¬Der¬ Kunstfreund ; N.F., 18 - 21. 1902 - 1905
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Author:
Verein für Kirchenkunst und Kunstgewerbe in Tirol und Vorarlberg
Place:
Innsbruck
Publisher:
Verein für Kirchenkunst und Gewerbe in Tirol und Vorarlberg
Physical description:
Getr. Zählung
Language:
Deutsch
Notations:
Abschlussaufnahme von: 1902,1-12 ; 1903,1-12 ; 1904,1-12 ; 1905,1-12
In Fraktur
Subject heading:
g.Tirol;s.Christliche Kunst;f.Zeitschrift
g.Vorarlberg;s.Christliche Kunst;f.Zeitschrift
Location mark:
III Z 294/N.F.,18-21(1902-05)
Intern ID:
483812
auf eine anwesende Persönlichkeit hinzuweisen, ohne daß diese selbst sich betroffen fühlt. Es war jedoch schwer, dies allen hörbar mitzuteilen, ohne daß Judas selbst es ver nimmt. Die Mitteilung konnte also nur an die unmittelbaren Sitznachbaren erfolgen, wie es Johannes wirklich berichtet. Lukas begnügt sich mit der ganz unbestimmten Andeutung, daß die Hand des Ver räters zugleich auf dem Tische ruhe; man kann allenfalls annehmen und hinzugefügt denken: in nächster Nähe. Der gleichzeitige Griff in die Schüssel
ist offenbar für die anschauliche Darstellung sehr geeignet, aber er-begegnet einer anderen Schwierigkeit, auf welche die Künstler in erster Linie ihr Augenmerk richteten und diese bereitet die Stelle bei Johannes, wo dieser erzählt, daß jener Jünger, den Jesus besonders liebte — und damit verweist Johannes immer ans sich selbst — «in siou sich befand (Job. XIII. 28) und zwei Verse später sagt er von demselben, daß er poetus àu» lag. Diese Stellung wollte man besonders „markieren'. Ferner berichtet
Johannes, Xlll. 23—26, daß nur Petrus den Johannes veranlaßt habe, von Christus ein Erkennungszeichen zu verlangen, und daß dann Christus dem Judas ein in die Schüssel getauchtes Stück Brot gab. Die Zusammenstellung der zwölf Apostel am gemeinsamen Tisch, die Stellung des Johannes in der nächsten Nähe des Herrn, ja sogar eine Art Verknüpfung beider Figuren und dann die Wahl zwischen dem gleichzeitigen Griff in die Schüssel und der Uebergabe eines Brotstückes, das sind die für alle vorliegenden Bilder
des Materials, vielleicht auch nur infolge zerstörender Ein flüsse, nicht deutlich individualisiert. Aber Johannes und Judas treten schon in diesem Relief im Sinne der obigen Ausführungen deutlich erkennbar in den Vordergrund — denn Johannes erscheint fast nur wie ein quer über die Christusfigur gelegter Sack — und Christus schiebt, mit dem Arm über ihn hinweggreifend, dem Judas eiuen wohl faustgroßen Bissen unmittel bar in den Mund hinein. Drastischer läßt sich das Problem kaum lösen, aber es war gewiß
auch sehr verständlich und an der derben Darstellung dürfte sich damals niemand gestoßen haben. Wer also den Wortlaut des Johannes-Evangeliums kannte — cum (Jo hannes) rkouduis8st pootns — und, — vai in tincwm Mnsiv, xorrexsrv — der mußte auch sofort verstehen, was diese Komposition bedeutet. Begeben wir uns mm aus dem teilweise der romanischen und teilweise der gotischen Aera augehörigen Dom Zu Modena in das künstlerisch aufstrebende Florenz der Renaisfance- zeit, so finden wir eine noch auffallend verwandte