Excellenzen mit großer Zuvorkommenheit behandelt wurde, und deßen fade Com- plimente, die er mit unerhörter Arrogance jedem über den Tisch zuwarf, diese hohen Herren jedesmal veranlaßten sich tief vor ihm zu verbeugen. Sobald die Tafel aufgehoben war, stürzte der österreichische Botschafter auf diesen Mann zu, faßte ihn vertraulich unterm Arm und fragte ihn mit großer Ängstlichkeit: „Wie stehen die Eisenbahnaktien, lieber Rothschild?' Das war der König von Paris, vor dem sich Alles inDemuth beugt

, der200französischen Depu taten durch reiche Sendungen von Aktien den Mund gestopft hat, so daß kein Mensch wagt ihn anzugreifen. Doch nun genug mein guter Schwager. Personalien haben uns Beide so oft interessiert und ergötzt, daß ich es heute gewagt habe, Dich mit einer Menge von Leuten be kannt zu machen; hoffentlich werden Dich diese kleinen Skizzen nicht langweilen. Nun lebe wohl ! Wenn ein saftiges Hamburger Rauchfleisch Euch Alle am 1. Januar wieder bei Besser's 2 ) vereinigt, so erinnert Euch, daß in Paris

Jemand ist, der wüthend gerne mit auf's neue Jahr anstieße — Allen herzliche Grüße! Dein K. Paris, 1. März 1846. Mein guter Schwager! Eine recht schwägerliche Freude hat mich soeben in eine große Aufregung gebracht Da sitze ich im Lesekabinett und blättere im Moniteur von 1813, als plötzlich Dr. Herz die Vossi sche Zeitung in der Hand, auf mich zustürzt: wieder etwas von Curtius! Da schob ich die Siegesberichte des großen Kaisers beiseite, meine Gedanken flogen nach Berlin in die Sing akademie

von Arnim (1798—1861), der spätere Minister des Äußeren in dem Ministerium des Grafen Arnim-Boytzenburg vom 21. März 1848. Er war vorher preußischer Gesandter in Paris. Er hatte im Jahre 1844 eine Flugschrift zugunsten des Freihandels herausgegeben und auch sonst einen gemäßigten Liberalismus bekundet. *) Buchhändler in Berlin. ®) Bezieht sich auf Curtius' Vortrag über Naxos in der Singakademie am 21. Februar 1846.

von Preußen auch brillanter aufgenommen ist als ein Doktor Schlözer, so hoffe ich doch mit der Zeit, auch einige Röschen zu brechen. Paris ist nun einmal eine Welt für sich und gibt dem, der in ihr lebt, täglich Gelegenheit zu hören und zu sehen; doch so, daß einem gewöhnlich dabei Hören und Sehen vergeht! (Entschuldige, wenn dieser Witz nicht nach Deinem Geschmack ist, er ist der neuste aus meiner Fabrik.) Die Franzosen gefallen mir — trotz aller ihrer großen Gebrechen — sehr gut. Es Hegt in dem Volke

eine Kraft, Strebsamkeit und Energie, die auf mich einen gewaltigen Eindruck macht. Und zu welchen Betrachtungen kommt man hier! Des Morgens gehe ich auf die Bibliothek. Da sitzen in langen Reihen die deutschen Philologen und Orientalisten und pflügen durch die langweiligen bestaubten Manuskripte. Fragt man den einen oder den anderen, wie es ihm hier gefällt, so rühmt er sich meistens mit einem gewissen Stolze, daß er von Paris nichts sehe sondern nur den Wissenschaften lebte. Mich überfällt ein Grauen

und Unwille über diese kurzsichtigen Burschen. Dein K. Paris, 10. Oktober 1845. Mein guter Schwager! Daß Deine Akropolis den Leuten in Berlin den Kopf verdreht hat 8 ), begreife ich wohl — daß sie auch hier überall so arg herumspukt, das konnte ich nicht ahnden. Höre folgende un bändig lächerliche Geschichte, die mir soeben bei Verhuells 8 ) passiert ist. Als ich in's Zimmer trat saß neben der reizenden Madame V. auf dem Canapé eine ältliche Dame, die einen unheimlichen Eindruck auf mich machte

zu betreten. Vor 4 Wochen erhielt ich Deinen Brief, der mich grenzenlos erfreute. Es waren die ersten Nachrichten aus dem schönen Berlin, das ich wie eine zweite Heimath liebe; die ersten treuen Berichte über Deine Reise mit dem Prinzen und Dein Leben, dem ich so gern bis in die kleinsten *) Der Orientalist Julius Mohl, seit 1823 in Paris. 2 ) Musikschriftsteller und Kritiker. . 3 ) Bankier. 4 ) Graf Henri de la Borde, Kunsthistoriker 1811 bis 1899. 5 ) Ernst Curtius hatte am 10. Februar 1844

