, spät am Nachmittage,, kamen meine Eltern und ich Elfjährige von Reutte herun ter. Den Kleinen See, die Seespitze und die Hölle hatten wir passiert und gelangten, nach manchen Straßenwindungen dem Seeuser entlang, zu einer Bucht, in der Reitpferde, ein Dop pelgespann, livrierte Reitknechte und ein Küchenwagen stan den. „Oh, der König von Bayern ist am Kaiserbrunnen," erklärte mein Vater. Und wirklich, als wir den Bergvorsprung erreicht hatten, sahen wir die damals jungschlanke Gestalt des Königs
Ludwig II. auf einem Klappstuhle hart an der sauber ge pflegten Straße sitzen, die, obwohl auf t i r o l i s ch e m Boden, auf seine Kosten erhalten wurde. Der König las in einer umfangreichen Zeitung. Rechts neben der Mauerböschung brannte zwischen einem Kranz von größeren, kugeligen Stei nen ein lustiges Feuer und ein Koch waltete seines Amtes. Der König schaute auf, als wir um die Biegung kamen und dankte freundlich für die Ehrenbezeigung meines Vaters und die Verneigung meiner Mutter
. Ich, im Anschauen des Königs versunken, kam mit meinem Knix zu spät. Denn, einen Men schen mit solchem Gesicht, solch wunderschönen Augen hatte ich noch nicht gesehen. Ein halbe Stunde hatten wir noch bis zum Försterhause zu gehen. Die Schatten der Dämmerung legten sich über das Bergtal. In tiefe Gedanken versunken, hatte ich bisher ge schwiegen, aber nun wußte ich es: ich mußte den Märchen könig heute noch einmal sehen. Nach langem Bitten und väter licher Fürsprache erlaubte es endlich die Mutter — ich dürfte
, einen lauten Gruß, der ebenso erwidert wurde. Ich wußte es, das war mein um mich besorgter Vater, jedoch ich durste mich nicht rühren. Aber alles nimmt ein Ende. In der Bucht drüben wurde es unruhig. Pferde stampften und wieherten. Ein Reiter trabte vor, ich sah den Schein eines Windlichtes, dann kam der Königs wagen. Der König stieg ein, noch ein Blick über den Zauber see und die Pferde kamen in Gang, zwei Reiter folgten, und zuletzt der Küchenwagen. Jetzt rief auch schon mein Vater „Horrido"; ich lief
links hinunter und in seine Arme. Der Brunnen plauderte geschäf tig: „Der König war da, mein Märchenprinz hat mich be sucht." „Ach, geh du," antwortete ich, „du mit deiner häßlichen Mauerwand, hast mir keinen Blick gegönnt." Die Feuersteine lagen angebrannt da in friedlicher Rundung, ein Häufchen Asche in der Mitte. Da wurde des Königs Abendmahl be reitet— „Erdäpfel in der Schale", wie bei allen ähnlichen Anlässen. König Ludwig ir. von Bayern. (Iugendbildnis aus Münchner Privatbesitz.) Die Straße