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Schlern
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Page 12 of 74
Date: 01.07.1994
Physical description: 74
den im Dezember 1897 aus Prag nach Berlin abgereisten Jung mit den Worten: „Kommen Sie als Flüchtling aus Prag?“ emp fangen ließ.- 8 ) Natürlich spielt auch der um 1886 innerhalb des tschechischen La gers neuerlich ausgebrochene Kampf um die Fälschung der Königinhofer Hand schrift, einer Ikone der tschechischen Nation, in die Huber-Jung-Korrespondenz hinein (vgl. Brief 17). Oswald Redlich zufolge war Jung ein „politischer Kopf, im überzeugten Libe ralismus der sechziger und siebziger Jahre aufgewachsen

“ 29 ), und Alois Brandl meint, daß „die strengste Wissenschaft (Jung) jedoch nicht abgehalten (habe), in nationalen Dingen seine Pflicht zu tun“, er habe aber das Gerede von der „Ueberlegenheit deutscher Kultur“ verachtet. Wie viele Professoren enthielt sich Jung des direkten parteipolitischen Engagements und zog sich in die Nischen des national-organisierten, kulturpolitischen Vereinswesens zurück, so beteiligte er sich an den Veranstaltungen des 1862 gegründeten „Vereins für Geschichte der Deutschen

in Böhmen“, der über zahlreiche personelle Kontakte mit dem deut schen Casino in Prag verbunden war (vgl. Brief 20: Kontakt zu Julius Lippert und Ludwig Schlesinger, und Brief 36: Kontakt zum Prager Kunsthistoriker Josef Neuwirt). 2 “) Die Korrespondenz von Jung und Huber tangiert immer wieder allgemeine Personalia, die im Rahmen einer Geschichte der österreichischen Geschichtswis senschaft von Interesse sind: Engelbert Mühlbachers, Emil Ottenthals und Os wald Redlichs Schicksal, allesamt

Schlüsselfiguren der österreichischen Ge schichtswissenschaft in der Generation nach den beiden Briefpartnern, wird be sprochen. Disziplingeschichtlich interessant ist Jungs Brief vom 28. Februar 1875, in welchem er sich im Zusammenhang mit seiner Habilitation zur Stellung des Fa ches „Alte Geschichte“ äußert. Unter Berufung auf den ranghohen Ministerialbe- amten Armand Freiherr von Dumreicher forderte Jung eine stärkere Stellung des Faches „Alte Geschichte“ in Innsbruck. Dumreicher hatte 1873 den Umstand kri

Universitätshälften von Prag. Er beschränkte sich darauf, daß der neuge wählte Rektor der Tschechen dem der Deutschen einen Antrittsbesuch machte, der am nächsten Tage erwidert wurde; nicht mehr. Ich habe während meines vierjährigen Aufenthaltes in der Mol daustadt (1884-1888 - Anm.) niemals ei nen nichtdeutschen Kollegen gespro chen (...).“ - 9 ) Vgl. Oswald Redlich: Julius Jung, in: Biographisches Jahrbuch und Deutscher Nekrolog 15 (1910), 208-210. 30 ) Vgl. dazu Robert Luft: „Politische Pro fessoren“ in Böhmen

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Date: 01.07.1994
Physical description: 74
Traditionen A. Jägers (8 Historiker bzw. 4%), L. von Pastors (desgleichen), M. Büdingers (3%) und O. Lorenz’ (2,5%).“ 2 ) Die beiden Korrespondenzpartner Alfons Huber und Julius Jung') waren in den meisten Punkten ihrer allgemein-geschichtswissenschaftlichen Auffassung der Konzeption Julius Fickers zeitlebens verpflichtet, auch wenn dessen nach 1866 historisch überholte, an der universalistischen Reichsidee orientierte politi sche Konstruktion 4 ) von Hubers Bemühen um eine österreichische

