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Der Burggräfler
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Page 9 of 12
Date: 26.08.1896
Physical description: 12
hinter Euklid und Elsbeth geschloffen hatte, zögerten diese einen Augenblick, als fürchteten sie den Anblick, der sich ihnen auf dem Sterbelager bieten werde. David lag so regungslos da mit geschloffenen Augen, das Gesicht war so bleich, die Wangen so eingesunken, daß Euklid und Elsbeth meinten, der Tod habe sein Werk schon gethan. Sie faßten sich schweigend bei der Hand und wagten erst kaum, sich zu rühren. Als dann aber Elsbeth leise hinzutrat und zitternd ihre warme Hand auf die abgemagerten Finger

seiner linken Hand legte, welche ausgestreckt auf der dunkelfarbigen Decke ruhte, sah er plötzlich in ihr Gesicht. Sein Auge war matt und glanzlos, aber es verkündigte der Schwester doch ohne Wort seine ganze Liebe und seinen ganzen Schmerz. „David!' rief Elsbeth und sank neben der Pritsche auf die Kniee. „David sprich zu mir!' flehte sie, ihr Gesicht neben das feine in die Kiffen drückend. „Kleine Elsbeth,' hauchte er schwach, dann aufblickend, fügte er hinzu: „und Euklid.' Er wollte sichtlich zeigen

, daß er die Besucher erkenne und sich über ihr Kommen freue. „O lieber David!' grüßte Euklid und blickte mit unaussprechlichem Mitleid zu ihm nieder. So beruhigend wie dies eine Wort des alten Mannes - 277 — Schreiben. Diesmal kam dasselbe nicht von Elsbeth. Er las: „Lieber David! Ich bin nun Matrose und habe guten Lohn. 3sn 20 Pfund (400 M.) hab' ich mir bereits er spart. Herr Dudley sagt, wenn ich im Unterricht vollends vorwärts komme, werde ich bald Steuermann werden. Und somit hab' ich die Elsbeth gefragt

, ob sie meine Frau wer den wolle. O, David! O, David! Ich kann es keinem Menschen sagen, wie gern ich die Elsbeth habe. Wenn ich auf See bin, denk' ich Tag und Nacht an sie, und wenn ich hier bin, mein' ich, ich müßt' jeden Augenblick bei ihr sein. Sie gibt mir aber keine rechte Antwort und sagt immer: „Ich bin schon vergeben; ich gehör' dem David — der hat niemand außer mir.' Hütte sie statt dessen gesagt, sie könne keine Liebe zu mir fühlen, so würde ich dir gar nicht geschrieben haben.' Ich bitte

; ich könnte das nicht, ohne mich selber zu beschimpfen. Ich hoff' also, daß du mir nicht im Wege stehen wirst, lieber, alter David; ich verspreche dir hiermit, der Elsbeth ein guter Ehemann und dir ein guter Schwager zu sein; ihr sollt Beide nicht zu klagen haben. 69

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Der Burggräfler
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Page 10 of 14
Date: 17.06.1896
Physical description: 14
. Aussicht auf bedeutenden Umsatz mit nur la. Kunden. ' Lager und Wohnräume ev. dortselbst. Näheres in der Admin d- Bl 6. Jandl’s Pianoforte-Leihanstalt, Berglauben 62. - 242 — Stille, „du mußt mit mir nach Hause gehen.' Sie brachte den Satz kaum zu Ende, so bebte ihre Stimme. „Nein,' antwortete David grämlich ; „ich will dir nicht schaden, kleine Els'. Es geht dir gut, wie ich sehe, und ich möchte dir nicht in die Quere laufen. Ich bin froh, daß ich dich noch einmal wiedergesehen habe so ganz ungesucht

gegen mich, manchmal aber auch sehr wild. ElSbeth,' hier dämpfte er seine Stimme zum Geflüster — „ich bin den letzten Winter wieder im Gefängnis gewesen.' „O David, David!' wehklagte ElSbeth; „'s ist so schlimm nicht. Ein anderes Asyl ist mir nicht übrig ge blieben, außer dem Arbeitshaus; und da ziehe ich das Gefängnis doch vor. Du siehst: beieinander können wir nicht mehr sein, oder ich wär' dein Unglück. Sag mir nicht, wo du wohnst; es könnte mir dann und wann einfallen, zu dir zu kommen — dir würde das schaden

und mir nicht viel nützen.' „O, wenn nur gerade jetzt der Herr Dudley daher käme!' seufzte ElSbeth. „Wer ist das, dieser Herr Dudley?' fragte David. „Ein guter Herr, der ganz gewiß ausfindig machen würde, wo du ehrlich dein Brod verdienen könntest,' antwortete sie. „Gewiß würde er das! Und es könnte immer noch ein rechtschaffener Mann aus dir werden, wie dein Vater war.' — 243 — „Ein rechtschaffener Mann, wie der Vater,' wiederholte David, dabei der Worte der Mutter gedenkend, welche sie so oft und noch am letzten Tage

?! Der Blakett sagt, sie sei buchstäblich verhungert, und damit wird er wohl recht haben. Weil ich sie mit meinem Betteln vor diesem Schicksal bewahren wollte, bin ich in'S Gefängnis gekommen; gut: ich weiß jetzt, wohin ich gehöre.' . . . . „O David, David!' weinte ElSbeth. „Leb' wohl, kleine Els',' fuhr David mit trauriger Stimme fort. „Das beste für uns Beide ist, wenn wir Ab schied von einander nehmen für immer. Wenn der Blakett dich jetzt sähe, wie groß und hübsch du geworden bist! Nein, nein, ElSbeth

; geh' du deinen Weg weiter und ich geh' den meinen. So, nun leb' wohl, ElSbeth!' „Was soll ich machen?' schluchzte ElSbeth, während ihr die hellen Thränen die Wangen herunterliefen. „O David, ich kann dich nicht von mir lassen' — sie preßte seinen Arm zwischen beide Hände — „und darf dich doch nicht mit mir nach Hause nehmen. Was soll ich machen, was soll ich thun?' „Siehst du,' versetzte David, „daß wir für immer geschieden sind? Du selbst räumst ja ein, daß nicht Staat vor anderen Leuten

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Der Burggräfler
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Page 10 of 12
Date: 02.09.1896
Physical description: 12
. Ein kleines 956 Anwesen mit Grundstücken, in der Nähe Meran's, wird zu kaufen gesucht. Offerten zu richten an die Administration d. Bl. P artvrvllvl (Trauer-Anzeigen) fertigt schnellstens C. Jandl’s Buclidr. — 232 — wie der Roger,' murmelte er, „es hätt' wohl ein recht schaffener Mann aus mir werden können; jetzt aber ist Alles vorbei.' „Der liebe Gott weiß, daß du nicht schuld hast an deinem Verderben,' schluchzte ElSbeth. „Und Gott wird dir vergeben, David,' nahm Euklid das Wort. „Hat nicht der Erlöser

bei seiner Kreuzigung dem reuigen Missethäter ver ziehen, der zu seiner Rechten hing? Du bist nicht ferner vom. Paradies, als dieser reuige Sünder war, David.' ES war, als ob ein Retter in ihm winkte, so leuchtete es bei diesen Worten hoffnungsvoll in Davids Blick; er drückte die Hand der ElSbeth fester mit seinen zitternden Fingern. Euklid ge wahrte mit Freuden den günstigen Eindruck seines Zuredens, und so nahm er all' seine geistige Kraft zusammen, um daS begonnene Werk zu einem guten Ende zu führen. Thränen

