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Sonntagsblatt/Illustriertes Sonntagsblatt
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Page 2 of 8
Date: 10.06.1910
Physical description: 8
„Gott sei Dank!' rief er aus tiefster Seele. — „Du wun- Rose legte, bittend ihre Hände zusammen, und ein gequäl- derst dick) vielleicht über meine Sehnsucht nach dir und den ter Blick traf den arg Erregten. . Kindern, aber wenn du wüßtest, wie traurig, wie einsam es „O Rose, Rose, in dir Hab' ich mich auch getäuscht. Du jetzt bei uns ist, würdest du's verstehen. Seit ich nicht mehr bist . . .' Er brach plötzlich ab, riß die Tür auf, stürzte mit auf Reisen gehe und mich in der Familie heimisch

und glücklich zwei Sätzen die Stufen des Gartenhäuschens hinab und zum fühle, bin ich halt ein ganz anderer Mensch geworden.' Rose Weingarten hinaus. Rose sank auf den nächsten Stuhl und nickte ihm liebevoll zu und erhob sich, um aus ihrem Arbeits- stöhnte: „Mein Gott, mein Gott, .ich kann doch nichts dafür!' körbchen, das im Lusthäuschen am Tische stand, eine Schere Es fielen ihr die Kinder ein; was müssen die denken, wenn zu holen. Onkel Peter schloß rasch die Türe und war mit zwei sie Onkel Peter

in solcher Verfassung sehen? Sie spähte hinaus Schritten Rosen gefolgt. Er legte leicht seine Hände auf ihre und war beruhigt: die saßen in ihrer Spielecke und hatten offen- Schultern und sagte in gedämpftem Tone: bar den Davonstürmenden gar nicht bemerkt, und da sah sie ihn „Rose, ich wüßte einen Ausweg, der allem Klatsch die auch, wie er außerhalb des Weingartens, den Staketenzaun ent- Spitze abbrechen würde, der alles gut machte und alles wieder lang auf und ab ging. Er war also nicht fortgerannt

, er wollte ins alte Gleis brächte, wenn, nämlich — wenn du dich ent- sich nur fassen, beruhigen und würde wiederkommen. Ein Ceuf- schließen könntest — meine Frau zu werden. Still, Rose, rede zer der Erleichterung hob ihre Brust. So lange, so lange hatte noch nicht, nenne mich nicht anmaßend, nenne mich nicht wahn- sie ihr Geheimnis bewahrt; sie konnte sich doch keinen Vorwurf sinnig — ich bin beides nicht — wahr ist's ja, ich könnte den machen, sie schädigte keinen Menschen mit dieser Liebe, die über Jahren

, könnte ich so zu dir nicht sprechen — und Denken, aber auch im Entsagen, und ihre Ruhe war daher aber da wäre ja au^ alles ganz anders, ganz anders! — keine erkünstelte. Sie wollte auch Onkel Peter fest in die Augen Rose!' rief er dann rm traurigen Tone, als sie bei seinen schauen, wenn er nur bald wiederkäme, dringenden Worten, unter seinen beredten Blicken so ruhig Und er kam, ruhig und gefaßt. Er bot ihr seine Hand, blieb. Da wandte sie ihm sanft ihr Gesicht zu, das ganz bleich und sie legte die ihre hmein. „Schau, Rose

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Sonntagsblatt/Illustriertes Sonntagsblatt
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Page 3 of 8
Date: 22.04.1910
Physical description: 8
, man lebe auf der Erde und nicht in einem Narren- müssen! War denn das möglich, war das wirklich möglich? I'aradiese; Rose hätte Schultern und Arme, die sie zeigen könnte War dieser schreckliche Mensch, der so sonderbar sprach, der lind den Männern zur Freude, den Damen zum Neide auch Dr. Helmer der verflossenen Wochen? Hatte wirklich er, er sie Rciqen müßte, wenn sie Blut und nicht Ol in den Adern fließen eben um die Taille gefaßt, er, der sie in den vielen schönen Made — und wozu hätte sie den teuren

. „Die rasche Art Ihrer Tante hat Sie erschreckt', sagte Mädchenhafter Schüchternheit, Schmelz, Anmut und Bescheiden- er. Er nannte den Zynismus, vor dem ihr graute, rasche Art, Mcit zu sprechen, sei auch höchst altmodisch und tauge daher und er hatte schon daran gedacht, sie zu heiraten, er hatte mit Ducht mehr in die Jetztzeit. Rose erklärte, sie werde weder den ihrem Gelde gerechnet, um sich in der Hauptstadt etablieren zu Danen noch den anderen Vorschlag berücksichtigen, sie sei alt

ge- können. Die widerstreitendsten Gefühle kämpften in ihr, aber I mg, um für ihre Toilette selbst zu sorgen, und erbitte sich da- der Zorn überwog zehnfach jedes andere Empfinden. Sie schluckte Iher völlige Freiheit. Ein Sturm der Entrüstung folgte dieser tapfer ihre Tränen hinunter, entledigte sich rasch der Konzert- Icnergischen Erklärung, und erst als Rose sagte, sie würde unter toilette iznd hatte eben noch Zeit, ihr graues Hauskleid über feiner Bedingung das Konzert besuchen, wenn man ihr in dem zuwerfen, als Tante Jean

mit Ungestüm an ihre Türe pochte. lAnkte nicht völlige Freiheit gewähre, ließen sie ihr zwar den „Na, hast du noch nicht ausgetrotzt, prüde Prinzessin? Mach iMllen, nörgelten aber ununterbrochen weiter, so daß Rose alle doch auf und komm endlich, wir können den Wagen nicht so iLust zu dem Konzerte, auf das sie sich so sehr gefreut hatte, lange warten lassen. »verging. Als aber der Abend endlich da war und Rose vor Rose öffnete. Iben Tanten erschien, im einfachen, aber eleganten Kleidchen „Herr Gott

Tadel unausgesprochen ließen. Als Rose aberihre „Larifari. Was soll das heißen. Mach schnell weiter, wir »Handschuhe anzog, kam Dr. Helmer, um die Damen abzuholen, haben höchste Zeit, ins Konzert zu kommen . . wer soll deinen I „Lieber Doktor', rief ihm Tante Ann entgegen, „sieht sie Klavierpart übernehmen? Die Nummer müßte rein wegfallen.' Inicht aus wie Aurora, die Göttin des Morgenrots, die mit . „Das schadet nicht... geht nur, wenn es euch Vergnügen »glänzendem Gespann, die Fackel in der Hand

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Sonntagsblatt/Illustriertes Sonntagsblatt
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Page 3 of 8
Date: 03.06.1910
Physical description: 8
Mo blickte stumm und finster vor sich hin,: er war noch - ,u sehr von den Ereignissen der letzten Zeit und dem Schmerz um seine Frau hingenommen, um anderen Tatsachen das richtige Interesse entgegenbringen zu können. Er nickte nur und mur- meltc: „Zwei Wochen, nun, in Gottes Namen, zwei Wochen.' Kapitel. . V . / -. „Pipo, laß das sein, das kannst du nicht. Du köpfst.die Blumei ^ja alle, anstatt sie mit langen Stielen abzupflücken; die ; kann Rose ja gar nicht zum Kranze verwenden ' Der kleine

ihre Schürze voll Laub werk und Waldblumen neben Rose aus, die auf einem Baum stumpf saß und einen großen Kranz für Muttis Grabhügel wand. „Der muß in einer Stunde fertig sein', erklärte Dalli dem eben wild daherstürmenden Bertold; „denn Tante Ann sagte, in einer Stunde ungefähr fährt der Milchmann nach Wien, und der wird den Kranz mitnehmen, damit er noch frisch auf Muttis Grab kommt.' V, .Ach, in einer Stunde schon'> rief Bertel, „da muß ich nachsehen, ob Herr Michel wohl die Pferde füttert