Gesamtstaats idee abgelöst wurde und Jungs (geschichts-)politisches Denken in Prag der „all deutschen“ Radikalisierung des böhmischen Nationalitätenkonfliktes ausgesetzt war, Jungs letzte Lebensjahre standen - obwohl Althistoriker - völlig im Banne seiner 1907 abgeschlossenen Ficker-Biographie. In methodologischer Hinsicht hielten Huber und Jung die von Ficker vertrete ne Position eines „gemilderten Historismus“ ein, d. h. einerseits Abgrenzung von der rein hilfswissenschaftlich, an paläographisch

sein erster Habilitand und designierter Nachfolger, der nach Fickers Übertritt in die Juristenfakultät dessen Lehrstuhl für allgemeine Geschichte, 1870 jenen für österreichische Ge schichte übernahm, ehe er 1887 als Nachfolger Ottokar Lorenz’ auf die Lehrkan zel für österreichische Geschichte an der Wiener Universität überwechselte. Eine Studentengeneration nach Huber erhielt der 17 Jahre jüngere, aus dem Oberinntaler Imst gebürtige Landesgerichtsratssohn Julius Jung (1851-1910) in den Jahren 1869

bis 1873, in der „Glanzzeit“ des Innsbrucker Historischen Semi nars, eine universalhistorische Ausbildung.") Neben Huber als Hauptlehrer hörte Jung bei Ficker, Karl Stumpf-Brentano, Arnold Busson und Heinrich Zeissberg. Entsprach Jungs postgraduiertes Studium bei Georg Waitz und Curt Wachs- muth in Göttingen der Fickerschen Schultradition - Ficker und Wachsmuth „teil— -) Vgl. Wolfgang Weber: Priester der Klio. Historisch-sozialwissenschaftliche Stu dien zur Herkunft und Karriere deut scher Historiker

: Biographisches Lexikon zur Geschichtswissenschaft in Deutsch land, Österreich und der Schweiz, Frankfurt 1984. ') Alle folgenden biographischen und bi bliographischen Angaben zu Huber und Jung finden sich in Heinrich Swoboda: Julius Jung, in: Deutsche Arbeit 10 (1910/11), 134-162 und in Gerhard Mang: Alfons Huber, phil. Diss., Wien 1953. Ein Kommentar zum Brief wechsel kann deshalb entfallen. Die zi tierten Personen werden über ein Perso nenregister entschlüsselt! 4 ) Ficker sprach 1873 im Zusammenhang

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Date: 01.07.1994
Physical description: 74
den Nationalitätenaufgebot ungleich schwerer als im mächtig aufstrebenden Preußen-Deutschland oder im konzentrisch ausgerichteten Frankreich.“ Nach Gindelys Tod bemühten sich Huber und Jung um die Drucklegung seiner nicht vollendeten Schriften. 26 ) Jung war als teilweise in Siebenbürgen Aufgewachsener und im äußeren Zu sammenhang mit seinen Forschungen zur spätantiken Geschichte des unteren Donauraums mit den transleithanischen Nationalitätenkonflikten und damit wie Huber in größerem Rahmen mit deren

wissenschaftsimmanenter Wertung befaßt. Seine geschichtswissenschaftliche Auseinandersetzung über die „Anfänge der Romaenen“ gegen Thesen zur rumänischen Ethnogenese, die von seiten des Gra zer Geographieprofessors Robert Roesler und des magyarischen „Renegaten“ Paul Hunfalvy entwickelt worden waren, brachten Jung die Sympathie anti magyarischer rumänischer Nationalistenkreise, die unter Berufung auf Edward Gibbons klassisches Werk „History of the Decline and Fall of the Roman Empire“ (1776-1788) rumänische Autochtonität

behaupteten, ein. In seinem Aufsatz „Die Anfänge der Romaenen. Kritisch-ethnographische Studie“ (1876 erschienen in der „Zeitschrift für österr. Gymnasien“, Band 25, hier 14) diskutierte Jung das Problem im Lichte der ethnologischen Ansätze von Jakob Philipp Fallmerayer und Ludwig Steub, welcher „das Problem der tirolischen Ethnologie gelöst“ habe und verdeutlichte die politische Aktualität der Abstammungsfrage: „Es mischen sich nun freilich in diese Studien die politischen Leidenschaften. Den Romaenen

Eindringlinge“, die Ungarn, Szekler und Sachsen.“ Paul Hunfalvy verdächtigte die rumänische Nationalgeschichtsschreibung 1886 einleitend zu seiner Schrift „Neuere Erscheinungen der rumänischen Geschichts schreibung“ der „politischen Agitation“: „Die Klio der rumänischen Geschichts schreibung, die seit 1780 an ihrem Webestuhle sitzt, um den Text der alten rumä nischen Geschichte fertig zu weben, verlangt nun als Lohn für ihr Gewebe - Sie benbürgen“ (vgl. Brief IS). 2 ’) Obwohl Jung dem Prager Deutsch

