. Daß speziell die Ladinier wenig Lust verspürten, neuen Straßenprojekten nachzugehen, war leicht be greiflich. Jochstraßen waren damals für viele überhaupt noch etwas Neues und wurden als Luxus betrachtet, der keinen wirtschaftlichen Be dürfnissen diene. Die Angelegenheit wurde jedoch nicht weiter verfolgt; darum hatte das Zeitungs geplänkel nur kurze Lebensdauer und man ge wann dadurch Zeit, das Projekt genauer zu studieren und ausreifen zu lassen. Inzwischen wiesen die großen Dolomiten straßen
eine neue, in Europa einzig dastehende Gebirgswelt für den Verkehr erschlossen, Die Dolomiten waren zwar schon lange nicht mehr unbekannt. Die Sommerstationen in der Nähe der Dolomiten waren von Fremden überfüllt; in Toblach, dem Eingange ins Ampezzanertal, war ein ganzes Dorf moderner Hotels, Neutob lach, entstanden, die Reichsstraße Toblach—Cortina war an schönen Sommertagen sozusagen be völkert. Cortina selbst wies im Sommer groß städtisches Leben auf, auch Sexten, Prags und besonders Gröden
hatten von Jahr zu Jahr steigenden Fremdenbesuch ; kurz, überall, wo eine Straße zu den Dolomiten führte, war im Sommer reges Leben und damit neuer Erwerb, wachsender Wohlstand. Das Innere dieses sonder baren Gebirgsstockes, die tief abgelegenen Gründe waren aber bisher nur das Reiseziel von Touristen und Bergsteigern. Der grcßeu Welt waren darum die Dolomiten in ihrer Gänze doch nur vom Lesen und Hörensagen bekannt. Aber auch so drang der Ruf von den Dolomiten bis über das Meer. Auch dort wußte
und vermischte Reste eines alten, untergegangenen Kulturvolkes darstellt. Daß dieses interessante Gebiet zu einer Zeit, wo die Welt im Zeichen des Verkehres steht, für Tausende ein Ziel der Sehnsucht wurde, ist leicht begreiflich. Ein reger Verkehr in die Dolomiten hinein war aber so lange ausgeschlossen, als die unwegsamen Jöcher wie Riegel den Zu- gang wehrten. Der Bau der Dolomitenstraßen war darum ein großartiges, für dieses Gebiet und für ganz Tirol epochemachendes Werk, um das sich der damalige
will; dies hat aber seinen guten Grund. Vor allem sind die Erfahrungen, die man mit der großen Dolomiten straße gemacht hat, überaß wertvoll; man weiß nun, was eine Dolomitenstraße für die Gegend bedeutet, welche sie durchzieht, und für den Punkt, von dem sie ausgeht. Man kann mit voller Sicherheit erschließen, welch großartigen Nutzen die Stadt Brixen und die Umgebung haben würden, wenn von hier eine Dolomitenstraße ausginge. Für Brixen hat die große Dolomitenstraße aber noch eine andere, sehr ernste Bedeutung