rollten da dem alten Euklid die Wangen herab, als er ge wahrte, wie David mit durstendem Blicke ihm jedes seiner Trostesworte vom Munde entgegennahm. David machte den Versuch zu sprechen, aber die Zunge wollte ihm versagen. „O, daß dem so wäre. wir ihr sagt, Euklid!' — dies war Alles, was er stammelnd hervorbrachte. „Es ist gewiß so, David,' rief ElSbeth mit Innigkeit. „So wahr ich dich liebe, so wahr liebt dich der Herr und er wird dich nicht ewig zugrunde gehen lassen!' . In diesem Augenblicke

klopfte der Wächter von draußen an die Thür und rief dann durch das Guckfensterchen herein: die den Besuchern zugestandene Frist sei nahezu abgelaufen; sie hätten nur noch wenige Minuten z ur Verabschiedung. ElSbeth legte ihr anmuthigeS Gesichtchen neben die von kaltem Schweiß bedeckte Stirn des sterbenden Bruders und — 283 — ihre zarte Hand auf dessen bleiche Wange. Zu sage» hatte sie nichts mehr, und die letzten Augenblicke verflogen schnell. „Leb' wohl! David,' schluchzte der alte Euklid

, ihm .die Hand segnend aus'S Haupt legend. „Gott schenk' dir seine Gnade!' „Lebt wohl!' hauchte David schwach. „ES war mein Wille nicht, daß ich zum Dieb geworden bin ... . Leb' wohl, kleine, gute ElSbeth!' ES war ein langer, heißer Kuß, mit dem die Schwester von dem Bruder Abschied nahm. Dann mußten sie die Zelle verlassen; schnellen Schrittes gingen sie hinaus. Der Abend rückte langsam vor; in David» Zelle begann es zu dunkeln. Der Wärter trat herein, um das Gaslicht anzuzünden, aber David bat

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Der Burggräfler
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Page 10 of 12
Date: 05.08.1896
Physical description: 12
bei der dortigen Kirchen- Vorstchung auf. Anfragen sind ebendorrhin bis Anfangs Sep tember zu richten. 868 Die Kirchen-Borftehrmg St. Martin im Kofel. Pianinos bei C. Aandl. — 266 — vernahm, ergriff die Flucht und stand im Nu auf der Treppe. Elsbeth war bereits im Hause angelangt und hatte den auf der Treppe stehenden David festgehalten. r „Schnell, schnell I' rief sie ihnen zu. „Ich hab' ihn. Schnell, sonst reißt er sich loö!' Ihre Stimme war schrill und kreischend; David erkannte sie aber doch; eS war Els

beth, welche ihn mit den Kräften der Verzweiflung umklam mert hielt. Dem Tone ihrer Stimme gegenüber fühlte er sich völlig ohnmächtig. Die kleine ElS', die er so geliebt hatte, auf die er stolz gewesen, die eigene Schwester sollte ihn der Polizei überliefern! „Elsbeth', stöhnte er, „ich bin'S, der David'. Unter einem wilden Schreckensschrei fielen die Arme des Mädchens von den Schultern des Diebes herunter, dann sank eS selber zu Boden, vor David'S Füße, wie von einem tödtlichen Streiche getroffen

. Aber wenn David auch noch fliehen gewollt hätte — jetzt war's zu spät; der zu vörderst eingetretene Polizist ergriff ihn bereits am Arme und umklammerte denselben so fest, als säße er in einem Schraubstock. „Wenn ihr einen Mord verhüten wollt, dann eilt schnell die Treppe hinauf!' rief David den Schutzleuten zu. „Ihr braucht mich ja nicht loSzulaffen, aber, um Gottes Willen, verliert keinen Augenblick!' Kamen sie schon zur rechten Zeit, oder schon zu spät? . . . Euklid lag regungslos auf. dem Boden

, das verwirrte Gesicht und die grauen Haare mit Blut befleckt. Frau Linnet kniete neben ihm; sie rief ihm zu, er möge einen Laut von sich geben, zum Zeichen, daß er noch lebe, oder nur die Augen aufschlagen. DaS Fenster stand offen und wie- auf den Weg hin, den der Mörder genommen hatte. Der eine von den zwei Poli- 267 — zeileuten machte sich sofort auf die Suche nach ihm. Der zweite, welcher David nicht loslaffen durfte, sah zu, wie Frau Linnet 'sich vergeblich abmühte, den Verwundeten vom Boden aufzuheben

und wieder in sein Bett zurückzubringen. DaS ganze Zimmer in seiner völligen Unordnung ließ er kennen, wie heftig der Kampf gewesen war, der hier aus- gefochten wurde. „Ich bin David Fell', sagte der Verhaftete mit kläg licher Stimme. „Ich hab' nicht gewußt, daß es der alte Euklid sei, den wir bestehlen sollten. Ich hülle mir lieber die rechte Hand abgehauen, als das gethan. Legt mir die Füße zusammen, ich will still halten; nur seht zu, ob der alte Mann noch am Leben oder schon todt ist!' „Nein, Bürschchen, ich muß

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Der Burggräfler
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Page 9 of 12
Date: 25.09.1895
Physical description: 12
verschiedene Tugenderr und gute Lehren einzusenken. So spricht sie über den Werth der - 112 - sei seine Mutter längst todt und begraben. Aber trotz alledem — zwei Worte tönten ihm unablässig in den Ohren: das Abschiedsmort der Mutter „Gott geb' dir seinen Segen, David!' und das Urtheil des Richters: „Ich werde dich 3 Monate in's Gefängnis schicken.' Sein brütendes Hirn halte für nichts Anderes Raum. Es war, als ob ein un sichtbarer llnhold ihn äffe mit diesen Sätzen und sie ihm fortwährend in's Ohr schreie

, einen nach dem andern: „Gott geb' dir seinen Segen, David!' . . . „Ich werde dich drei Monate i»'s Gefängnis schicken.' 0 o. Der verpfändete Trauring. Unzweifelhaft wäre es in der Ordnung gewesen, Frau Fell von der Schuldigerklärung ihres Sohnes und seiner Verurtheiluug zu drei Monaten Gefängnis in amtlicher Weise zu benachrichtigen; aber entweder ist dieses offizielle Schriftstück irrihümlich der Mutter des vor Gericht ge- uaunteu Johann Fell zugestellt worden oder es ist auf dem Wege durch die Post verloren gegangen

— die Mutter Davids blieb ohne jede Kunde davon. Schon die paar Tage bis zu dem für die Rückkehr bestimmten Samstag waren ihr und Elsbeth lang genug geworden. Die arme Frau war für ihre Kinder immer be sorgter gewesen, als ihre Nachbarn für die ihrigen waren; sie würde z. B. die ElSbelh nie auf der Straße gelassen haben, wenn David nicht in der Nähe war zu deren Schutz und Ueberwachung. Das Mädchen war hochgewachsen und von hübschen Zügen; selbst die Spuren des Mangels - tmj - Gefangene wurden

vor ihm aus der Wachtstube aufgerufen, um sich verurtheilen zu hören; es dauerte lange, bis auch sein Name ihm in's Ohr schallte. Endlich war der gesürch- tetc Moment da und David fand sich — sein verwirrter Kopf wußte kaum, daß seine Füße ihn hingetragen hatte» — in einem großen Raum stehend, ein Polizist zu feiner Seite. Ein alter Herr, den er Tags zuvor um eine Gabe angesprochen hatte, brachte die Anklage gegen ihn vor und und fügte zu: „Der Knabe sei, wie er wahrgenommen, ein gewohnheitsmäßiger Straßenbettler

