Mittwoch, 10. November 1954 Nr. 260 Seite 5 Armando sieht die Welt zum ersten Male Was empfindet ein Mensch, der 35 Jahre seines Lebens in ewiger Nacht zugebracht hat und nun plötzlich eine farbenprächtige, lichterfüllte Welt sieht, die er wie ein Kind bestaunt und neu entdeckt? Hier sind die Eindrücke des 35jährigen Armando Pellegri, der nach einer zweiten, diesmal glücklich verlaufenen Augenoperation zum erstenmal in seinem Leben sehen kann. Zaghaft, mit leicht geneigtem Kopf, geht Armando
Pellegri einen hell erleuchteten Gang entlang. Seine schwarzen, funkelnden Augen sind weit aufgerissen. Sein greiser 70jähriger Vater führt ihn immer noch be hutsam am Arm, obwohl es nun nicht mehr nötig wäre. Professor Adolf Apollon! hat sei nen Patienten als geheilt entlassen. „Vater! du siehst ja viel jünger aus, als ich geglaubt hatte!“ würgt Armando freudig hervor. Dann treten die beiden ins Freie. Es ist Nacht. Un gläubig und gebannt starren die Augen des jungen Mannes zum Himmel, zu den licht
anders vorgestellt. Nicht so schön, so prächtig, so unfaßlich . . Was ihn besonders beeindruckt hat. „Als mir die Schwester einen Spiegel brachte und ich mich das erstemal sehen konnte. Ich wollte zuerst gar nicht glauben, daß ich das bin, dieses fremde, seltsame Gesicht im Spie gel . . .“ Armando Pelegri ist intelligent, zurückhal tend, eine in sich gekehrte, sorgfältig ab schätzende Natur. Wenige Tage nach der Operation kehrte er auf den kleinen Bauern hof seiner Eltern im Städtchen Corlaga di Bagnone zurück
, wie dankbar ich geworden bin, gegenüber meinem Schöpfer, gegenüber al len Wesen, die ich jetzt endlich sehen darf“ sagt Armando Pellegri, „doch so seltsam es klingen mag: ich habe neben den vielen herrlichen Farben, n^ben dem großen Ge schenk, sehen zu können wie die meisten anderen Menschen auch, noch etwas anderes hinzugelernt: Die Angst, die nagende dngst, ich könnte mein Augenlicht ebenso schnell wieder verlieren “ tär der italienischen Handelskammer, Gio vanni Iviglia, rein zufällig in der Schweiz