Mirr t M versorgt und aufgehoben und hatten geschäftlich, der Früh- !^Ä?lson wegen, sehr viel zu tun. Bertold besuchte die Schule ^ !n , und Jsas und Dallis Unterricht hatte Rose einst- 'händig übernommen; auch mit Pipo begann sie Vor- I3Ü ? ^ machen,. da er mit nächstem Herbst zur Schule kam. Im,!!. zwischen Spiel und Arbeit unendlich rasch; l cy machte man Ausflüge in die herrliche Umgebung. - > Ann war die liebenswürdigste Wirtin^; sie war.wie - ^ gewandelt und hatte alle vier Kinder

, ja. P-n? dann so rasch wie möglich wieder fort zu kommen, »Tienp?« dachte gewöhnlich - zwischen Tür und An'°l Aliqen» r? kehrte der Behausung der ^Tante mit ^ttsuck-. wieder den'Rücken. Jsa hatte einige schüchterne diese der Tante allerlei zu erzählen, da schnitt ihr ^ . uial.mitten im Satze das Wort ab mit der bissigen 'Du brauchst nicht so freundlich zu mir sein, es ist ^ ^tze dich doch.nicht in mein Testament.' Äsa die Tant? '<' Zwischenfall ganz bestürzt Rose, und die ersuchte Zerdrück?» 6^^n Bemerkungen

doch vor. dem Kinde zu ^danken ^ verstünde das gar nicht und käme auf allerlei * Glaub doch nicht, daß die so dumm ist, ^ gar nicht danach aus, die weiß ganz gut, daß Geld groß geschrieben wird, dürfte keine^ Kaufmannstöchter sein— übrigens, wenn du° glaubst, ich verderbe dir an dem Mädel etwas, dann schicke sie einfach nicht mehr zu mir herauf, ich kann den Gutenmorgengruß ganz leicht entbehren.' Schickte Rose die Kinder aber einmal wirklich nicht hinauf, dann tobte sie wieder über die taktlose Bande, die sich's

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Sonntagsblatt/Illustriertes Sonntagsblatt
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Page 2 of 8
Date: 03.06.1910
Physical description: 8
Wohnzimmer versammelt, um nach all den Strapazen ^ein wenig auszuruhen und gemeinsam den Tee einzunehmen; denn' keiner wollte allein sein, alle hatten das Bedürfnis nach mensch licher Gesellschaft. Auch Jsa war bereits außer Vett und saß^ in ein bequemes Hausröckchen gekleidet, im Lehnstuhl. Rose goß den Tee in die Tassen, und Tante Ann, die auch zum Be gräbnis gekommen war, schloß eben ihr Handköfferchen; in einer Stunde ging ihr Zug, sie hatte mithin noch Zeit, ihr empfind sames Herz auszuschütten

aber mcht. ' „Mein Gott, mein Gott', schloß sie, „überall Jammer und Elend, überall Kummer und Tränen! Am fürchterlichsten ist mir die Einsamkeit, so allein mit der Kranken, Tag und Nacht!' Sie Mt ganz nahe an Rose heran un!) hielt ihr die Hände bittend entgegen. „Rose, liebe Rose, Hab doch Erbarmen und komm mit mir, komm mit mir, und wenn's auch nur auf einige Wochen ist. Der Pflege Tante Relis bist du enthoben, hilf mir nur ein bißchen Tante Jean pflegen.' Alle sahen erstaunt auf Tante Ann

, die mit schwärmerischem Augenaufschlag neben Rose stand. „Aber Tante Ann', sagte' das junge Mädchen ruhig, „wo denkst du hin! Ich kann jetzt noch viel weniger fort von hier als früher — mein Platz ist bei den Kindern, ich werde sie nicht verlassen. Du hast ja, wie du sagst, Krankenschwestern, vlso bist du doch nicht ganz allein.' 7„Und wenn auch', sagte Onkel Peter, „wir würden nie zu geben, daß Rose eine neue Krankenpflege übernimmt, sie hat wahrlich auf diesem Gebiete genug geleistet, und wenn's nach mir ginge

— — —' -„Aber, bester Peter, so meine ich's ja gar nicht! Die Pflege, die eigentliche, haben die Schwestern übernommen, sie soll nicht Pflegerin, nur Gesellschafterin sein. Da schau sie nur an, wie blaffte ist; sie bedarf einer gründlichen Erholung üach all den Strapazek; sie bedarf der frischen Landluft, und bei uns'ist's jetzt so schön, o, so schön, alles steht schon in der Blüte.' „Ganz richtig', sagte Niko. „Rose bedarf der Erholung und soll Ländluft haben, aber nach Mödling darf sie nicht.' Rose lächelte

wehmütig. ' . » - ^ „Was ihr euch alle einbildet! Ich bin absolut nicht er holungsbedürftig und bleibe ruhig hier bei meinen Lieblingen; in zwei Monaten ziehen wir ohnehin zum Sommeraufenthalt nach Voslau, und bis dahin gehen wir fleißig auf dem Ring und in dem Prater spazieren, nicht wahr, Kinder?' „Ja, ja!' riefen sie Kinder Wie aus einem Munde und hingen sich an Rose, die ihnen liebevoll über den Scheitel strich. „Geht jetzt in eure Ecke, 'Kinder, und spielt ruhig weiter, ich bringe euch die Milch

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Sonntagsblatt/Illustriertes Sonntagsblatt
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Page 2 of 8
Date: 22.04.1910
Physical description: 8
, da sieh her, Mutti, der Gärtner völlig ihre Umgebung. Hätte Rose die Blicke der vier Tamn schenkte mir ein Blatt davon, es ist so dick und zähe, und wenn und dazu Tante Jeans unzweideutige Geste gesehen, sie hätte man hineinbeißt, hat man einen würzigen Zimtgeschmack auf jäh ihr Streitthema abgebrochen und sick unter irgend einem der Zunge — da, versuch.' Vorwand entfernt, um sich nie wieder in dieser Gesellschaft sehen Alle drängten sich um den Rollstuhl und erzählten von den zu lassen. Zum Glück

bemerkte sie nichts und kehrte völlig uu- prächtigen Pflanzen und Bäumen ^inr botanischen Garten, bis befangen wieder zum Tische zurück. Man blieb heute bedeutend die Pfannkuchen kamen und ihrem Interesse eine andere länger als gewöhnlich beisammen, und Dr. Helmer mußte beim Richtung gaben. Mutti vergaß auf Augenblicke ihr tiefes Leid, Abschied versprechen, am nächsten jour ivieder seine Mutter ab- als die Kinder schmausend beisammen saßen. Wie reich war zuholen; Rose aber begab sich sofort

, daß sie von hier fort müsse; gleichviel wohin, pörung über ihr Schicksal, daß sie ihr Taschentuch in den Mund nur unter Menschen, nur unter Menschen! ' stopfen mußte, um nicht laut aufzuschreien. Er unterhielt sich Es kam aber nicht zum Schreiben, denn als Rose des an- und lachte und freute sich, während sie ihren Jammer allein dern Tages sich im Weingartenlusthäuschen dazu setzte und über tragen mußte; und er erzählte ihr nicht einmal, wo und mit dachte, wie sie am besten ihr Anliegen vorbringen und den wem

hörte, richtete sie Rose nicht kannte. Es fiel ihr gar nicht ein, zu fragen, wie sich auf — gleich sollten ihn ihre Vorwürfe treffen! Aber sie er hierher kam. Wenn sie gewußt hätte, daß Tante Jean ihm sank wieder in die Kissen zurück, und als er dann in Haus- direkt sagte, wo er sie finden würde, und . daß sie täglich siun- schuhen leise an ihr Lager trat und sich über sie beugte, zwang denlang immer ganz allein dort Maulaffen feil habe, und daß sie sich mit schier übermenschlicher Kraft zur Ruhe

