die Visitenkarte, auf derselben war mit feinen Zügen der Name „Kammergertchtsasfiffor Werder" eingravirt, darunter standen mit Bleistift ge schrieben die Worte: „wünscht im Interesse seines Freundes Ernst Bertram dringend, Fräulein Doris Meitner zu sprechen." „Führe ihn herein, Anna, geschwind! Was säumst Du so lange." rief Doris ungeduldig. Sie eilte dem Affeffor, den sie sogleich als den Herrn, den sie am Vormittage in Ernst's Begleitung gesehen hatte, erkannte, entgegen: „Sie kommen von Ernst? Ernst schickt
Sie zu mir, Herr Affeffor? Wie glücklich ich bin!" — „Nein, Fräulein Meitner, Ernst Bertram schockt mich nicht zu Ihnen, ja, um Ihnen gleich ehrlich die Wahrheit zu sagen, er weiß nicht einmal etwas von diesem Besuche, den cr, wenn er ihu erführe, kaum billigen würde!" DaS war eine trübselige, abkühlende Nachricht. Doris war so glücklich in dem Gedanken gewesen, Ernst sende ihr seinen Freund, daß sie in Thränen ausbrach, als sie sich enttäuscht sah; aber sie sfaßte sich schnell, war sie doch als Schauspielerin
daran ge wöhnt, ihre Gefühle zu beherrschen, eine Andere zu scheinen, als zu sein. „Sie sind mir als Ernst's Freund auch trotzdem willkommen." sagte sie mit einfacher, freundlicher Höf lichkeit. „Nehmen Sie Platz. Herr Assessor, und er- zählen Sie mir, was mir die Ehre Ihres Besuche- verschafft. Auf Ihrer Karte haben Sie mir geschrie ben, daß Sie im Jntereffe Ihres Freundes kamen. Nehmen Sie, ehe Sie sprechen, die Versicherung von mir an, daß, wenn ich irgend etwas für das Glstck Ernst Bertrams thun
kann, kein Opfer für wich zu schwer sein wird. „Ich rechne auf Ihr Versprechen. Fräulein, ob gleich vielleicht deffen Erfüllung für Sie schwerer werden wird, als Sie jetzt glauben," erwiderte der Affeffor ernst. „Spannen Sie meine Ungeduld nicht auf die Fol ter, Herr Asseffor. Sie haben sicherlich zu diesem Besuche einen sehr triftigen Grund. Erklären Sie mir das Räthsel; ich bitte Sie darum recht von gan zem Herzen." Der Affeffor war in einiger Verlegenheit. Er kannte Doris Mettner, die gefeierte
Schauspielerin, seit langer Zeit, wenn auch nicht persönlich, doch durch ihren Ruf; er hatte manche Züge großer Gutmüthig- keit und Herzlichkeit von ihr erzählen hören. Daß sie leichtfertig war, wie so manche andere Schauspie- lerin auch, daß sie in ungezügelter Lust daS Leben genoß, war kein Gehetmniß in Berlin und am wenig- sten für Werder, der ja von Ernst Aufschluß über dessen früheres Verhältniff zu dem frönen Mädchen hatte; — trotzdem glaubte er, daß Doris zu Ernst eine tiefere Neigung gehabt