, 35-44, hier 39 f. - Zu den Prager geschichtswissen schaftlichen Personalpolitica - der Prä ferenz der Jung-Gruppierung für Emil Werunsky gegen Jaroslav Goll vgl. Die deutsche Karl-Ferdinands-Universität in Prag unter der Regierung Seiner Ma jestät des Kaisers Franz Josef I., Prag 1899, 437-445. 27 ) Vgl. zur Thematik Paul Hunfalvy: Die Rumänen und ihre Ansprüche, Wien-Te- schen 1883. Hunfalvy warf Gibbon vor, eine romanische Bevölkerung in Dakien „von seiner capitolinischen Höhe“ aus erdichtet zu haben: „Von dieser Bevöl

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Date: 01.07.1994
Physical description: 74
Angedeutet wird der Konflikt des Jahres 1879 um die Nachfolge des eben ver storbenen Hilfswissenschaftlers Mathias Pangerl, der mit Höfler wegen einer von ihm zu verantwortenden negativen Kritik einer Arbeit Bachmanns zerstritten war („Pangerlaffaire“, vgl. Brief 3). In dieser Nachfolgeangelegenheit trat Jung mit Unterstützung Fickers vergeblich für Mühlbacher und Werunsky gegen den Nicht-Hilfswissenschaftler Bachmann und sein tschechisches Pendant Goll ein (vgl. Brief 4). Ausführlich (vgl

. Brief 7-11) schildert Jung das Intrigenspiel um die Höfler- Nachfolge 1882, den vergeblichen Versuch, Fickers Innsbrucker Schüler, den Münchner Privatdozenten und Altkatholiken August Druffel (1841-1891) nach Prag zu holen, die Strategie des Scheinvorschlages. 35 ) Gegen die Nennung in ei nem Scheinvorschlag wußte sich ein Ottokar Lorenz zu wehren, ein Alfons Huber verwahrte sich strikt dagegen, die Historiker Arnold Busson, Adolf Beer (TH Wien), Adam Wolf (Universität Graz), der Wiener Dozent

für mittelalterliche Ge schichte Adalbert Horawitz, ein Lehrer Ludo Moritz Hartmann, der von Huber sehr ab wertend berurteilt wurde, und der Grazer Ordinarius Johann Loserth sahen sich einer demütigenden Scheinbesetzungspolitik ausgesetzt, an der Jung maßgeblich beteiligt war. Schlußendlich trat der nicht genannte August Fournier die Höfler-Nachfolge an: „Ich (Fournier - Anm.) wehrte mich, so gut ich konnte. Zunächst wies ich darauf hin, daß die Fakultät der deutschen Universität

nicht aus wel chen Gründen.“ Erst der Hinweis, er, Fournier, dürfe bei Nicht-Annahme des Prager Rufs künftig auf keine Berücksichtigung mehr rechnen, habe ihn gefügig gemacht: „Ich war wenig glücklich über den Wechsel.“ 36 ) Auch Ludwig Pastors von der missionarischen Aggressivität eines Konvertiten getragenes Bemühen um eine österreichische Lehrkanzel kommt wiederholt zur Sprache, zeigt sich Jung unverbindlich-distanziert (vgl. Brief 7), äußert sich Hu ber aus einer in spätjosephinischem Geist geprägten

katholisch-liberalen Haltung (eines „gemäßigten Liberalismus“ - so Srbik) heraus offen ablehnend. In der Pra ger Fakultät kursieren Gerüchte über Pastors militanten „Ultramontanismus“. Huber warnt Jung, eine Scheinnennung durch die Fakultät könnte Pastors wirk liche Ernennung durch das ihm zugeneigte Ministerium zur Folge haben: „Wenn ich ihn auch nicht mit O(nno) Klopp auf eine Linie stellen will, so hat doch dieser neuerdings gezeigt, wessen die von dieser Partei vertretene Richtung fähig ist“ (vgl