.' David hörte diese An klage durch das Summen in seinen Ohren hindurch, ebenso die Bezeugung dieser Thatsache seitens des Sergeanten, der ihn festgenomme» hatte und sich jetzt auf der Zeugenbank befand. „Hast du »och etwas zu deinen Gunsten vorzu bringen?' ertönte eine Stimme hinter dem Tische her, vor welchem er stand. David erhob das trüb: Auge zu dem Polizeirichter, seine Lippen zuckten einigemal, aber eS wurde keine Antwort laut. „Hast du gehört, messen du angeklagt worden bist?' fragte

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Der Burggräfler
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Page 10 of 12
Date: 10.06.1896
Physical description: 12
Singstimnien nebst franco Zusendung fl. 1. Der Reinertrag wird zum Baue einer neuen Orgel verwendet. Zu beziehen vonl Selbstverlag des Pfarramtes St. Jacob, Defereggen- - 838 — Jetzt brach David plötzlich in einen lauten Schrei aus, der fast wie ein Fluch klang. Warum hatten sie ihn nicht auch in die Schule geschickt, anstatt in'S Gefängnis? Und er war frei von jeder unehrlichen That, wie Roger sie doch begangen hatte! Er in'S Gefängnis und jener in die Schule! Heiße Thränen stürzten

, geb ich dich für meinen Sohn aus und bezahl's Nachtquartier für dich. Ich bring'S nicht über'S Herz, daß der Junge von einer langjährigen Nachbarin in der Straße obdachlos liegen soll. Komm mit, David! Hier hast du ja doch keinen Freund mehr, und daß ich dich zum Stehlen verleiten werde, brauchst du nicht zu fürchten, du sollst dein Brod ehrlich verdienen, wenn es sich irgend machen läßt. Wenn du ein so nichtsnutziger Taugenichts wärest, wie der Roger, würde ich dich deinem Schicksal überlassen

. Aber wenn sich Arbeit für dich findet, kann'S dir am Käs' zu deinem Brod gar nicht fehlen. Komm. wir gehen in die nächste Kneipe etwas zu Nacht esien und dann brechen wir auf die andere Seite.' «Ich gehe mit.' versetzte David entschlossen; vor der Aussicht auf Speise wichen alle seine Bedenken zurück. Jetzt erst fühlte er, wie hungrig er war. Und dabei die Erinner ung, daß er kein Geld im Besitze hatte! Blakett war mit dem Manne, der seine Wohnung nach ihm beziehen sollte. - 239 - bereits handeleinS; er gab David

einen Pack Kleider unter den Arm, nahm selbst seinen Glaserkasten auf den Rücken und so machten sich beide auf die Wanderung nach dem jenseitigen Ufer der Themse, wo Blakett der Polizei von Person noch unbekannt war. David folgte ihm als dem einzigen Menschen, der sich ihm noch freundlich zeigte. Finden und scheiden — sehen und meiden. Blakett hielt sein Wort buchstäblich; er hinderte David in keiner Weise, sich nach einer Arbeit umzuschauen, durch welche er sich ehrlich hätte ernähren

können. Er rechnete mit Sicherheit auf die Erfolglosigkeit aller dieser Schritte und lachte höhnisch, wenn David einen Morgen nach dem andern sich zu dieser ergebnislosen Suche frisch auf den Weg machte. Dieser täglich ihn auf'S Neue treffende Spott bewirkte, daß er vom Hoffen uvd Suchen früher abließ, als er dies sonst wohl gethan haben würde. Sein Mißtrauen und seine heim lich? Furcht vor Blakett konnten durch dessen Verhalten nur Zuwachs erhalten, aber was wollte er machen — Blakett war der einzige

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Der Burggräfler
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Page 9 of 12
Date: 16.10.1895
Physical description: 12
^ :c. sind so vollständig und verläßlich, daß die Anschauung ir gend eines anderen Haus- und Nachschlagebuches nahezu entbehrlich wird. Der jedem Katholiken und jeder christ lichen Familie wärmstens zu empfehlende Glücksradka lender ist direkt durch die Verlagshandlung, sowie durch alle Buchhandlungen und Kalenderverschleiße zu be ziehen. - 120 - Schwefelbrunnen gehört, weil er stiehlt und seine Kinder zum Stehlen und Betteln zwingt, den kann Gott nicht lieben. Die Leute sagen ja: auch David sei jetzt auf dem Bettel

! Daß Gott die reichen Leute liebt, das läßt sich schon annehmen, denn das sieht man; aber um die Armen kümmert er sich nicht mehr, als um einen Strohhalm.' „Ich kann'S dir nicht deutlicher erklären, Roger; aber mir gibt's immer Trost, daran zu glauben. Und mein David wird niemals ein Dieb werden, Roger, niemals! Wenn die Leute auch davon reden, er habe sich nun auf's Betteln verlegt. — Schlimmeres werden sie nie von ihm zu sagen haben. Aber wenn er doch nur wieder hier wäre!' Bis lange nach Mitternacht

blieben Elsbeth und die Mutter harrend sitzen. Sämmtliche Bewohner des zahlreich bevölkerten MiethhauseS hatten ihre Schlupfwinkel aufgesucht und sich niedergestreckt, so daß kein Geräusch mehr laut wurde, von welchem das Echo eines nahenden Schrittes auf der Straße hätte ver schlungen werden können — von David immer noch nicht das leiseste Zeichen. Und nun verging Tag um Tag in steigender Angst und wachsendem Weh. Die leiblichen Peinen der Krankheit fühlte die arme Mutter kaum mehr, unter der Sorge

, was aus ihrem Kinde geworden. An jedem neuen Morgen schleppte sie sich durch die benachbarten Straßen umher, Jeden um Auskunft bittend, von dem sie wußte, daß er David gekannt hatte. Wenn dann die Füße sie nicht mehr weiter tragen wollten, stand sie noch stunden lang wider die Straßenecke gelehnt und ließ das forschende Auge durch die ewig wechselnde Menge der Vorübergehen den schweifen — Alles umsonst! Endlich erschöpfte sich so — 117 — ich sei ein feiger, fauler Hund. Nun will er uns übrigens auch noch an's

Stehlen bringen, und er wird mich quälen so lange, bis ich ihm den Willen thu'. Diesen Abend war ich hart daran, es zum erstenmale zu riökiren.' „Thu'S nicht!' rief Elsbeth, „nur das nicht! Wenn ich an deiner Stelle wär', ich ließ es beim Betteln. Den David könnt einer umbringen, er brächt ihn nicht zum Stehlen; der sagt: er wolle ehrlich bleiben wie die Mutter auch, wie der Vater gewesen.' „Dafür werdet ihr auch von meinem Vater aus gelacht, als verrücktes Volk. Mir sagt er, wenn ich mich dagegen

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Der Burggräfler
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Page 9 of 12
Date: 12.08.1896
Physical description: 12
. durch das Bezirksg. Brixen. Bei diesen Berst. haben Hyp.-Gl. anzumelden. - 272 — an gekannt, und an ihm selber hat eS nicht gelegen, wenn nicht ein rechtschaffener Mann aus ihm geworden ist. Nach dem er aber einmal im Gefängnis geseffen, war'S mit dieser Möglichkeit vorbei; aber er ist ein Kind von guter Art ge wesen, von seiner braven Mutter her.' Die Erwähnung von seiner Mutter machte wieder einen erschütternden Eindruck auf David; sein Gesicht wurde leichen blaß und seine Lippen zuckten. ES war ihm, als höre

und nichts wußte von seiner Schuld und seiner Schande! Nachdem Euklid aus der Zeugenbank herausgetreten war, beachtete David kaum mehr, was um ihn her vorging; sein Kopf schwirrte ihm von allerhand Eindrücke», von denen keiner haftete. Er hörte wohl, daß bald dieser auf stand und redete, bald jener; der eine nur wenige Minuten, der andere länger; aber er begriff von Allem nichtS; eS war, als würde er in fremden Zungen^ verhandelt. Seine früheren Berurtheilungen waren doch so summarisch und so schnell abgemacht