. ^ den später geworden, der Brief konnte nicht mehr geschrieben -Rose war nun achtzehn Jahre alt, sie hatte viel gelernt werden, und Rose dachte auch gar nicht weiter daran. Träu- und alles gründlich gelernt und war trotz ihrer meist gedrückten mend ging sie ins Haus zurück und merkte nicht, daß Tante Stimmung, trotz der Ungemütlichkeit ihrer Umgebung, in der Ann sie wie verschämt von der Seite anblickte, und verstand zu leben sie gezwungen, ein recht blühendes, kräftiges Mädchen auch nicht Tante Jeans

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Sonntagsblatt/Illustriertes Sonntagsblatt
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Page 2 of 8
Date: 17.06.1910
Physical description: 8
auch schaudernd an Alice denken, die gar keinen Blick für Naturschönheiten hatte und ihn immer unsanft mit einer banalen oder gar zynischen Bemerkung aus allen Träumen riß. Rose dagegen stand zwischen den beiden. Auf ihrem Gesichte laq deutlich, was sie empfand; sie konnte auch ihrem Entzücken, ihrer Bewunderung Worte leihen; aber schon in der nächsten Minute konnte sie erzählen, daß es mit tags gefüllte Tauben gebe und Walderdbeeren zum Dessert. Es stieß nicht ab, es verletzte nicht — man war nur immer rasch

freuen in seiner Gesellschaft. Daß solche schöne Zeit ein Ende nehmen mußte! Niko empfand einigermaßen verwundert, welches Leben, welche Anregung Peter ins Haus brachte; ^a, nicht nur die Kinder waren eitel Freude und Jubel, auch Rose war wie um gewandelt: sie ging so mehr aus sich heraus. Er beobachtete plötzlich mit merkwürdig unbehaglichem Empfinden die beiden: wie das vertraut tat, wie das verständnisinnige Blicke wechselte! Und es war ihm eines Tages, als erwache er aus einem tiefen Traum

noch jedem Weibe gefährlich werden! Er beobachtete einmal die zwei, als sie sich allein glaubten, und da kamen ihm wieder Zweifel; sie taten da gar nicht ver traulicher als in Gegenwart anderer. Diese Zweifel quälten ihn und er beschloß, der Sache auf den Grund zu gehen — einfach Peter direkt darum zu fragen. Es war nach Tisch. Die Kinder hatten eben das Zimmer verlassen, um sich auf der Wiese zu tummeln, und Rose be reitete in einer kleinen Kaffeemaschine den Mokka. Die Brüder hatten sich Zigarren angezündet

auf den Tisch. Der Brief war nach Wien adressiert und von dort hierher geschickt worden. Rose hatte einen Blick darauf geworfen, und alle Farbe war aus ihrem Gesicht gewichen; mit unsicherer Hand goß sie den Kaffee in die Tassen; sie sah noch, wie Niko ohne die ge ringste Erregung den Brief vom Tische nahm und ihn ruHig entzweiriß, dann packte sie die Karte für Jsa und huschte damit lautlos zur Tür.hinaus. > Niko aber erhob sich, entzündete ein Streichholz und steckte beide Briefhälften in Flammen, warf

sie dann in den großen Kachelofen, hockte davor hin und sah zu, bis das letzte Stückchen in Asche verwandelt war. Peter beobachtete scharf jede seiner Bewegungen; er mußte an sich halten, um nicht laut aufzujubeln. So hatte sie's also doch zustande gebracht, die Rose, so hatte ihr ruhiges Beispiel doch gewirkt und ihn zur besseren Einsicht gebracht! Die Freude und die Befriedigung lag ihm so deutlich auf dem Gesicht, und der Blick, mit dem ihn der Bruder ansah, als er wieder zum Tisch zurückkehrte, war so sprechend

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Sonntagsblatt/Illustriertes Sonntagsblatt
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Page 2 of 8
Date: 28.04.1910
Physical description: 8
, o -- oü' „Die undankbare Kröte!' rief Tante Jean, und eine Flut von Vorwürfen und Beschuldigungen sprudelte nur. so über ihre ! Lippen. „Sie hat hinter unserem Rücken gehandelt und hinter- lisÜg an den Vormund geschrieben! Pfui und noch einmal pfui!!' Sie lachte dann höhnisch auf. „Aber warum wundere ich mich! Dieser Eigenwille, dieses selbständige Handeln, das sind die Früchte der Erziehungsmethode ihres Vaters.' „Für die ich ihm unendlich dankbar bin', sagte Rose mit bleichen Lippen. „Was wäre

ich ohne diesen Selbständigkeits- drang? Ein armes, geknechtetes Wesen, das nicht in die Welt taugt.' . Das Gezeter und Geweine der beiden Erregten dauerte eine geraume Welle, bis Herr Petrus in ruhig bestimmter Weise der Sache ein Ende bereitete. Er dankte den Tanten für alles, was sie an Rose Gutes getan, und bat sie, sich in das Unab änderliche zu fügen. „Im Leben muß sich ja immer alles von Zeit zu Zeit ändern,' sagte er liebenswürdig. „Dase ist nun einmal Natur gesetz, die Menschen können dagegen nichts ausrichten. Rose

,st erwachsen und hat hier in Mödling absolut keine Gelegen heit, sich nach Wunsch betätigen zu können, sie behauptet, daß He der kranken Tante Reli mehr nützen könne, als den gesunden Tanten Ann und Jean, und will sich einmal als barmherzige Schwester gerieren — mag sie's versuchen; der junge Mensch soll, muß was probieren, um einen möglichst weiten Gesichts kreis zu bekommen — das weitere wird sich finden. Und nun seid so freundlich und helft Rose das Nötige zusammenpacken, in einer Stunde fährt der Zug

war auch der Abschied kurz und hastig. Als Rose neben dem Onkel im Waggon saß, die Lokomotive pfiff und der Zug sich in Bewegung setzte, preßte sie die verschränkten Hände an ihre Stirn und tat einen tiefen Atemzug: „Frei -7 frei!' rief sie. „Nun geht-es einem neuen Leben entgegen!' „Einem ernsten, liebes Kind, wenn du wirklich ins Haus meines Bruders gehen willst.' «Ja, Onkel, das will ich,' sagteHe bestimmt, „und ich dank dir, daß du mich gewähren läßt.' 4. Kapitel „Nein, nein, so nicht, Mamsell Mirr, die Torte

, legen wir mitten auf die Torte — so, ah, wie das glitzert und leuchtet!' Jsa klatschte in die Hände und hüpfte frohlockend um den Tisch herum. „Nun können wir Fräulein Rose ja rufen?' „Noch nicht, Mamsell Mirr; erst müssen wir Mama herein» rollen, dann hole ich die Kinder, die müssen sich dort hinter die spanische Wand stelle?», damit sie Rose nicht-gleich sieht. Ich setze mich ans Klavier, und wenn sie hereinkommt, prälu diere ich ein wenig, und wenn sie recht verwundert dreinguckt, dann singen