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Date: 01.07.1994
Physical description: 74
ten“ mehrere Schüler, unter ihnen den prominenten Berliner Ordinarius Paul Scheffer-Boichorst * 7 ), so lag der folgende einjährige Studienaufenthalt (1874) bei Mommsen in Berlin gewissermaßen bereits außerhalb der engeren Schulnorm, so daß der zum „ersten Anglisten des Reichs“ an der Berliner Universität auf gestie gene Innsbrucker Postamtsdienersohn Alois Brandl (1855-1940), der in Innsbruck die Kollegien seines eben habilitierten Studienfreundes Julius Jung besucht hat te, in seinem Nekrolog

für diesen 1910 sich zu einer Erklärung veranlaßt sah: „Daß Jung trotzdem in die Schule Mommsens nach Berlin reiste, der, obgleich Präger des Wortes von der .voraussetzungslosen Forschung“ doch ein kühn und unter Umständen sogar leidenschaftlich urteilender Forscher war, ist sehr merk würdig. Es geschah, wie ich mich deutlich erinnere, auf den direkten Rat Fickers, der vor dem großen Menschenschilderer Altroms immerhin mehr Respekt hatte als vor den bloßen Kennern diplomatischer Technik.“ 8 ) Brandls Nachruf

auf Jung ist im Hinblick auf rein biographische Fakten we nig ergiebig, umso interessanter ist die von ihm gebotene, retrospektive Deutung jener wissenschaftlichen Probleme, von denen die Historiker- und Studentenge neration der siebziger Jahre bewegt wurde und die darüber hinaus den ge schichtswissenschaftlichen Diskurs Hubers und Jungs begleiteten: Staatenge schichte versus Kulturgeschichte, Form und Darstellung („Poetik der Geschich te“ - Hayden White) versus „trockene“ Forschung. Die von Nietzsche

geschichtsphilosophische Schwärmereien - wären enttäuscht gewesen von Jungs Habilitationsvortrag über Tiberius, nichts von der heroisch-düsteren Zeichnung eines Tacitus, nichts von der verklärenden und gläubig aufgenommenen theatralischen Antike-Interpretation eines Robert Ha- merling (1830-1889) und nichts von der großen Perspektive und Botschaft des „Berliner Propheten“ habe Jung geboten: „Selbst auf eine Erörterung der sozia- der Familie Jung wurde an der Univer sität Innsbruck zu Beginn der siebziger Jahre vermerkt: „Laut

und Wolfgang Ribbe, Berlin 1992, 211-259, hier 216 f. ") Alois Brandl: Julius Jung (1851-1910), in: Der Föhn 2 (1910/11), 51-54. *) Günter Fellner: Ludo Moritz Hartmann und die österreichische Geschichtswis senschaft. Grundzüge eines paradigma tischen Konfliktes, Wien-Salzburg 1985, 30-35. - Vgl. dazu auch Jörn Rüsen: Historische Vernunft. Grundzüge einer Historik I: Die Grundlagen der Ge schichtswissenschaft, Göttingen 1989, 25-30 („Rüsen-Matrix“). Vgl. dazu auch die Nietzsche-Analyse bei Hayden White

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Date: 01.07.1994
Physical description: 74
Brief 40). Gelegentlich kommt er auf das jährliche Ritual der Wiener Akademie wahlen zu sprechen. 1890 trat Huber in der Nachfolge des Rechtshistorikers Heinrich Siegel als Sekretär der philologisch-historischen Klasse der Wiener Akademie und dann auch als Akademiegeneralsekretär Schlüsselpositionen der österreichischen Wissenschaftsverwaltung an (vgl. Brief 23). Die Briefe von Jung und Huber dokumentieren aber auch ein allgemeines Stück Geschichte der Prager Deutschen Philosophischen Fakultät

. Am Rande wird das Schicksal der Prager Kunsthistorischen Lehrkanzel mit der etwas über raschenden Jungschen Bemerkung, der von der Fakultät genannte Georg Dehio sei kein Kunsthistoriker, besprochen (vgl. Brief 6). 1882/83 war Jung im Zusam menhang mit der vakanten graecistischen Lehrkanzel an der Erstellung eines Unico-loco-Vorschlages für den in Tübingen lehrenden Nietzsche-Freund und -Verteidiger Erwin Rohde beteiligt (vgl. Brief 12). Rohde, der dann ein ihn tief enttäuschendes Leipziger Angebot