— wozu jetzt so viel Umstände und so viel verwickeltes Hin- und Herverhandeln. Inmitten seiner Gedankenflucht traf noch einmal der Name seiner Mutter - 269 — Elsbeth wollte von Euklid'S Lager nicht weichen und drang darauf, daß Frau Linnet sich die nöchige Ruhe göune. Es verrann ihr Stunde auf Stunde schlaflos in einer Art von Betäubung von lauter Sorge. Konnte er denn wahr sein, daß David sich einer solchen grauenhaften, verruchten That: der tödtlichen Mißhandlung eines ihm so wohlgesinnten Mannes

, noch dazu einer wehrlosen Greises, schuldig machte? Und wenn nun Euklid wirklich starb, so war David, ihr Bruder ein Mörder! Welche Strafe mußte ihn dann treffen!? So oft sie auch die Folgenreihe von bösen Gedanken ab wehrte, sie kamen immer wieder. „Elsbeth,' lispelte da auf einmal eine schwache, kaum vernehmbare Stimme neben ihr in dem todtenstillen Zimmer. „Elsbeth, es ist unser David gewesen.' „Ja, ich weiß; leider!' versetzte sie, sich zu Euklid'S Ohr herabneigend. Die Worte: „Es ist unser David

gewesen,' waren ihr mit Schwertesschärfe durch das schwesterliche Herz gegangen. „Er hat sich wacker für mich gegen Blakett gewehrt,' fuhr Euklid fort. „Ihm hab' ich's zu danken, daß ich noch lebe; der Blakett würde mich ermordet haben.' Mit einem lauten Schrei, der aber ein Freudenschrei war, sank Elsbeth neben dem Bette in die Kniee. Gott sei Dank! David war also doch nicht so schlimm, als er ihr erschienen. Er war nicht fein Wille, was Blakett verübt und er hatte seine Hand nicht dazu geliehen, er auszuführen

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Der Burggräfler
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Page 10 of 14
Date: 29.01.1896
Physical description: 14
am Leben, denn sie hatte ihren Jungen, da« treue Abbild ihres seligen Gatten wieder daheim! Verwaist. Elsbeth war am andern Morgen so zeitig auf wie gewöhnlich. David würde sie gerne begleitet haben, aber er fürchtete die Begegnung mit Euklid. Er hätte am liebsten sich vor gar niemand von der Nachbarschaft sehen lassen mögen, bis sein Kopfhaar wieder die gewöhnliche Länge ge habt hätte. Er verließ am ganzen Tag daS Zimmer nicht, sprach dann und wann ein paar Worte mit der Mutter, saß aber die meiste

Zeit schweigsam da, den Kopf sinnend in die Hände gestützt. Eine Stunde schien ihm so lang, wie sonst ein ganzer Tag. Hunger und Kälte hatte er sonst mit Mannesmuth ertragen, und sie auf's Neue zu ertragen fühlte er sich auch jetzt stark genug; aber das auf ihm lastende Gefühl der Schande drückte ihn zu Boden. Endlich brach der Abend herein und Elsbeth ging zum zweitenmale, den Ring vom Pfandleiher zurückzufordern. David vergaß für einen Augenblick all' sein Leid, in der gespannten Erwartung

, das unschätzbare Kleinod nun in der nächsten Viertelstunde wieder an der Hand der Mutter funkeln zu sehen. Es war ihm, als sei die Hand dann nicht mehr so zusammengeschrumpft, wenn sie das Zierstück — 171 - und Symbol ihrer jungen Tage wieder an sich trage. Es war ein nagelneuer Ring gewesen, als David ihn kaufte — anders würde der stolze, junge Handwerker e« nicht gethan haben — ein dicker massiver Ring von 18karätigem Gold, die feinste Dame hätte sich seiner nicht zu schämen brauchen

. „Da hab' ich ihn, Mutter,' rief Elsbeth schon, als sie, außer Athem gelaufen, in der offenen Thür erschien, das kleine kostbare Packetchen zwischen den Fingern hoch haltend. David zündete die Talgkerze an und hielt sie der Mutter nahe, deren magere, zitternde Finger sich schon hasteten, zu entfalten. Aber was ist da»? . . . ein dünner, zerdrückter Ring kommt zum Vorschein, abgeschliffen zur Dicke eine» Drahte»! Ein Schrei der Enttäuschung und Angst entfuhr der armen Frau. „O, David!' stöhnte sie dann zurücksinkend

, „das ist mein Ring nicht, das ist mein Ring nicht!' Zwei Minuten später stand David kopf los, athemloS, fast außer sich vor Auftegung schon auf dem Pflaster vor dem Hause des Pfandverleihers. Der Besitzer, Herr Quirl, sparte ihm die Mühe einzutreten, denn er be fand sich vor der Thür auf- und abgehend, um die Vorüber gehenden einzuladen, sich seine „wunderschönen Sächelchen' einmal anzusehen; er sei ganz gewiß, daß sie etwa» darunter fänden, was ihnen gefalle, und Aller wunderbillig, - fast geschenkt

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Der Burggräfler
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Page 10 of 12
Date: 25.09.1895
Physical description: 12
in der Exped. des „Burggr.' - 110 - ihn verwundert an. Den Mann hatte er noch nie gesehen. „Ich habe den Angeschuldigten früher einmal bei einem Diebstahl von Eisen erwischt.' „Das ist nicht wahr!' schrie David mit einer durch seinen Schrecken in's Schrille um geschlagenen Stimme. „Ich bin kein Dieb. Mag einer meine Mutter fragen!' „Ruhe!' herrschte der neben David postirte Sergeant ihn an und umkrallte dabei, um seinem Befehl den nöthigen Nachdruck zu geben, kräftig dessen Oberarm

. „Hier wird nicht gesprochen, bis man gestagt wird.' „Er ist von Ew. Gnaden des Diebstahls überführt worden, ein halb Jahr wird's her sein,' fuhr, ohne durch Davids Protest sich beirren zu lassen, der zweite Polizei diener fort. „Er nannte damals Johann Fell und wurde zu 21 Tagen Hast verurtheilt.' „Hast du noch etwas vor zubringen?' fragte der Richter, indem er sich David wieder zuwandte. „Ich war nicht der, von welchem dieser Mann spricht,' wehrte David mit der Heftigkeit ehrlichen Bewußtseins. „Er hält

mich für einen anderen Knaben, als der ich wirklich bin. Ich habe niemals etwas gestohlen; es ist auch das erstemal, daß ich gebettelt habe. Man schicke zu meiner Mutter, die weiß Alles. Was wird aus ihr werden und aus der kleinen Elsbeth?!' schloß David seine Vertheidigung unter Thränen. „An deine Mutter hättest du denken sollen, bevor du schon daS zweitemal gesetzbrüchig geworden bist,' erwiderte der Richter. „Gerade unser Stadtviertel ist am meisten von der Bettlerplage behaftet und dieser Beschwernis muß