, ohne daß er sich darüber Dritten gegenüber äußerte. Paris, den 3. August 1845. Mein guter Schwager 1 Endlich höre ich von Dir! Soeben abonniere ich mich in einem Lesekabinett, kaum trete ich in den Saal, so sehe ich den ehrwürdigen Hamburger Korrespondenten, ich schlage ihn auf: Lübeck, den 21. Juli. Am 19. traf mit dem Rügener Dampfschiffe usw. Also sind wirklich Eure Reisepläne ausgeführt. 1 A Was hat der Herr von Lingen zu unserer alten Stadt gesagt? Was haben die Leute für Augen gemacht ? Schreibe

! Einige Winke zu rechter Zeit von Deiner Seite, und er hätte jetzt vielleicht eine goldene Tabatière mehr. Mitten in diesem neuen Leben, in dieser Wunderstadt habe ich Dich, mein guter Schwager, keinen Augenblick vergessen. In meiner kleinen Mansarde hängt Dein liebes Bild; wohin ich gehe, dahin begleitest Du mich. Ich glaube, Paris würde nicht die große Bedeutung für mich haben, wenn ich nicht wüßte, daß Du hier gewesen bist; wenn ich Dir nicht einzelne Er zählungen abgelauscht, Deine Briefe gelesen hätte

Curtius ein. Theodor Curtius war mit Schlözers Schwester Cäcilie vermählt. Der Prinz reiste incognito unter dem Namen eines Herrn von Lingen. ...... *) Hofprediger der Herzogin von Orleans — er hatte sich im Jahr 1842 längere Zeit in Berlin aufgehalten und das besondere Wohlwollen des Königs und der Königin gewonnen. ®j Der Besuch galt dem Philologen 1 Karl Benedikt Hase, der seit 1802 in Paris lebte und seit 1802„Conservateuren chef au département des manuscrits' an der Königlichen Bibliothek war.

', jetzt zerfallen mit der ganzen Welt. Seit Mittwoch Morgen ist Paris wieder etwas vernünftig geworden. Während der letzten Tage und Nächte des Faschings hatte sich, nach der Berechnung der besten Statistiker, die Einwohnerzahl um 100000 Seelen vermehrt. Die ganze Baulinie, zu der der stolze Pariser jetzt schon sogar Orléans und Rouen in seinem Centralisations-Übermuthe zu ziehen wagt, strömt auf die abenteuerlichste Weise in der Hauptstadt zusammen. Die Hauptrolle spielt dabei der boeuf gras, der fetteste

vor Duchätel fest in Boxer stellung aufpflanzte und demselben nun die größten Niederträchtigkeiten sagte, während Thiers, der in seiner Freude seinen Sitz verlaßen hatte, beide Hände in den Hosentaschen, die Beine weit auseinander gespreizt mitten im Saal sich hinstellte und mit höhnischem Grinsen dieser Szene zusah. — Während der Monate Januar und Februar denkt man nicht viel an Arbeiten. .Ganz Paris amüsirt sich, sieht, hört und staunt und so kann ich mich denn auch keines großen Fleißes rühmen

„Tetrabiblos' geschrieben. 5 ) Kopp, Die Alchemie, pg. 219. 6 ) 0. v. Lippmann, Alchemie, pg. 32 f. 1, 357, 406. 7 ) Berthelot, Collection des anciens Alchimistes Grecs, Paris 1818, II, 30, in französi scher Übersetzung III. 32 f. f. 8 ) Ebenda, II, 27, 28 oder III, 29, 30.

. Dein K. Paris, 19. December 1845. Mein guter Schwager! Wenn schon das nahe Weihnachtsfest, das ich diesesmai wohl ohne Freund, ohne Tannenbaum feiern werde, eine leise Sehnsucht nach dem schönen Berlin, wo wir im vorigen Jahre so bodenlos fidel waren, in mir erweckt, so zieht mich noch mehr der Wunsch dorthhi, einmal einen Blick in Dein Leben und Treiben zu tun. Das muß jetzt im 2. Stock des Palais eine Wirthschaft sein, von der ich mir mit dem besten Willen keinen deutlichen Be griff machen kann. Kaum

. Noch einmal habe ich nach langem Feiern einen neuen Anlauf auf dieOrientalia unternommen. Als ich aber diese rotgeschriebenen renommistischen Namen wieder sah, die mich an so viele unnütze und langweilige Arbeiten erinnerten, da wurde ich so unmutig, daß ich Herrn Reinaud 1 ) den ganzen Bettel wieder einhändigte und ihn auf spätere Zeiten ver tröstete. Statt dessen habe ich eine andere Arbeit unternommen. In der Gegend der Marais, dem schmutzigsten Stadtteile von Paris, dort wo in den engen, dunklen Gassen dieArmut ein Obdach