annehmen sollte, überlegte tatsächlich, nach Prag zu gehen, wie er seinem Leipziger Freund Otto Ribbeck mitteilte: „Ich habe wirklich eine Zeitlang ernstlich an Prag gedacht, aber schließlich mich doch ger ne (in Tübingen - Anm.) halten lassen, eben darum auch, weil mir das Bleiben so leicht wurde, den angebotenen Fackelzug und Commers der Studenten abge lehnt. “ 3 ") Jung, der kurze Zeit an der Seite dreier anderer befreundeter Tiroler, nämlich des Anatomen Carl Toldt, des Nationalökonomen

und Wirtschaftshistorikers Karl von Inama-Stemegg, des nachmaligen Direktors des Österreichischen Sta tistischen Zentralamts 40 ), über vier Jahre von 1884 bis 1888 an der seines Studi enfreundes Alois Brandl in Prag lehren konnte, war in viele wichtige Entschei dungsprozesse eingebunden, über die er Huber berichtete oder sich mit ihm be riet. Ironisch berichtet Brandl an seinen Innsbrucker Lehrer Adolf Pichler am 5. Mai 1887: „Jung muß jetzt als Dekan fleißig zu Hochämtern und Commersen gehen.“* 1 ) Aus der Vielfalt

von Jungs wissenschaftlichen Kontakten, die im Briefwechsel mit Huber angedeutet sind, ist gesondert auf seinen Kontakt zu den sich feindlich gegenüberstehenden Philosophen Anton Marty, aus dem Lager der Franz-Bren- tano-Schule, und dem liberal-freisinnigen Friedrich Jodl mit (alt-)katholischen Münchner Wurzeln hinzuweisen. Als 1885 der zweite Prager Philosophieordinari us und gleichfalls getreue Brentano-Schüler Carl Stumpf (1848-1936) Prag Rich tung München verließ, unterstützte Jung in der Fakultät

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Date: 01.07.1994
Physical description: 74
len Probleme hatten wir vergebens gehofft. Nichts lag Jung ferner als Sensation. Er war ein ernster Forscher.“ 10 ) Hat ein Heinrich Srbik, Ideologe „Großdeutschlands“ und einflußreicher Wis senschaftspolitiker der Jahre 1938 bis 1945, zum Unterschied von Alphons Lhotsky das Fehlen größerer staats- und ideengeschichtlicher Komposition an Hubers österreichischer Geschichte bemängelt, auch wenn er dessen angesichts der historischen Realitäten illusorische Synthese von „österreichischem Gesamt

staatsbewußtsein und deutschem Kulturbewußtsein“ bewunderte, wurde Jung wegen seiner „mosaikartigen“ Forschungsweise von seinen Fachkollegen kriti siert, weshalb Jung sich nach Brandl endgültig der Spezialforschung zugewandt habe, „um den leichtfertigen Überhistorikern zu zeigen, wie viele Lücken ihr vielgerühmtes Wissen habe“. Jung scheiterte, wie sein Prager Nachfolger Hein rich Swoboda zurückhaltend andeutet, an einer Gesamtdarstellung seiner For schungen zum Übergang „vom Altertum zum Mittelalter

hinstellte. Aber die Scheu vor dem Subjektivismus war doch auch der Fickerschule eigen (,..).“ 12 ) Nach Brandl hat Jung sein Vorhaben, sich aus mittelalterlicher Geschichte zu habilitieren, deshalb aufgegeben, um der streng quellenkritischen Schule Fickers ein wenig zu entgehen, „er schätzte sie (aber - Anm.) zugleich so hoch, daß er nach der Seite der alten Geschichte hin auswich, um bei den Griechen und Rö mern freieres Feld zu gewinnen“. Das Methodenproblem ging nach Brandl durch Jungs eigene

. zu Mommsens Enkelschülern Her mann Dessau, Alfred von Domaszewski, Otto Seeck und Ludo Moritz Hartmann Karl Christ: Theodor Mommsen und die ,Römische Geschichte“, in: Römische Geschichte und Wissenschaftsgeschich te, 3 Bände, Darmstadt 1983, Band 3, 26-73, hier 68 und Jürgen Kuczynski: Theodor Mommsen. Porträt eines Ge sellschaftswissenschaftlers. Mit einem Beitrag von Hermann Klenner, Berlin 1978. Jung rezensierte Hartmanns „Ge schichte Italiens“ in den „Mitteilungen des Instituts für österreichische