Ein- — in — halt gethan werden. Ich schicke dich drei Monate in's Ge fängnis, während welcher Zeit man dich dort ein Handwerk lehren wird, damit du, daraus entlassen, dein Brod auf ehrliche Weise zu verdienen im Stande bist.' Der Richter hatte kaum seinen Spruch geendet, da ward David auch schon aus dem Zimmer geschoben und ein anderer Fall aufgerufen. Die ganze Verhandlung über David hat nicht mehr als vier Minuten Zeit in Anspruch genommen — es war eben ein „überhäufter Tag', wie die Gerichtspraktikanten

sich ausdrückten; in dem betreffenden Distrikte war zu An fang der Woche ein großer Jahrmarkt abgehalten worden und da konnte man mit einem 14jährigen Jungen, der ein gestandenermaßen gebettelt und wohlbezeugterweise schon ein mal gestohlen hatte, nicht viel Umstände machen. Die letzte Thatsache anzuzweifeln, demgemäß also die Wahrhaftigkeit der Ableugnung des Knaben zu untersuchen, fiel niemand auch nur einen Augenblick ein. David aber schien taub ge worden für jeden anderen Laut, der an sein Ohr drang, seit

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Page 10 of 12
Date: 12.08.1896
Physical description: 12
bis zum dritten Tag. bevor Euklid seines Gedächtnisses vollständig mächtig war, und eine gerichtlich gütige Zeugenaussage machen konnte. Blakett und David wurden zur Aburtheilung vor den Zentral- kriminalhos in der alten Valley bei Newgate verwiesen. — Viktoria war inzwischen von PortSmouth eiligst zurück gekommen, um ihrem Vater beizustehen. Der gefürchtete Tag kam endlich heran, an welchem Euklid, Frau Linnet und die beklagenswerthe ElSbeth vor dem hohen Gerichtshöfe zu erscheinen hatten, um gegen Blakett

und David Zeugnis abzulegen. Herr John Dudley hatte einen Anwalt zur Vertheidigung Davids genommen, damit derselbe, was zu seinen Gunsten geltend gemacht wer den könne, vor den Richtern in die Wagschale werfen und so der RechtSspruch über den unglücklichen Jüngling mög lichst mild ausfalle. Ihn ganz frei zu bringen, war freilich nicht die mindeste Hoffnung. Als Elsbeth in die Zeugenbank aufgerufen wurde, da sah sie nur zwei Gesichter bestimmt vor sich, alle übrigen verschwammen vor ihren Augen

nach ihm aus, als möchte sie ihn um armen im Angesichte Aller, in deren Augen er doch als ein so lief Gesunkener dastand. David legte seinen Kopf auf die Schranken, vor denen er stand, und gerieth selber, trotz äußerster Anstrengung, er zurückzuhalten, in krampfhaftes Weinen. Erst als Euklid seinen Eid ablegte, schaute David wieder auf. Euklid schien seit- dem mörderischen Anfall um viele Jahre älter geworden. Das graue Haar war nun schnee weiß, die Wangen und Schläfen so eingefallen, als sei er ein Achtziger

. Er nickte David lächelnd zu in aller Freund lichkeit. WäS den Angriff auf ihn selbst betraf, setzten Euklid- Aussagen David außer alle Schuld; nur Blakett habe ihn thätlich. angegriffen und David dies mit aller Macht ab- . zuwehren gesucht. „David Fell hat keine Hand gegen mich erhoben, Herr Richter,' betheuerte er mit Wärme und Nachdruck. „Er kämpfte für mich uud ich stände jetzt nicht mehr hier ohne seine wackere Hilfe. Jch hab' den Jungen von Kindesbeinen

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Der Burggräfler
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Page 10 of 12
Date: 26.08.1896
Physical description: 12
es nicht bereuen. Bon deinem dich liebenden Freunde, Roger Blakett.' David faß lange Zeit regungslos, den Brief acht los zerknitternd. Zu arbeiten brauchte er ja heute auch nicht, und so hatte er Zeit zum Grübeln, mehr als gut war. Roger Blakett! Wie konnte er sich den scheuen, murr- köpfischen, ausgehungerten Jungen vorstellen, der vom frühen Morgen bis zum späten Abend keinen Augenblick davor sicher war, von seinem Bater in trunkener Wuth todt geschlagen zu werden. Und dieser armselige, schwache, müßig

- gängerrsche, von allen Kameraden geringgeschätzte Junge, der Sohn eines ausgemachten Schurken, der Bruder zweier in ganz London berüchtigten Diebe trat nun vor ihn und warb um seine Schwester! Man hatte ihn von dem Irr wege, auf den sein eigener Bater ihn verlockt, weggenommen und hingethan, -wo er was lernen konnte. Jetzt war er Seemann, auf dem Wege Steuermann, vielleicht gar Kapitän zu werden und dachte daran, zu heiraten! Roger — Kapitän Blakett! David Fell — ein vielbestrafter Züchtling

. Was aber blieb für ihn? .... ein einsames Sterben auf der Gefängnispritsche. Daß das in der That sein Endschicksal sein würde, das fühlte er nur zu bitter, während er RogerS Brief zwischen den 'Fingern zerknitterte. Der Durchgang durch'S Gefängnis zum Grabe war für David kein langer, und er war deffen zufrieden; der Tod konnte ihm nicht zu früh kommen. Am folgenden Tage empfahl ihm der Wärter, in die Krankenzelle überzusiedeln, und David that eS. Der ärztliche Beamte erkannte wohl

, daß er einen Todeskandidaten vor sich habe, aber den Sitz und die Natur des Uebels an zugeben, sah er sich außer Stande. Das Wort „Herzeleid' findet sich nicht in der Krankenliste der Aerzte in den Zuchthäusern. Frei! Roger erhielt auf seinen Brief an David keine Ant wort. Einige Tage später mußte er wieder an Bord. Bald nach seiner Abreise wurde dem alten Euklid und ElSbeth eine amtliche Erlaubnis zugestellt, ihren gefangenen Freund und Bruder zu besuchen. David Fell lag am Sterben und wünschte die Beiden

noch einmal zu sehen. Sie sollten, hieß e» in der Zuschrift, nicht säumen, wenn sie ihn noch am Leben antreffen wollten. David hatte gebeten, in seine Zelle zurückgeführt zu werden. Die Stille -und Einsamkeit sagte seiner Gemüthsstimmung besser zu, als da» Zusammenliegen mit so viel Rohheit und Schurkerei, wie sie sich in dem ge meinsamen Krankensaale fand. Ohne daß er e» verlangt

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Der Burggräfler
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Page 9 of 12
Date: 03.06.1896
Physical description: 12
mit sich selber zu thun, um sich ehrlich durchzubringen, als daß sie sich um die übrigen Leute im Hause bekümmern könne. Sie warf dann dem Jungen die Thür vor der Nase zu und dieser hörte, wie znm llebersluß drinnen auch noch der Riegel vorgeschoben wurde. So konnte David nicht einmal sagen, er habe das elende dunkle Zimmer feiner Mutter wiedergesehen. „Ich werde hinaufgehen und die Viktoria um Be scheid fragen,' sagte sich David. Langsam und geräuschlos stieg er die Treppe hinaus, die er sonst, wie Knaben