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Sonntagsblatt/Illustriertes Sonntagsblatt
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Page 3 of 8
Date: 28.04.1910
Physical description: 8
hinaus. Frau Peirus legte die Hand über die Augen, und Rose blieb mit ge senktem Kopf vor dem Tisch stehen und ließ mechanisch die Ecidenbänder der gehäkelten Schürze durch ihre Finger gleiten. Ein unterdrücktes Aufschluchzen kam vom Rollstuhl her. „Tante, liebe, liebe Tante, was ist dir?' ^ „Ach, Rose, frage nicht, du weißt es ohnehin, du verstehst mich ja völlig in allen Dingen.' ° , Nose schwieg. ! 7 ' ' „Wie lieb ihn das Kind hat, alle, alle haben ihn lieb — ^ Rose, nicht wahr, du. hast

ihn auch lieb? Sag, Nose!'. „Gewiß habe ich Onkel Niko lieb, warum sollte ich nicht, tr ist ja so gut.' ' 7 „Gut ist er nit,' sagte Frau Petrus hart, ,^sonst würde er uns das nicht antun.' „Heute hat er wirklich geschäftlich außerm Hause zu tun', > entschuldigte Rose. „Ja heute! Aber gestern und morgen und alle Tage -—- Nose, du bist ein gescheites, ernstes Mädchen, dir kann ich's ja! sagen, ach, ich habe ja sonst keine menschliche Seele, mit der ich7 über diese Dinge reden darf, und ich kann's, kann's

allein nicht' mehr tragen. Rose — eine Tänzerin hat ihn in ihre Netze ge^ ' lockt und dann — dann -- spielt er.' „Um Gotteswillen, Tante, woher weißt du das?' . „Von seinem Bruder.' ^ „Von Onkel Peter? Unmöglich! Wie kann der so grausam fem, dir das zu sagen!' i l ..Ich habe es ihm nach und nach herausgelockt, er hat es freü .ch nur halb zugestanden, aber ich kenne ja Nikö durch und durch. Mein Gott, er ist nicht schlecht, nur schwäch und arg^ verblendet; er hat natürlich keine Ahnung davon

ihre Ärmel aus und ze^te ihre abgemagerten Arme. „Da schau!' Sie Mutete auf ihre eingefallenen Wangen und auf ^ ihr spärliches 'as sich vor noch nicht langer Zeit in üppigen Strähnen Uder die Kissen ausbreitete. . „Es ist ja gut- so', sagte sie dann, „gut für mich und für die Kinder? Rose — du hast die Kinder ja lieb, nichts wahr, du hast die Kinder lieb? Versprich mir, ihnen eine ^lütter zu sein, wenn ich fort muß. O, ich bin eine arge Egoistin, r.veeine Last auf — dir, du junges Geschöpf — aber bitte

, versprich mir's doch.' Und Rose versprach's mit einem Ernst, der keine Zweifel zuließ. '^ch danke dir', hauchte die Kranke, m. 'übermorgen ist unser Hochzeitstag', sagte sie nach einer wir zwölf Jahre verheiratet — er denkt gewiß daran, o, er denkt nicht daran.' — - Nose nahm sich ein Herz und pochte am nächsten Tag Al Nikos Kontortür. x-r Röschen', rief er halb erfreut, halb erschrocken, „was >uhrt dich zu mir?' . „Eine Bitte, Onkel.' v 'Eme Bitte? Das ist etwas Seltenes. Das ganze Jahr, v du als guter

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Sonntagsblatt/Illustriertes Sonntagsblatt
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Page 3 of 8
Date: 13.05.1910
Physical description: 8
, noch konnte Darüber wachst, daß auch nicht der leiseste Hauch davon zu den >er umkehren, er hatte seines Wissens nicht mehr Geld mit- Ohren meiner Schwägerin dringt. Ich weiß, du bist ihre Ver- I genommen, als zu solch einer Reise für einen verwöhnten traute und als solche ohnehin eingeweiht in all ihren Kummer, > Menschen wie Niko erforderlich war, doch lag es immer noch in all das, was ihre schöne Seele bewegt -» habe ich recht, I im Bereiche der Möglichkeit, daß er etwas mitgenommen, was Rose?' Rose

es allerdings eingreifen, ihn tigen Augen an, davon hast du ungezählte Beweise gegeben, > unschädlich machen, sich von ihm lossagen — entsetzlicher Ge- seit du bei uns bist, seit ich dich deinen Mödlinger Tanten ent- N danke! Aber es mußte sein, es mußte sein, zum Heile aller rissen habe. Ach, Rose, es war eine harte Schule, die du dort Umußte es sein! Wenn ihm bei dem Gedanken auch das Herz durchzumachen hattest, aber sie war dir trotzdem nützlich.' Rose »blutete, wenn er auch laut aufstöhnte vor Kummer

. Dann hat sie ihre Tournee in Deutschland und. MPwZirch erschien es ihm unmöglich, allein damit fertig zu werden. Frankreich absolviert und will, so heißt es, nach Amerika gehen. M^-s kam ihm ein ganz eigentümlicher Einfall: er rief den Ge- „Meinst du, daß Onkel Niko dann mit nach Amerika geht?' Mi^Aener herbei und schickte ihn hinauf ins erste Stockwerk „Ich fürchte es.' ein 57 ^'ung lag im zweiten), er ließe Fräulein Rose bitten, „Mein Gott, läßt sich dagegen gar nichts machen? Kannst nen uugenbllck

zu ihm herabzukommen. ^ du ihn-daran nicht hindern?' unk s5 ^^rte auch gar nicht lange, und Rose erschien, frisch Petrus zuckte die Achseln. o hinj.c ^d doch zugleich mit dem ihr eigenen Ernst in den „Schwer.' ^ . „Wie nur das Gerücht entstanden sein mag?' wünschest du, lieber Onkel?' „Wie Gerüchte entstehen .... ein Körnchen Wahrheit ist ^e ^ bei den Händen und schaute ihr treuherzig in immer dabei im Spiele.' - -Auzen. . „Weiß Onkel davon?' sag, willst, du mir helfen?' „Ich glaube nicht.' 'A?er freilich, Onkel

, sage nur, was ich dir helfen kann.' „Kannst du nicht auf ein paar Tage abkommen, zu ihm «-Lltte, setze dich und höre mich an.' gehen und ihm ins Gewissen reden?' Petrus seufzte und fuhr ^ sich uild schaute erwartungsvoll und etwas er- mit der Hand über die Stirne. °unt zu chm auf. „Rose ... erst die. Arbeit.' 5a,.'', 5st du das Gerücht, das in letzter Zeit über unser „Ja, erst die Arbeit!' Rose sprang auf. kursiert?' „Ich gehe jetzt hinauf, und wenn die Kinder zu Bette sind »^in Gerücht

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Sonntagsblatt/Illustriertes Sonntagsblatt
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Page 3 of 8
Date: 10.06.1910
Physical description: 8
in den Wolken fest; darüber vergaß er die Erde, und Alice birgt in ihrer schönen Hülle eine niedrige Seele — sie haftet am Gemeinen und zieht ihn in den Staub hinunter.' Onkel Peter sah Rose mit leuchtenden Augen an. „O Rose, du bist groß, du wirst ihm nun ein Leben zeigen, zwischen Wolke und Staub, wie du immer sagst, und es wird, es muß dir ge lingen, du kannst ihn retten. Mir aber verzeih die Anmaßung, mit der ich dein Leben an meines ketten wollte.' ,Nnd mir vergib die Abweisung — es schmerzte

mich, aber ich konnte nicht anders.' Eie reichten sich die Hände, und dann ging Rose den Kindern entgegen, die soeben mit dem Rufe: „Papa kommt, Papa kommt!' die Stufen hinaufstürmten, um sofort wieder zu verschwinden und dem Angekündigten entgegenzulaufen. Peter sah Rose an: ihr Gesichtsausdruck war unverändert; nur in den Äugen glomm sekundenlang ein eigentümliches Licht. „Wußtest du, daß er heute kommen würde?' „Bestimmt nicht. Als ich ihn beim Fortgehen fragte, ob er an euch etwas zu bestellen habe, verneinte

ihm seit längerer Zeit ein bißchen so 0!.'^' ew bißchen n, ^uchs rät uns :s, di^ »ü:-in den Alpen; er meinte 'auch, Vöslmi sei für ne > la vor. ^^^.Niko - lachte. „So so, la la, Rose? Wo will das Kind- itstr' Sehnsucht nach dem Lande deiner nach der schönen, grünen Steiermark, und hast den viel davon erzählt, daß sie nun deine Sehnsucht ächten?' einen Sommer in diesem Dorado zubringen was Wahres ist daran, Onkel, aber uns wirklich — und ganz aus eigenem merke Bad nicht brauchen, eigentlich zwecklos

