wurde es heiß im Herzen. „Es ist gut!" Mit dem Ausruf ließ das Weib Katha rinas Hand los. Das Mädchen atmete beklommen, denn es meinte, nun werde die weise Frau des Schicksals Spruch verkünden. Aber Irene Botin schwieg. Jetzt griff sie nach einem Päckchen Karten, mischte sie und legte sie nebeneinander. Katharina war ganz Auge. Vas deutsche flusltellungsgebauäe in Oent 1913. Das Weib tippte mit denr Finger bald ans diese, bald auf ferne

Karte und sprach flüsternd, doch mit gewissem Nachdruck des Tones: „Sie suchen Glück;— es steht am Schluß ihres Lebens"; sie zeigte auf die letzte Karte. Katharina wurde etwas blaß. „Sie suchen Liebe. — Hm! Die Karte gefällt mir nicht; da sehen Sie Tränen, Schmerz und — halt, diese Karte hier spricht vor: Liebe, Reichtum, Ansehn —" Katharina jubelte innerlich auf. „So, für hellte wär's genug. — Sind Sie zufrieden, Kiild!" Sie klappte die Karten zusanlmen und sah auf die goldene Uhr. — „Dreimal läßt

sich des Schicksals Sprllch vernehmeil; also auf Wieder sehn!" „Ich soll wie- derkomnien?" flüsterte Katha rina. „Noch zwei mal, daun ver nehmen Sie die Entscheidung!" Die Frau machte eine bezeich nende Bewegung mit der Hand. Katharina war entlassen. Sie reichte der Sibylle ein Geld stück. Diese besah es flüchtig und um ihre Mundwinkel zllckte es geringschätzig. — Zehnmark stücke zu nehmen war sie nicht gewohnt ... Schon trat auf einen Wink des Mädchens eine andere Danle ins Geheimkabinett. _ Katharina verließ

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