, damit sie nicht durch iten Wind in den Angeln auf» und abjage. Aber die-Dach kammer selbst war leer, keine Spur von ihren früheren Be wohnern zurückgeblieben außer den Holzschnitten, welche Viktoria über dem Kamin ausgeklebt hatte. Alles war fort: der zerbrochene Stuhl, das wackelige Eckschränkchen, das Wollenflockenlager auf dem Boden, das schwarze Keffelchen, der gebräunte Theetops. David hockte sich in den Winkel, in welchem sich Vik- torias Bett befunden hatte und legte das Gesicht in die - 235 — Hände

an eine ge schlossene Thür und griff nach der Klinke. Er kannte den dort wohnenden Arbeitsmann. Derselbe saß mit Frau und Kindern beim Abendbrod. Mit dem Rufe: „Wer ist da?' schaute der Mann auf, als David eben den Kopf durch die Thür steckte. «Ich suche meine Mutter,' sagte er mit unsicherer Stimme. „Deine Mutter suchst du? . . . ich weiß besser, was du suchst Spitz bube!' schrie der Mann erbost. „Mach', daß du mir aus den Augen kommst, du Zuchthäusler!' David zog hastig die Thüre wieder zu und rannte die Treppe

hinab, als ob einer hinter ihm her wäre. Als er die Straße erreicht hatte, hörte er aus Blakett'S offenstehen dem Zimmer seinen Namen rufen. Augenblicklich stand er still. Der Ertrinkende greift ja auch nach einem Strohhalm. Vielleicht konnte Roger ihm Auskunft darüber geben, was aus Elsbeth geworden war. „Komm' herein, David Fell!' David erkannte jetzt die Stimme Blaketts. — „Komm' herein! Du bist ja jetzt nichts besseres mehr, als meine Jungen auch sind und brauchst nicht länger vor uns zurück

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Der Burggräfler
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Page 9 of 12
Date: 15.01.1896
Physical description: 12
, kaum etwas zu unterscheiden. Doch nun gewahrte er beim Umsich- blicken die Mutter auf ihrem bloßen Strohsack liegen, ihr todtenbleiches Antlitz mit den eingesunkenen Augen und den ausgemergelten Zügen fest auf ihn gerichtet. Als David in die» Gesicht sah, hatte er die Leidensgeschichte der Mutter in den letzten drei Monaten lebhaft vor sich. Er stand einen Augenblick regungslos. Die Kranke richtete sich im Bette auf und breitete die Arme gegen ihn aus. „O, David! Mein Junge; David!' rief sie. „Komm

Zurückhaltung zugleich. Jetzt vergaß sie ihre Schmerzen in dem Entzücken, den so lange vermißten Liebling noch einmal herzen zu können. Mit den beiden runzeligen, abgemagerten Händen zugleich streichelte sie ihm den geschorenen Kopf und gedachte dabei der flächsernen Locken in Davids Kinderjahren. Sie konnte den Knaben nicht aus den Händen lassen. „Ich hab' gewiß nichts gethan, als für dich gebettelt, Mutter,' schluchzte er zuletzt heraus. „Ich weiß, David; ich weiß,' sagte sie, indem sie sich - 161

du auch heute noch nicht die gebührende Reue zuhaben, sonst schiedest du nicht mit einer Lüge.' „Aber, Herr' . . . „Schweig, Junge, und merk' dir, was ich dir gesagt habe, damit du un» nicht zurückgeschickt wirst auf länger.' Als David das Gefängnisthor hinter sich zufallen hörte und sich wieder auf offener Straße sah, wurde ihm seltsam zu Muthe; es ergriff ihn ein Gefühl, das au- Scheu vor den Menschen und Entzücken sonderbar gemischt war. Die anderen Gefangenen, die gleichzeitig mit ihm ent lassen worden

waren, verschwanden im Nu aus der Nähe des Häuser, damit ihr Herkommen aus demselben so wenig als möglich bemerkt werde; David hingegen zögerte, sich wegzubewegen. Wie geistesabwesend und von einem Zauber befangen, schaute er an den hohen Mauern hinauf und be sah sich das starke, düstere Gebäude mit den schweren Thoren und den kleinen, engvergitterten Fenstern. Da drinnen hatte er drei Monate gewohnt. Nun wußte er, wie er dort zuging. Mußte er noch einmal hinein, so kannte 46

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Der Burggräfler
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Page 9 of 16
Date: 20.05.1896
Physical description: 16
aus 16. Juni beim Bezirksg. Sillian; sämmtliche we gen Schuldklagen. — Firma. Eingetragen David Danzl in Schwaz; statt Johann Schaller in Bozen deffen m- j- Kinder; I. B. Mnuroner zu St. Ulrich; Anton Morsorno in LeiferS; Pisoni und Mumelter, Anton Egger und Scherer und Komp. befinden sich nicht in Bozen, sondern in 12Malgreien und bei der Firma P. C- Proclemer in Liquidation haben die 4 Liquidatoren Josef Dalleaste, Anton Decorona, Lorenz Duca und Franz Scrinzi das Firmirungsrecht- — Kundmachung

Reiseroman: Die Jagd aus den Millionendieb, ent wickelt sich in prächtiger Weise- An diese Romane reiht sich die urkomische Humoreske: Der Hußarenritt meines Onkels von Peter Little- Aus der Fülle der - 232 - mit jenem. David fühlte sich schon gar nicht mehr als Fremder darin. Zwischen seinen zwei Haftzeiten lag ja nur eine freie Nacht und ein Tag an der Seite der sterbenden Mutter! — so war er ja noch ganz in der Gewohnheit! Und nun lagen auf'S neue wieder 3 Monate des trüb seligen Einerleis vor David

, wenn sie aus aller Gemein schaft blieb mit einem Bruder, der schon wiederholt eine Gefänisstrafe hatte absitzen müssen. David wurde trotzig und wiedersetzte sich, was lag ihm daran, wenn sie ihre Drohungen wahr machten und ihn in das „schwarze Loch' warfen, wohin „weder Sonne noch Mond schien'?! Ihm war's in der jetzigen Zelle dunkel genug; dunkler konnte es für ihn nirgends werden. So ver härtete sich sein Sinn gegen jede Drohung, gegen jede Strafe. Er war ehrlich gewesen und wahrhaftig

den David zu Frau Linnet'S Haus führen sollen?! Traurig und schweren «schritte» traten sie den Heim weg an. Wenn es überhaupt Davids Wille war, „nach Haufe' zu gehen, so hatte er sich der alten Wohnung zu gewendet, jener Unglücksstätte, an welcher feine Mutter am Tage nach seiner zweiten Verhaftung gestorben war; dort hin aber durften Euklid und Elsbeth sich, BlakettS wegen, nicht zurückwagen. Es waren jetzt sechs Wochen, seit sie im Dunkel der Nacht sich von dort weggestohlen

hatten, und keiner der Nachbarn wußte, wo sie ein Obdach gefunden hatten: eS wäre zu gefährlich gewesen, auch dem besten der selben das Geheimnis mitzutheilen und damit gleichsam in der Nähe BlakettS einen Leitfaden anzuknüpfen, an welchem dieser verschlagene Mann sich sicher bis in ihr Versteck zu rechtgefunden haben würde. Aber Elsbeth mochte dem Gedanken, auf David verzichten zu müssen, nicht Raum geben. Sie durste nicht auf ihn verzichten. Euklid und Elsbeth erriethen wohl mit ziemlicher Sicherheit, in wessen Händen