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Page 13 of 74
Date: 01.07.1994
Physical description: 74
mäßig arbeitend thätig zu sein. Namentlich sind die Methoden und die Hilfsmittel für die Forschungen auf dem erstgenannten Felde so alleinstehende und eigenart- hige, daß selten ein Gelehrter, welcher sich vorwiegend der mittleren und neueren Geschichte gewidmet hat, die alte in gleichem Maße beherrscht.“ 31 ) Nur die Rück sichtnahme auf Arnold Bussons universalhistorisches Vorleseprogramm läßt Jung von der Forderung abrücken, „daß alte Geschichte dort (in Innsbruck - Anm.) ei nen eigenen

Vertreter habe(n)“ müsse. 32 ) Die Briefe Jungs an Huber verdeutlichen vor allem beider Distanz zu dem bis in die frühen achtziger Jahre mächtigen Herrenhausmitglied und Historiker Kon stantin von Höfler (1811-1897), der als großdeutsch-katholischer „Schwärmer“ im deutschliberalen Vereinsleben trotz großen Einflusses einen schwierigen Stand hatte und von Jung als opportunistisches „altes Weib“ (vgl. Brief 6) sowie von Huber als „der alte Intrigant“ (vgl. Brief 41) charakterisiert wurde. Außer

dem verweisen die Briefe auf das ambivalente Verhältnis zum Höfler-Protege Adolf Bachmann, dessen gegen die Palacky-Interpretation gerichtete deutsch liberale staatsrechtliche Deutung der böhmischen Geschichte sowohl bei Jung als auch bei Huber auf vorsichtige Akzeptanz stieß. Huber, Verfasser eines Lehr buchs aus „Österreichischer Reichsgeschichte“ für Juristen, empfand Bachmann, der 1896 ein analoges Lehrbuch vorlegte, möglicherweise auch als Konkurrenten im Kampf um den Status eines „ersten

Reichshistoriographen“ (vgl. Briefe 19 und 45). 33 * ) Den beiden durch die methodenkritische Schule Julius von Fickers gegange nen Tirolern galt das romantisch-universalistische und spekulative, dem Münch ner Görres-Kreis und der Schelling-Schule entsprungene Geschichtsdenken Höflers als „vorkritisch“. Ein Heinrich von Srbik charakterisiert ihn als „keinen kritischen Forscher von Akribie, kein(en) eben exakte(n) Arbeiter“. 31 ) Hat Höfler seinen jungen Kollegen Jung für „vorlaut“ gehalten, spricht Jung von Höflers

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Date: 01.07.1994
Physical description: 74
wieder!“) aufs neue aktuell scheint. 13 ) Selbst einen Theodor Mommsen quälte das Problem, die historische Detailarbeit mit ei ner geschichtlichen Gesamtperspektive zu verbinden. Mit seinem Schwiegersohn Ulrich von Wilamowitz-Möllendorf diskutierte er die Vereinbarkeit von „echter Wissenschaftlichkeit des Gelehrten“ und „äußerlichem schriftstellerischen Er folg“. Und Mommsen, der im Zusammenhang mit einer vakanten Greifswalder Professur 1881 eine eher marginale akademische Randfigur wie Jung bezichtigte

, Stuttgart 1990, 91 f.: „Die Verwissenschaftlichung der Ge schichte erscheint damit geradezu als Bedingung ihrer Entliterarisierung; der Rationalitätsgewinn der sich verwissen schaftlichenden Historie ging auf Ko sten ihrer Ästhetik.“ u ) Vgl. Mommsen und Wilamowitz. Brief wechsel 1872-1903, Berlin 1953, Brief aus 1881: „Jung ist oberflächlich gebil det und oberflächlich angelegt; er popu larisiert das Corpus inscr. und weiß nicht ungeschickt daraus und aus etwas Statistik und Geographie seine Schilde

rungen zusammenzustellen; daß man bei ihm, einem Österreicher, etwas lernen kann oder gar eine tiefere Anregung er halten, ist mir nicht wahrscheinlich. Aber ein präsentables Kolleg würde er wohl zustande bringen.“ - Mommsen spielt offensichtlich auf Jungs 1879/80 in den „Wiener Studien“ veröffentlichte Arbeit „Ueber die Bevölkerungsverhält nisse des Römischen Reiches. Eine stati stisch-antiquarische Studie“ an. Dem Innsbrucker Historikerklub hat Jung am 29. 2. 1880 ein Separatum dieser Arbeit

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