einer, der sein Herz an Steine hängt? -SU MiKK. De.S ^t.k°t W-k°r hen>°^ « er »Ja wehrte Rose. j 'Dak d„ ^ damit gesagt haben?' -»kaufen sollst- - ? R°s°! Denn sie! n der Denn frei nach Peter Petrus er- Nr. y j.- I. der Vtlla Nr. 1 eine große Summe, dann ^ch kostet- „^Aende gespart, die die Erhaltung der Villa ' es konnten Nr. 3 ein paar Pferde abgeschafft werden,'und Nr. 4 bekäme man seinen Spinat am Märkte billiger als aus dem eigenen Gemüsegarten usw. usw. Rose, Rose, wenn du wüßtest, wie komisch dergleichen

aus deinem Munde klingt!' ' Aber Rose ließ sich nicht beirren, in ihrer ruhig ernsten Art fuhr sie fort, ihn für den Verkauf der Villa und für einen Sommeraufenthalt in den steierischen Alpen zu erwärmen.. Sie vermied bei ihrer Auseinandersetzung jeden überflüssigen Wört schwall und nahm von Nikos spöttischen Einwürfen gar keine Notiz. Es dauerte nicht lange, so hörte er auf zu spotten und sah nur immerzu interessiert in das hübsche, verständige Gesicht. Rose war allmählich unter seinen forschenden Blicken

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Sonntagsblatt/Illustriertes Sonntagsblatt
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Page 2 of 8
Date: 20.05.1910
Physical description: 8
„Um Gottes willen, Kind, was ist geschehen?' fragte angst- Jsa kauerte in einem Winkel im Nebenzimmer und weinte lich Frau Petrus und legte die Feder weg und Rose faßte Jsa leise vor sich hin. Onkel Peter hob sie auf und führte sie inz an den Schultern und drehte sie herum. Kinderzimmer hinüber. „Aber Mädchen, großes Mädchen, was soll's? Bist du ge- „Ich — kann — nichts dafür', schluchzte sie, „Paula - fallen, oder hast du etwas verloren, oder hast du eine schlechte Bertin — hat so — gesagt

dazu, deinen Papa zu be- zu haben. Der alte Hausarzt, Dr. Fuchs, verordnete Eispack schimpfen! Du mußt wohl geträumt haben. Komm mit hinüber ungen aufs Herz und Eispillen zum Schlucken, im übrigen die und erzähle mir, was vorgefallen.' Rose fühlte instinktiv, daß konstanteste Ruhe. die Geschichte mit dem Gerücht zusammenhänge, und wollte „Sagen Sie's lieber gleich, Doktor, ist keine Hilfe mehr?' Jsa aus Mamas Hörweite entfernen; aber das Kind riß sich fragte Onkel Peter. los und sagte auf die Beschuldigung

Note bekommt „Ein paar Tage — ja.' — und da sagte sie, ich würde nicht mehr lange lachen, in ' „Ich danke Ihnen, Doktor', sagte Onkel Peter, schüttelte kurzer Zeit werde ich nur noch von Wasser und Brot leben dem alten Herrn die Hand und eilte blutenden Herzens hinunter, müssen, denn mein Papa ...' um ein Telegramm an Niko folgenden Inhaltes zu senden: Rose war der Schreck in alle Glieder gefahren, aber sie „Komm rasch, Reli liegt im Sterben.' Er klingelte dem Diener unterbrach Jsa und lachte laut

ihrem Munde. Rose war erst wie gelähmt vor der drei der jüngsten Geschaftsangestellten an ihren Pulten Schreck, dann aber sprang sie rasch hinzu, richtete den herab- saßen. Herr Petrus wollte Ferenz nochmal zurückrufen, nnes gesunkenen Kopf der Ohnmächtigen auf und wusch das toten- kleinen Auftrages, wegen, den dieser auf dem Rückweg erledige« ähnliche Antlitz mit Essigäther. Jsa wollte sich auf Mama konnte. Er hatte schon den finsteren Gang betreten, als sein stürzen und schrie laut: „Mutti, Mutti! Blut

! Blut!' aber Rose Fuß wie gebannt an der Stelle blieb. Ferenz hatte in der sagte energisch: „Kopf oben, Jsa, lauf rasch zu Onkel Peter Eile die Türe der Schreibstube offengelassen, und so konnte hinunter, er möge schnell nach dem Arzt senden und dann gleich Petrus in den lichten, geräumigen Raum blicken. Er traut? heraufkommen — lauf, Jsa, lauf!' Und Jsa lief; das Kind seinen Augen und Ohren nicht, als er sah, wie die drei ^>ung- verstand zwar den richtigen Sachverhalt nicht, aber es war doch linge

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Sonntagsblatt/Illustriertes Sonntagsblatt
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Page 14 of 414
Date: 29.12.1911
Physical description: 414
stand regungslos; Rose war herumgefahren und sah ihn an, erstaunt, fragend; Friede war jäh aufgesprungen, die Arbeit entglitt ihren Händen. „Heini! Heini!' Ganz plötzlich hatte die Kleine die paar Worte hervor gestoßen, im nächsten Augenblicke war sie durch das Zimmer ge flogen und lag an der Brust des Mannes, der sie scheu, wie behutsam in seme Arme nahm. „O du goldene Jugend!' sprach er leise vor sich hin; dann neigte er sich und küßte die roten Lippen, die sich ihm gerne boten. Eine Sekunde

später hatte sich Rose losgelöst. „Hurrah!' rief sie. „Heini ist da! Friede, was stehst du, wie entgeistert? Er ist ganz extra gekommen, um meinen ersten Ball mitzumachen!' Die ältere Schwester rührte sich noch immer nicht. Aber der Fremde fuhr sich nun, wie erwachend, über die Stirne. „Friede', sprach er halblaut vor sich hin — „Friede' — Sie trat jetzt vor und bot ihm eine leicht zitternde Hand. „Da bin ich, Heinrich,' sagte sie. „Du hast in Rose die Jugend gegrüßt — unsere Jugend

' doch,' wehrte Friede — „komm' nun lieber mit zu Papa und berichte ein bißchen vernünftig, was dich herführt.' Sie war vorangegangen. Nun merkte sie, daß er ihr nicht nachkam. Als sie sich umwandte, stand er und sah noch immer auf die lichte Gestalt der Schwester. Und Rose blickte glückselig zu ihm empor. Die Ältere sprach kein Wort mehr; im nächsten Augenblicke schloß sie sachte die Tür hinter sich zu. „Hier sind wir, Papa!' sprach Friede, als sie mit Rose am Abend des großen Tages in das Studierzimmer

das Rauschen und Flattern. Rose sah sie kaum, die flog lachend siegesgewiß von einem Arm in den anderen; Heinrich Leuthold hatte sich durch den dichten Kreis von Bewunderern Hindur5- aedrängt, welcher sie gleich zum Beginn umlagerte. Nur mit Mühe konnte er noch einen Tanz erobern. Als Friede die hohe, stattliche Gestalt mit dem schon etwas ergrauenden, be deutenden Kopf mitten zwischen den jugendhaften Tänzern aus tauchen sah, hatte ihr ein Gefühl von Weh plötzlich das Herz zusammengeschnürt

aus dem Herrenzimmer. Aber was macht es. Seinetwegen konnte ich doch dem jungen Mediziner und dem Leutnant keinen Korb geben! überhaupt, wenn man in seinem Alter ist! Wer tanzt denn da noch!' Die Reihen formierten sich, und Rose tanzte richtig mit ihren drei Herren. Die ältere Schwester sah nachdenklich zu- Wie eigentümlich Heinrichs Kopf hervorragte zwischen den an deren. Seine Bewegungen waren ruhiger, fast ein wenig be haglich; und sein Gesicht war so ernst . . Nun kamen die Figuren. Es war ein tolles Treiben