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Der Burggräfler
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Page 10 of 12
Date: 02.10.1895
Physical description: 12
— zur Freude blieb, das fühlte sie. konnte es nicht ganz elend werden. So bewahrheitete sich auch hier des Dichters Spruch: „Die tiefste Nacht in deinem Innen: Bleibt einem schönen Doppelsterne offen: Der Hoffnung, die ein leis' Erinnern. Und der Erinnerung, die ein stilles Hoffen.' David hatte versprochen, am Samstag rvieder zu Hause zu sein, und so hielt Frau Fell es in ihrer Sehnsucht nicht für unmöglich, daß er schon am Freitag abend komme. Die Nacht aber ging vorüber, und er war noch nicht da. Schlaf

los hatte die Mutter seiner jeden Augenblick gedacht, ohne eine Ahnung zu haben, das ihr Liebling diese Nacht im Gefängnis zubringe. Auch schon der Abend des Samstag war hereingebrochen und David noch nicht da. Frau Fell öffnete ihre Zimmerthüc und setzte sich in die Oeffnung in's Dunkel, um den Ausblick durch den Hausflur auf die hell- erleuchtete Straße zu haben. Wenn David sich dem Hause näherte, dann war er sicher am Pfeifen und sie konnte sein Kommen wahrnehmen schon aus weiter Entfernung

» uns lieber nach ein paar weiteren Kunden um. Du hilfst mir ja gerne, nicht wahr, Elsbeth? David mag dann leicht in — 115 — den nächsten Straßen durch Botenlaufen ein paar Groschen dazu verdiene», wenn's auch noch so wenig ist. Aber er muß nun doch gleich da sein, der arme Junge.' Frau Fell unterdrückte ihre weiteren Seufzer mit Gemalt, damit sie dieselben beim Aushorchen nicht hinderten. Nach dem sie dann wieder einige Minuten stille gesessen und sich angestrengt hatte, aus dem Stimmengewirr

und Wagengetöse auf der Straße das Pfeifen ihres David herauszuerkennen, schickte sie die Elsbeth an die Thüre, damit sie einmal bis oben an die Hüilserccke Ausschau halte. An dieser Ecke be fand sich ein Gewölbe zum Ausschau! von Spirituosen, das mit seiner brillanten Laternenerleuchtung die Straßen hell machte, wie am Tage. Elsbeth knüpfte, abgesehen von ihrer schwesterlichen Sehnsucht, an die Rückkehr ihres Bruders ihrerseits auch glänzende materielle Erwartungen, denn sie wußte vom Hörensagen

unter nächsten Nachbarleuten, das beim Betteln oft etwas ganz Erkleckliches herauskomme. „So hab' ich auch oft abends in Unruhe dageseffen, wenn ich auf deinen Vater wartete, Elsbeth, und sein ungewohntes Ausbleiben mich auf allerhand Gedanken brachte, es könne ihm ein Unglück zugestoßen sein, aber so unruhig wie heute um David bin ich noch keinmal gewesen. Der Vater trug damals eine braune Manchesterjacke — ach so sanft, als sanft heißen will! — schon längst halte ich gewünscht so eine dem David anschaffen

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Page 10 of 14
Date: 18.09.1895
Physical description: 14
, um ihren Inhalt in Sicherheit zu bringen. Der Polizist war jedoch fingerferiiger. Er wog die Mütze in der Hand. „Du hast auf der Straße gebettelt und dich damit einer Gesetz,soerletzung schuldig gemacht,' sagte er im vollen AmtStone. „Siehst du dorr unten das weiße HauS über der Gartenmauer?' „Ja,' stammelte David. „Du hast den alten Herrn, der dort wohnt, angebettelt. Der hat sich beschwert über diese Belästigung; dem müsse ein Ende gemacht werden, ver» langte er. Ich muß dich mitnehmen zur Bestrafung

.' David verharrte wohl eine Minute stumm und ohne sich zu regen. So aus allen Himmeln mir einemmale herausgeworfen, war er er wie vom Blitz getroffen. DaS hatte er wohl längst gewußt daß jeder Polizeidiener daS Recht habe, ihn wegen Betteln- aufzugreifen, über Nacht einzusperren und andern TagS dem Ortsrichter zur Bestrafung vorzuführen. Fast alle seine Be kannten, darunter ganz brave Kerle, hatten schon ein oder mehrere Tage im Gefängnisse geseflen, und die meisten hatten das Betteln als Grund

angegeben. Für ihn selbst wäre ein solches Schicksal also wohl auch zu übersehen gewesen, aber — die arme Mutter daheim! Wie wird die arme Frau in Schrecken und Angst sich grämen und härmen, wenn er nicht, wie er versprochen, am Samstag nach Hause zurückkehrte? Der Polizist war eben daran, das in die Faust geraffte Kupfergeld in Davids Mütze zurückzuzählen. David nahm — 107 — die Gelegenheit wahr, mit einem Satze stand er auf den Füßen und gab sich an's Laufen, als gelte es das Leben z,l retten

wäre, sein Brod zu verdienen!' „Es hat mich noch Niemand arbeiten lehren wollen,' schluchzte David, während er sich durch die um ihn her sich versammelnden Gaffer mehr verwirrt uud beschämt fühlte. „Im Gefängnis wird man dich's schon lehren, Bürsch- chen,' höhnte der Polizist, David mit sich fortführend. Der immer größer und lauter werdende Schwärm roher Lümmel folgte hinterdrein, zur nächsten Polizeistation, hinter deren Thüre der Gegenstand der traurigen Neugierde verschwand. Es wurde

eine trübselige Nacht für David. In dem ängstlichen Bestreben, so viel als möglich nach Hause zu bringen, hatte er sich seit dem Morgen keinen Bissen ge gönnt und sein ganzes Frühstück hatte nur in einem Laibchen Brod bestanden, für welches er die Ausgabe, ein paar Pfennige, nur mit innerem Widerstreben von seinem Schatze abgekürzt hatte. Etwas Warmes wollte er sich am Abende kaufen und schon hatte er überlegt, wie eö ihm wohl am

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Der Burggräfler
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Page 10 of 14
Date: 11.12.1895
Physical description: 14
mit sich gebracht und stehen gelaffen hatte. „Wo kommt der Brief her?' fragte Elsbeth in ängst licher Spannung. „Ist er vom David?' „Ah, von David Fell, eurem lieben Sohn?' las Euklid. „Aber er kommt aus dem Gefängnis! David sitzt in Haft.' Euklids grauer Kopf neigte sich vorüber und seine Worte wurden zu einem heiseren Gemurmel. War'S da ein Wunder, daß die Mutter bei dieser Nachricht in Ohnmacht - 14? - fiel?! DaS Armenhaus war schrecklich, das Gefängnis war doch noch verabscheuungswürdiger und entehrender

. Euklid stand einige Augenblicke im Nachdenken ver sunken. David war immer in einer gewissen Art sein Liebling gewesen; er sah gern in das offene Knabengesicht und kannte ihn, wenn sie auf der Straße-einander nahe kamen, an seinem munteren Pfeifen und Singen aus zwanzig anderen Knaben heraus. Wenn er einmal gar zu heiser war, um seine Kreffe auszurufen, dann brauchte er David nur her- beizuwinken, der ihm dann willig das Körbchen durch die Straßen vortrug und ihm seine helle Stimme lieh

. Und dieser David war nun Sträfling in einem Gefangenhause! Jetzt drang ihm der schwache Zuruf in's Ohr. Er kam von der Kranken. Hinzutretend blickte er ihr in das aschfarbene Gesicht mit einer seinen eingesunkenen Augen fast fremd gewordenen weichherzigen Rührung. „Seid so gut, Euklid, und leset mir den Brief laut vor,' lispelte sie mit sicht licher Anstrengung; die zuckenden Lippen wollten ihr kaum dienstbar sein. Euklid las die paar Zeilen laut und ver nehmlich; dann faltete er das Papier wieder zusammen

