Letture italiane raccolte ed annotate ad uso delle scuole médie tedesche
198 will für dich beten, daß dir kein Unglück begegne, und daß du gut bleibest." Da gab ich ihr die Hand und ging fort; und es sind nun zwei Monate, daß ich herumziche und Musik mache, und noch ist mir nichts Übles begegnet. Ich habe mir schon einiges erspart, und wenn es noch mehr ist, kehre ich wieder nach Hause zurück und erfreue meine arme Mutter, die wohl manche Sorge um mich haben mag. 60. Der Hirtenknabe. Abbas der Große, König von Persien, war einst auf der Jagd verirrt. Er kam
auf einen Berg, wo ein Hirtenknabe eine Herde Schafe weidete. Der Knabe saß unter einem Baum und blies die Flöte. Die süße Melodie des Liedes und Neugierde lockten den König näher hinzu; das offene Gesicht des Knaben gefiel ihm, er fragte ihn über allerlei Dinge, und die schnellen, treffenden Antworten dieses Kindes der Natur, das ohne Unterricht bei seiner Herde ausgewachsen war, setzten den König in Verwunderung. Er hatte noch seine Ge danken darüber, als sein Vezier dazukam. „Komm, Vezier", rief
er ihm entgegen, „und sage mir, wie dir dieser Knabe gefällt!" Der Vezier kam herbei; der König setzte seine Fragen fort, und der Knabe blieb ihm keine Antwort schuldig. Seine Unerschrockenheit, sein gesundes Urteil und feine offene Freimütigkeit nahmen den König und den Vezier so sehr ein, daß jener beschloß, ihn mit sich zu nehmen und erziehen zu lassen, damit man sähe,/was aus'dieser schönen Anlage der Natur unter der Hand der Kunst werde. Wie eine Feldblume, die der Gärtner aus ihrem dürren Boden hebt
und in ein besseres Erdreich pflanzt, in kurzem ihren Kelch erweitert und glänzendere Farben annimmt, so bildete sich auch der Knabe unvermerkt zu einem Manne von großen Tugenden aus. Der König gewann ihn täglich lieber, er gab ihm den Namen Ali Beg und machte ihn zu seinem Großschatzmeister. Ali Beg besaß alle Tugenden, die sich nur vereinigen lassen: Tadellosigkeit in seinen Sitten, Treue und Klugheit in seinem Amt, Freigebigkeit und Großmut gegen die Fremden, Gefälligkeit gegen alle, die ihn um etwas baten