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Sonntagsblatt/Illustriertes Sonntagsblatt
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Page 2 of 8
Date: 13.05.1910
Physical description: 8
nug, Kinder', mahnte Rose, „laßt den Papa jetzt in Ruhe, er es wirklich bemerkt, wie schwer ihm das Sprechen wurde? Eie will gewiß noch nach Mutti sehen, ehe er ausgeht.' nahm es ihm ab und etzahlte ihm ihrerseits von' den Kindern Er war jäh aus seinem Hinbrüten gerissen und starrte Rose kleine Züge, die ihren Charakter kennzeichneten; sie tat das mit so an. Ein bittender Blick aus ihren schönen, dunklen Augen ver- viel Anmut, mit so viel Verständnis für die Regungen der setzte ihn völlig

; denn sie „Immer gleich', sagte Rose einfach, „sie war heute lange hatte eine Seelengröße, der nichts in der Welt gleichkam. Ihre bei uns hier und ließ sich eben erst in ihr Zimmer rollen.' Ruhe hatte ihm seine Fassung wiedergegeben, und er nahm teil Er stellte Philipp auf die Erde und erhob sich. an ihren Gesprächen über die Zukunft der Kinder. Wie lange „Ihr habt eure Sache gut gemacht, Kinder, und wenn ihr war's her, daß er dies nicht getan! Und es war doch so schon, noch ein Weilchen ruhig uno artig seid

wie er im Fortgehen bemerkte. Als er bei den Kindern ein- die Arbeit Mamsell Mirr entgegen, und die legte das Zenti- trat, huschte Rose sofort hinaus und eilte hinüber zu Tante Metermaß daran. „Nur noch drei Zacken, gnädige Frau, dann Reli; sie hatte die ganze Zeit über daran denken müssen, wie hat es die richtige Länge', sagte sie. diese die „Freude' tragen würde. Sie fand ihre Besorgnis „Noch drei Zacken — nun, in der nächsten Woche hoffe ich bestätigt, damit zustande zu kommen', entgegnete Reli- mit wehmütigem

„Tante, liebe Tante, wird dir der Lärm auch nicht zu viel Lächeln. ^ . werden? Dann könnte ja Onkel mit den Kindern drüben Wie eine, schwere Last fiel's ihm aufs Herz. Ja, ja, Peter speisen und ich dir allein Gesellschaft leisten.' hatte recht. Hell sah elend aus, und er hatte es nicht bemerkt: „Nein, ach nein, Rose, laß nur', sagte sie erregt, „warte diese bleichen, eingefallenen Wangen, diese blassen Lippen, diese nur noch einen Augenblick, dann bin ich wieder ruhig.' mageren Hände ! Und das Haar

, das Haar, sein Stolz, seine Rose nahm den Kopf der Kranken, legte ihn an ihre Brust Freude, diesem prächtige, üppige, goldschimmernde Haar — wo und strich liebkosend über die feuchte Wange, war es hingekommen? Nicht emmal das hatte er bemerkt! „Heute ist's gerade vier Monate und drei Tage, seit er Ach, er hatte mit anderem Haar gespielt. Nein, diese Ver- das letztemal mit uns zu Abend gegessen hat', flüsterte sie. Wüstung hat nicht allein die Krankheit verschuldet. Es schien Rose schwieg

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Sonntagsblatt/Illustriertes Sonntagsblatt
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Page 14 of 16
Date: 25.09.1914
Physical description: 16
, das kleine Fleckchen Erde in einen: blühenden Garten und verwischen den allzu trühen Eindruck des Todes. ^ ^ Unter allen Blumen nimmt die Rose un streitig den ersten Rang em. Sie gilt für die schönste Blume und ist umwoben von der Sage aller Völker, Dichter und Sänger preisen ihre Schönheit. Bereits im grauen Altertum erwähnt Homer der Rose und die griechische Dichterin Sappho nennt sie die Königin der Blumen, ein Name, den sie beibehalten hat bis auf unsere Tage. Sie war mehreren Gottheiten geweiht

. Als Sinn bild der Schönheit war sie der Venus heilig, als Zeichen der Liebe dem Amor geweiht und als Symbol der Jugend und Schönheit stand sie der lieblichen Aurora am nächsten. Bei °den Festen der Gottheiten schnlückten sich die 'Opfernden mit Rosenkränzen, ja selbst die Opfertiere erschienen im Schinucke der Rosen und als selbst die barbarische Rau heit menschlicher Sitte?: gewichen waren, lebte die Vorliebe für das holdeste Kind Floras unbekümmert fort im Gemüte der Völker. Die Rose

man die bekannten Rosenfeste. Auch die Sage bemächtigt sich der Rose und zieht sie in jhren Kreis. Wer kennt nicht die- Legende von den Rosen der hei ligen Elisabeth, der frommen Landgräfin von Thüringen? Ebenso bekannt dürfte jedermann die Sage von der Entstehung des Moosrösleins sein. 'Einst schlief der Engel Gottes, der die Blumen pflegte, im Schat ten eines Rosenstrauches ein. Der Tag war schwül, die Sonne brannte heiß und sengend und der gute Rosenstrauch gab dem Schläfer gern und willig seinen Schatten

-als Dornenkrone um des gött lichen' Dulders Haupt. Seit dieser Zeit blieb der arme Dornenstrauch ohne Blät ter, ohne. Blüten, nur Tränen vhne Zahl glänzten an dem Strauch. Da ging die Ostersonne aus und mit ihren warmen, ver söhnenden Strahlen traf sie auch den armen Dornenstrauch imd bedeckte ihn über und über mit Blätter und Blüten. „Ja, der Heiland hat Erbarmen . Mit der Rose traurig Los! Jeder Tropfen seines Blutes Glänzt am Dornenstrauch als Ros'!' Deshalb . muß der Dornenstrauch auch heutigen. Tages

auszustrecken. Die Seerose ist näm lich eine verzauberte Seejungfer und zieht unbarmherzig alle in die Tiefe, die sich ihr nahen. „Nachts um die Zwölfte Stunde' wird die See- oder Wasserrose allemal wie der für eine Stunde zur Elfe und schwingt sich mit ihrem weißen Nebelschleier in lusti gem Reigen. Wir wollen nun noch emes Blümleins gedenken, das ebenfalls den Namen Rose führt, nämlich der Jerichorose, auch Auf erstehungsrose genannt. Zu Taufenden wird dieses unscheinbare» vertrocknete Pflanzen gebilde

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Sonntagsblatt/Illustriertes Sonntagsblatt
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Page 3 of 8
Date: 27.05.1910
Physical description: 8
, die Kinder mmerten und weinten, Rose war außer sich, Onkel Peter bei- B fassungslos; es war zu rasch und unerwartet gekommen.. aHlug besinnungslos auf den Teppich hin, als sie die Ge- ..' M erhielt, daß Mutti tot war; sie mußte zu Bett gebracht ' «oen. Rose gewann am ersten ihre Fassung; hier galt es ^ ' ^opf oben behalten und ihre Fürsorge teilen zwischen dem ^AAmmer, der Kinder- und Krankenstube. Sie ivar un- ^uouch und allen ein Trost in den schrecklichen Tagen. Isa antmierte und rief' unaufhörlich

war, um sich zurechtfinden zu können, brach er in einen heftigen Weinkrampf aus, der seinen ganzen Körper erbeben machte, i Onkel Peter drängte Rose Zur Tür hinaus. „Komm,Mädel,lassenwir ihn dasallein mit sich abmachen.' Draußen umarmte er Rose und sagte wie befreit: „Weil er nur da ist, Kind, Liebling, weil er nur da ist, weil er nur wie der da ist!' Anderes konnte er nicht sagen. Rose nickte mit nassen Augen und eilte dann zu Isa, um das Kind auf die Ankunft des Vaters vorzubereiten. Nikolaus Petrus richtete

. „Du wirst sie nun doppelt lieben, Niko, und Rose will die Kinder nicht verlassen, sie hat's der Toten ja versprochen, na, und ich bin ja äuch noch da, ich könnte ohne die lieben Rangen sowieso nicht mehr lebend Da lag Niko wieder am Halse des Bruders, und ein kon-: vulsivisches Schluchzen durchzuckte seine Glieder. Aber er hatte sich jetzt völlig in der Gewalt, er richtete sich auf und sagte ruhig: „Nun will ich zu den Kindern gehen.' .. . (Fortsetzung folgt.)

