interessieren, einmal einen kleinen Einblick in sein Leben trm zu können. Wir veröffentlichen daher fol gende Schilderung aus dem „Kleinen Volks- blatt", Wien: Kanzler Figl - der Mann ohne eigenen Tag Als am 21. Dezember 1945 die erste freige- wählte Regierung des neuen Österreich dem Par lament sich vorstellte, saß in der Präsidentenloge des Hauses eine Bäuerin mit schwarzseidenem Kopftuch. Nichts in ihrem Gesicht, dessen Furchen die Pflugschar des Lebens gezogen, verriet, was in der Greisin vorging
, warten noch Freunde, Mitarbeiter, und manches wird daheim erledigt, für das der Tag keine Zeit ließ. „Mein Erster“ Spät ist es, bis Ing. Figl zur Ruhe kommt. Und die Familie hat nicht viel von ihm. Die Kinder, der 13jährige Johannes, der das Gym nasium besucht, und die 10jährige Annettes schla fen meist schon, wenn der Vater heimkommt, und die Gattin muß auch von Glück sagen, wenn sie einmal eine Viertelstunde ungestört mit dem Mann reden kann. Dennoch ist es keine billige Phrase, wenn man sagt
von aller Herrlichkeit des Weidwerks, dem Ing. Figl als einziger Lieb haberei verfallen ist. Pirsch und Hahnbalz, Revier und Jagerhütl — sie gehören zu dem Mann, des sen einzige Erholung ein Besuch des väterlichen Anwesens ist. Dann sitzt er in der Stube und läßt sich erzählen vom Bruder, der den Hof geerbt. Von Wirtschaft und Acker, von Vieh und Bäu men, von Wiesen und Stadel, und geht er dann hinaus, dann ist der Augenblick gekommen, nach dem er sich gesehnt, der ihm nicht feil wäre um alle Schätze der Welt
. Sehnsucht und Liebe ge hören der Natur, der Weite, dem Wald ... Schule des Lehens Einmal nur, seit er Kanzler ist, war Ing. Figl im Revier da drunt im Gutensteiner Wald. Und nicht oft kommt er zu Mutter und Geschwistern. Aber wenn er in der Bauernstube seiner Wiener Wohnung sitzt, wenn er das uralte Spinnrad an der Wand anschaut, wenn sein Blick über die vielen Trophäen wandert, von denen er mit Jägerstolz gar langmächtige Geschichten zu er zählen weiß, dann fühlt er sich verbunden mit dem Daheim
im Tullnerfeld, mit Väterhof und mit dem Boden, dem schon viele Figl das Brot abgerungen. Mag sein, daß seine Gedanken dann zurücksuchen in die schwere Zeit, da er im KZ. gesessen, in die Tage, da er mit neun Geschwi stern ausgewachsen, in die Stunden, da der Vater starb und die Mutter brav rackern mußte, um Haus und Kinder zu halten und zu ziehen. Nein, leicht hat Ing. Figl es nicht gehabt, und viel hat das Leben ihm nicht geschenkt. Wenn ec wurde, was er ist, und blieb