Seite 8 Samstag. 24. Dezember Florie konnte schon, an die Kissen gelehnt, auf recht sitzen. Sie ließ sich von dem Fräulein von Weihnachten erzählen. Da trat der Vater herein. Seine Miene war bekümmert, ein Herz voll Gram; aber niemand ahnte, warum. „Morgen will die fremde Mama mich ankleiden und auf ihren Schoß nehmen, sagte Florie zufrieden, obgleich sie noch sehr matt war. „Und wenn ich erst 'raus in den Saal kann, dann wird es Weihnachten, nicht wahr, Papa? „Gewiß, mein Herzensliebling
? Ihr Herz krampfte sich zusammen. Törin! Mit der Weld abgeschlossen zu haben glaubte sie, statt dessen stand sie plötzlich mitten in ihrem Wirbelwind von Liebe und Haß, und beides machte sie gleich elend, trotzig. „Was hätten wir einander zu sagen, Baron, das nicht zu jeder Zeit unterbrochen und von jedermann geHort werden könnte?' sagte sie mit feindlicher Kühle. „Nein, Gräfin! Ich lasse mich nicht zurück« weifen. Wird doch dem Verbrecher vor Gericht ge stattet, daß er sich rechtfertige.' „Hätten
Sie etwas verbrochen, Baron?' „Hella!- rief er, außer sich über ihre Kälte. »Glauben Sie, daß ich nicht vergessen und vergeben hatte — längst ehe ich Ihre Schwelle überschritt.' „Dann sind Sie mir überlegen, Gräfin!. Ich habe nie vergessen, nie mir selbst vergeben können.' Das waren seine alten, stürmischen Augen wieder — die gewaltige Sprache, der einstmals ihr Herz unterlegen war. ^ „Nein. Ich habe mich nicht in zweckloser Reue verzehrt,' fuhr er fort. „Ihre Verzeihung ent> schuldigt
Stammsitz wurde mit einem Schlage gerettet, wenn ich ja sagte zu dem armen Geschöpf, das sein Herz und seine Millionen mir vor die Füße warf. Sie waren zur Zeit fort, Gräfin, in Italien. — So kam es, daß ich nachgab, duß ich heut' schuldig vor Ihnen stehe.' Im Nebenzimmer ertönte ein. leises Geräusch. Die Pflegerin wollte hineilen; aber der Freiherr hielt sie zurück. „Sie schläft noch. Sie muß schlafen, bis ich zu Ende bin. Dieser Augenblick kehrt nie wieder. Wenn ich auch diesmal einen feigem Rückzug
nach ihr. „Wo ist die fremde Mama?' Dann ew krampfhaftes Schluchzen. „Ich will die fremde Mama haben!' „Hören Sie, wer nach Ihnen schreit?' sagte der Freiherr, ehe er zu- seinem Kinde eilte. „Kann das Hie nicht überzeugen, so sind meine Worte umsonst.' ! Die Pflegerin schüttelte den Kopf. Sie wollte nicht auf ihr Herz hören. Rasch trat sie an das Bett des fieberhaft erregten Kindes. ' „Ist das meine artige Florie?' sagte sie vor wurfsvoll. „Ich habe doch versprochen, bei dir zu bleiben, bis du gesund bist. Warum weinst