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Sonntagsblatt/Illustriertes Sonntagsblatt
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Page 3 of 8
Date: 15.04.1910
Physical description: 8
, daß sie ße schließlich gewähren ließen. Nach einem Jahr fühlte sich Rose sehr unglücklich; gegen widerlichen Auftritte war sie fast abgestumpft; sie hatte sich man gewöhnt, nicht den geringsten Anteil an den kleinlichen Zänkereien zu nehmen und sich passiv und stumm zu verhalten, senn sie mit hineingezogen wurde, was ja oft geschah. Sehr lief ging ihr dergleichen nicht mehr, aber sie fühlte sich so ein sam, so verlassen — sie war nun in dem Übergangsstadium vom Kinde zur Jungfrau, wo jedes Mädchen der Mutter

am meisten bedarf und sich heftig nach einer Freundin sehnt, der sie ihr Zählen und Denken mitteilen kann. Rose hatte aber keinen anderen Verkehr als den der Tanten und der stetig wechselnden Zienstleute. Besuch kam nur selten; die Mödlinger Gesellschaft sagte den Tanten nicht zu, und umgekehrt war es noch mehr der Fall: man machte einen weiten Bogen um das Haus der beiden Megären, nur eine Witwe, die Mutter eines jungen Arztes, der sich vor einem Jahre hier ansässig gemacht, und die Mermeisterin

, daß Rose immer im stillen wünschte, alle Besucher möchten nur so fern als möglich bleiben. Einige Male im Jahre fuhr man nach Wien, um Einkäufe zu besorgen, ein Theater zu besuchen und wieder einmal nach den lieben Verwandten und Bekannten zu sehen. Das waren die schönsten Tage für Rose; ihre geliebte Vater stadt, ihr Wien wieder zu sehen, sich in das Gewühl der Groß stadt zu mengen, war für sie Hochgenuß, der nur leider immer zu kurz währte. Sie war dann Gast im Hause Nikolaus Petrus'^ hier gefiel

es ihr am besten, bei Onkel Niko und Tante Reil; hm war Leben und Bewegung, Arbeit und Kinderlärm; nur seinem halben Jahr, seit oer Ankunft de^vierten Sprötz es, war's auch da recht traurig, denn Tante Reli lag seit Zeit zu Bette, und die Hoffnung auf völlige Genesung war 'l weite Ferne gerückt. Nach solch einem Besuch in-der Haupt stadt kam sich Rose doppelt verlassen und unglücklich vor, um so mehr, als sie keinen Ausweg fand, sich aus ihrer Lage zu ^freien. Sie schrieb an ihren Vormund, Peter Petrus

, und ehielt als Antwort Ermahnungen und Zurechtweisungen. Er bar nicht wieder in Mödling gewesen; jedes Quartal kam punktlich das Geld mit einem kurzen Begleitschreiben, womit er seiner Pflicht als Vormund vollständig Genüge leistete. Rose, ''geschüchtert durch des Onkels ablehnende Haltung, wagte keine weiteren Versuche und ergab sich resigniert in ihr trost- o>es Schicksal. Die Zeit, die nimmermüde, eilte rastlos fort und füllte in weiteren drei Jahren Roses Leidettsbecher bis ^ Rande, als endlich

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Sonntagsblatt/Illustriertes Sonntagsblatt
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Page 2 of 8
Date: 15.04.1910
Physical description: 8
nichts schwer zu nehmen, fand er sich auch hier über- zu stellen; Jean .dagegen fand, daß für Seele und Geist raschend schnell zurecht. Er fuhr auf einen Tag nach Mödling, jeder selbst sorgen müsse, daß sich ein Dienstgeber darum absoli t um Rose in ihrer neuen Heimat zu begrüßen, sie in seiner wohl- nicht zu scheren habe und nur an die leiblichen Bedürfnisse wollenden Art, so gut ihm das gelingen wollte, zu trösten und denken müsse. Schlug Ann einen Kirchenbesuch oder ein Wein- ihr eine Menge Ermahnungen

für sie nur Gutes erwachsen, das „Pah, gut, wenn man sich übervorteilen läßt, ist man nicht ihrem Leben einen Inhalt, einen Zweck geben müßte. Im gut, sondern dumm, und das müssen die Hinterbliebenen büßen.' stillschweigenden Übereinkommen trafen sie ihre Vorbereitungen; „Gott, wie grob du wieder bist!' seufzte mit wehmütigem sie kamen sich plötzlich so gehoben, so wichtig vor und unter- Augenaufschlag Ann. „Uns hat er doch edel bedacht, und Rose drückten mit unglaublicher Willensstärke diese und jene Äußerung

, nur mit dem einen Unterschied, daß es ein Zankobjckt beide Ohren zu. ' im Hause mehr gab. „Und die dumme Bestimmung, daß am Lehrplan nichts Rose bemerkte anfangs gar nichts von dem sonderbaren geändert werden darf', fuhr Jean unbeirrt fort, „daß nach wie Treiben ihrer beiden Tanten, sie war wie vergraben in ihrem vor die teuern Vrivatlehrer gehalten werden sollen, was der Schmerze und blind und taub für die Außenwelt. Wenn Tante Umstand, daß sie nach Mödling kommen müssen, noch um ein Ann ihr in ihrer Weise Trost spenden

Kapital, waren eine Quelle der größten Heiterkeit für Rose gewesen; das soviel Zinsen abwarf, um gut und sorgenfrei damit auszu- sie konnte sich darüber halb tot lachen und die Tanten so getreu kommen und sich das Leben nach individuellen Bedürfnissen kopieren, daß schließlich alle lachen mußten. Nun lachte >le zu gestalten. Aber merkwürdig, an ein Auseinandergehen dach- nicht mehr, nun graute ihr, und das Grauen wuchs, als beide -ten sie nie; sie hatten sich das Haus in Mödling samt Zier- Damen

in Eifersucht entbrannten und jede die größere Zu- und Gemüsegarten und einem außer der Stadt gelegenen, dazu neigung Roses für sich beanspruchte. Ihrer Versicherung, daß gehörigen Weingarten gemeinsam gekauft, eine hatte so viel sie für beide die gleichen Gefühle hege, wurde kein Glauben Anteil daran wie die andere, und doch war dieses Haus ein geschenkt, und Rose wußte füglich gar nicht mehr, wie sie reden, beständiger Zankapfel für die beiden. Dabei handelte es sich wie sie schauen, wie sie sich benehmen

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Sonntagsblatt/Illustriertes Sonntagsblatt
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Page 1 of 8
Date: 15.04.1910
Physical description: 8
Nerlagsanstalt Minerva A.-G. in Zürich und Würzburg. Nr. 15 SraUsbellage zum „pusterthaler vote«. IS10 Zwischen Wolke und 5taud. eriählung von Ih. vohrn. I.Mapitel. eit Rose Marschal in der Physikstunde gelernt hatte, ^ ^in Pendel sei ein um einen unbeweglichen Punkt zwi schen zwei Polen frei hin- und zurückschwingender, fester Körper, kam sie sich vor wie ein Pendel. Die beiden Pole waren Tante Annette und Tante Jean- nette oder Tapte Ann ^und Tante Jean, wie sie allgemein genannt wurden