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Der Burggräfler
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Page 9 of 14
Date: 17.06.1896
Physical description: 14
, der sonst so manchen Abend des Sonnenunterganges über dem Flusse weg auf der „London brücke' sich erging, bedauerte es als einen bösen Zufall, daß er bei der Begegnung der Elsbeth mit David nicht in deren Nähe gekommen war, gerade an diesemAage unter so Breien hatte er geglaubt, dringlicher Obliegenheiten halber - sich die gewohnte Erholungsstunde nicht gönnen zu dürfen. So war das so lang, seit er Davids Geschichte kannte, ihm vor der Seele schwebende Ziel, des Knaben habhaft zu werden, leider unerreichbar geblieben

. Aber neue Hoffnung schöpfte er aus der Erzählung der Elsbeth doch. Es erschien ihm leichter, den schon seit Jahren berüchtigten Blakett aus findig zu machen, als den David, der die von der Polizei überwachten Wege der öffentlichen Versündigungen erst seit Kurzem betreten hatte. Der folgende Tag wurde ein Tag, welchen Viktoria und Elsbeth als einen der denkwürdigsten ihres Lebens in ihrem Kalender roth anstreichen durften. Schon seit Wochen hatten sie ihm mst gespannter Erwartung entgegengesehen. John

sein — und wandte sich zum Gehen; da legte sich eine Hand auf ihren Arm und an ihr Ohx drang von dicht neben ihr der leise Laut ihres Namens. Bei dem Namen „Elsbeth' durchfuhr sie ein Zittern der Freude und Hoffnung — das war David's Stimme! Davids Stimme, aber nicht das Bild des David, den sie nun so lange suchte, als sie ihn verloren hatte. Die froh glänzenden Augen, die zum Lächeln gelösten Lippen machten, als Elsbeth kaum den Kopf herumgewandt hatte, sofort einem andern Ausdruck Platz. Ihr David

sollte so herunter gekommen sein? In David's Gesicht dagegen zeigte sich die umgekehrte Wandlung: die harten Züge und die verbissenen aufeinander geklemmten Lippen nahmen einen weichen Aus druck an, in die gerötheten, blauumränderten Augen kehrte ein Strahl der früher dort wohnenden Zärtlichkeit gegen die Schwester zurück — die kleine Elsbeth war ja einst neben der Mutter sein Bestes gewesen. „David!' rief Elsbeth erschüttert. „Ja, der bin ich,' versetzte er. Dann trat ein peinliches Schweigen ein. Was konnten

sie sich einander sagen? Jedes der Geschwister fühlte, daß es durch einen weiten Abgrund von dem andern ge trennt sei, obgleich sie dicht neben einander standen, das eine gut und schuldlos, das andere böse, lasterhaft und schuldbeladen. „David,' unterbrach endlich Elsbeth die unheimliche 60

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Der Burggräfler
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Page 10 of 12
Date: 22.07.1896
Physical description: 12
es für ihn nicht mehr. Al» Roger'» Schul zeit auf der „Kleopatra' vorüber, Blakett also nicht mehr verpflichtet war, fernerhin fünf Schillinge wöchentlich für seinen Unterhalt beizutragen, war dieser alte Sünder wieder in da» frühere Haus zurückgezogen. David hatte sich auch hierin an ihn angeschloffen. Eine gewisse treue Anhänglich keit an-diejenigen, welche ihm einmal im Leben sich hilf- — 259 — reich erwiesen hatten, lag in der inneren Natur de» sonst so herabgekommenen Burschen unvertilgbar und Blalett

des Schicksal» ankämpfende Mutter erinnerte, ver stimmend aus David gewirkt; aber Bkakett nannte ihn darob einen Träumer und so wurden die alten störenden Erinner ungen bald in die Flucht geschlagen. Blakett hielt viel auf den Jungen. Sie theilten redlich die zeitweilige Noth wie den zeitweilen Ueberfluß, lebten mit einem Wort zusammen wie Vater und Sohn. Der Gedanke, daß sie ihm seinen Roger „weggeputzt', den David in die Arme getrieben hatten, ergötzte Blakett oft genug. „Der David ist noch einmal soviel

werth, wie der Roger,' sprach er dann in sich hinein. Und in der That, der David hatte Kopf und Finger am rechten Fleck und überlegte Alle» wohl. Er hatte den klaren Menschenverstand seines Vater» geerbt, der kein Trinker und nicht ohne Begabung gewesen war; RogerS Anlagen, schon von Natur unbedeutender, waren durch die tyrannische und unberechenbare Behandlung seines Vaters völlig nieder getreten worden, so daß nichts übrig blieb, als ein müßig- gängischer, eingeschüchterter, aller Thatkraft

und allen eigenen Nachdenkens barer Junge. David hätte sich eine solche Be handlung, wie Roger sie jahrelang erduldete, niemals gefallen lassen, und jetzt wäre sie noch weniger am Platze gewesen.

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Der Burggräfler
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Page 10 of 12
Date: 29.07.1896
Physical description: 12
, das hellerleuchtrte Schnapsgewölbe! Es war eine stockfinstere Nacht, als Blakett und David, nachdem sie ihren Plan gehörig überlegt, daran schritten, ihn in'S Werk zu setzen. In der stillen Straße angekommen, betrachtete Blakett sich noch einmal die Front des Hauses, in welches sie einzubrechen im Begriffe waren. Die Straßen laternen verbreiteten eine ziemliche Helle. An der einen Seite des Häuschens befand sich ein hohes Warenpackhaus, welches nachts leer und verschlossen stand; nicht einmal ein Wächter befand

hinter dem schmalen Häuschen der Frau Linnet zu kommen — denn dort hatte Blakett sich den bequemsten Angriffspunkt für seinen Einbruch auSersehen — brauchte man nur durch einen schmalen Durchlaß um das gerade -unbewohnte Haus herumzubiegen und dort die Mauer zu übersteigen; denn eine Thüre hatte letztere nicht. — 263 — DaS llebersteigen bot aber keine Schwierigkeit, selbst nicht für Blakettt, David war im Nu hinüber. Im Hof raum angekommen, merkten die Diebe aber, daß gerade der Umstand, welcher ihr Unternehmen

begünstigen sollte, der vom Gewölk schwarz umzogene Himmel, auch wieder sein UebleS hatte: die Dunkelheit war hier, zwischen den hohen Mauern der nebenstehenden Gebäude so undurchdringlich, daß man keine Hand vor den Augen sehen konnte. „ES ist so dunkel, wie im schwarzen Loch', wisperte David, und gleich darauf stolperte er auch über einen Eimer, dessen eiserner Bügel ein schon widerwärtiges Geräusch verursachte. „Eben schlug eS 1 Uhr. Also voran,' drängte Blakett, „das ist die rechte Stunde

für Einbrecher.' „Für alle möglichen Fälle sag' ich'S,' lispelte David, „Ihr wißt'S auch: den alten Leuten selber darf nicht Leids geschehen!' „Nein, nein!' antwortete Blakett, ebenso leise und in beruhigendem Tone. In dem kleinen, dunklen Hause vor ihnen aber war, trotzdem in demselben kein Licht angezündet wurde und keine Bewegung sich hörbar machte, doch- nicht Alles in seiner Ruhe geblieben. Frau Linnet lag oft lange wach und schlief nie sehr fest. DaS erstere war auch gerade der Fall gewesen, als David

wider den Eimer stolperte, und sie hörte das Geklapper des eisernen Bügels eben -so gut, wie David selbst eS unten im Hof hörte. Sie stand auf bei dem auf fallenden Geräusch, schob die Gardine ein wenig zur Seite und blickte hinaus in das Dunkel. Sie gewahrte trotz der Finsternis die unbestimmten Umrisse einer Gestalt, welche mit beiden Armen den First der Mauer ergriff, als wenn

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