, und der unbewegliche Punkt war das Haus der beiden. Rose hatte früh ihre Eltern verloren, kaum vierzehnjährig war sie eine Waise, und ihr Vormund, ein Vetter ihrer Mutter, der den größten Teil des Jahres auf Reisen verbrachte, bestimmte das Haus der beiden Tanten, Schwestern von Rosas Vater, als den ferneren Aufenthaltsort des Mädchens. Zu seiner Entschuldigung sei's gesagt, er kannte die beiden nicht mehr jungen, unverheirateten Damen nur wenig, hatte sie einige Male in Gesellschaft und bei Roses Eltern getroffen

, und da er, die Sache sehr leicht nehmend, den Schluß Zog, die Schwestern eines so treff lichen Mannes, wie Roses Vater war, müßten ebenfalls trefflich sein, gab er sein Mündel in deren Ob hut und reiste seelenruhig und ver gnügt rvieder von dannen; Rose aber war in eine neue Welt ver setzt und konnte sich darin nicht zurecht finden. Im Hause ihrer Eltern war alles so klar, so über einstimmend — ein Wort, ein Blick genügte, und man verstand sich, man wußte Bescheid im Her fen, in den Gedanken

eme unbekannte Größe, Unvermeidliches wird, mit ruhiger Würde getragen, Ernstes und Schmerzliches durch gegenseitige Teilnahme erleichtert, und die Freude durch gemeinsamen Genuß doppelt schön empfunden. - ! Rose war ein verständiges, auf gewecktes Kind und hatte bei der gediegenen Lebensführung und., vollständigen Übereinstimmung der Eltern bisher nichts von der Schattenseite des Lebens kennen gelernt,/.ihr war das Leben ein einziger Frühlingstag und die klei nen Leiden darin ein rasch vorüber

fand das in Ordnung. Sie blieben so lange in der Haupt- und Residenzstadt, bis das Begräbnis und die Testa mentseröffnung vorüber war, dann zogen sie sich wieder in ihr in der kleinen, waldumschlungenen Stadt Mödling befindliches, eine Stunde Bahnfahrt von Wien entferntes Besitztum zurück und nahmen Rose mit sich. Der Verblichene hatte laut Testament seinen Freund, Notar Dr. Raumund, mit der Ordnung der Verlassenschaftsangelegenhei ten betraut und den Verwandten seiner Frau, Herrn Peter Petrus

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Sonntagsblatt/Illustriertes Sonntagsblatt
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Page 15 of 414
Date: 29.12.1911
Physical description: 414
. Friede fühlte, daß seine Augen unausgesetzt auf hr ruhten, daß er gerne irgend etwas sagen wollte, das ihm chwer über die Lippen kam. Sie fühlte auch, daß ganz sachte eine warme, schlanke Hand sich auf die ihre legte, aber sie nuhte eben ein wenig schärfer nach Rose hinsehen, und darüber 'ergaß sie, daß sie dre Hand hatte wegziehen wollen. „Hin!' Dr. Heinrich Leuthold räusperte sich. „Weißt du s noch, Friede!? Du bist mir noch immer die Antwort schuldig !uf eine Frage, die ich einmal — es sind just

', sagte er, „nicht lügen, Friede!!' Da sah sie ihn an, groß und offen. „Ich kann mich noch wohl besinnen, Heinrich. So was vergißt man nicht. Aber ich Hab' mir gedacht, um so etwas zu erfahren, frägt man am besten mündlich an. Man muß ja doch das Mädchen erst wieder einmal gesehen haben, was?' „Richtig! Doch nun habe ich es gesehen. Und nun bitte ich um Antwort,' warf er ein; es lag plötzlich eine Leidenschaft in seiner Stimme, die sie noch nie wahrgenommen hatte. Sie wurde ganz verwirrt. „Aber Rose

Ihr nicht?' rief er, „soeben habe ich's sogar wieder einmal versucht.' Es kam über die Beiden, sie wußten nicht wie. Eine Se kunde später tanzten sie dahin, getragen von den fröhlichen Walzerklängen. Sie tanzten, und dabei sahen sie sich tief, tief in die Augen. Und da war es, als ob sie wieder ganz so würden wie einst, so jung, so frisch, so lebensfroh. „Nun, Heinrich, ich denke, das Tanzen war dir so gräßlich?' fragte Rose, als die Anderen endlich aufhörten. „Es kommt darauf an,' sagte Dr. Leuthold

tiefsinnig, „mit wem man tanzt.' Rose hatte es nicht gehört, und das war sein Glück. Beim Heimkommen küßte die Kleine ihre Schwester. „Herrlich war's, Friede!! Ach, es gibt nichts Schöneres, als so ein erster Ball!' Friede lächelte glücklich: „Mir war mein letzter lieber!' W lUllH SV LHI>H Buntes Allerlei OSO größte Strom der Erde. Der Amazonenstrom in Südamerika ist weitaus der größte Wasserlauf der Erde und nach Professor Agazzis — an seiner Mündung eine reite von 267 Kilometer. Die Entfernung

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Sonntagsblatt/Illustriertes Sonntagsblatt
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Page 1 of 8
Date: 10.06.1910
Physical description: 8
.» „Hm, so, auf was denn? Glaubst du, daß wir, ich und Mo, gegen deinen Willen etwas ausrichten können? Ich glaub's nicht.' »Aber, Onkel Peter!' ,Tu doch nicht so erstaunt, neue Heuchlerin, und sag' nur lieber den Grund, wes halb du so Hals über Kopf Mpaätest und aus dem Hause flohest.' >.^ah das aus wie eine flucht?' fragte Rose bestürzt, und eine leichte Röte überzog Wangen. ^in Herz, das sah s-Ä. so aus, es war tat- nu? ^ merkte es sofort, niM merkte natürlich 'cht-, der Träumer.« und'2? Onkel, du irrst

, nur jetzt keine Ra- qelten !' .^ije ich nicht u mir lies einfach, was dich fört- oenn mir du's Kelten, sage mir lieber offen und einfach, was dich fon trieb; denn mir wirst dus voch nicht weißmachen wollen, oaß du aus purer Liebe zu Tante Ann dich so rasch ent- lchlossen, in das einst so ver haßte Haus zu gehen!' Rose schwieg. . »Siehst du, dein Schwel gen verrät dich, lügen kannst nicht und — kurz und ohne umschweif — ich will dir das Kenntnis ersparen und dir Grund, den ick au mM?« sagen.' Äos-. fachte ^ Ichwieg

^ ich zu wissen eine Pause, Leckermäulchen. Nach dem Gemälde von C- von Bergen. kein passender Aufenthalt für 'dich sei, sintemalen ich und mein Bruder noch keine Greise sind, verdrossen, und da Tante Ann alle Register aufzog und auch nebenbei dein Herz rührte, er griffst du die Gelegenheit, um aus dem unpassenden Aufent haltsort fortzukommen — ist's nicht so, Rose?' Jetzt schlug sie die Augen voll zu ihm auf. »Ja, Onkel, es ist so, genau so — da du's erraten hast, will ich auch nicht leugnen, bin aber recht

froh, dir sagen zu können, daß dies alles nicht mehr von Belang ist, denn ich habe die Sache überwun den und bin mit mir selbst völlig im reinen^ Jeden Tag, den oü wünschest, komme ich mit den Kindern nach Hause.' „Das ist schön und gut gesprochen, Rose, aber ich mache dich aufmerksam darauf, daß du ähnliche Bemerkungen öfter wirst zu hören kriegen, von wohlmeinenden, zartfüh lenden Freunden und Bekann ten, und wenn dich's bei Ann schon so aus. dem Häuschen brachte, wie wird's dich erst

ich, ist die Angelegenheit ge ordnet.' Onkel Peters Mienen hat ten sich völlig aufgehellt, er sah Rose mit unverhohlener Bewunderung an.

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