. I. Zweierlei Jugend. Nun, was meint Ihr, Meister Dietrich, zu unserem Nachbarn, dem Herrn Flores? Da werden uns saubere Stückchen aufgespielt in der Nachbarschaft! Man sollte wünschen, entweder der Nachbar wohne zu Trippsdrill, oder man wohne selber wenigstens in einem anderen Stadtviertel; man brauchte dann wenigstens nicht täglich Zeuge von dem scandalösen Elend zu sein.' Ich ging, während ich das sagte, mit meinem andern Nachar, dem sehr ehrenwerthen Schreinermeister Dietrich, in meinem Garten umher
. Wir hatten eben unsere Geschäftsangelegenheit beendet. „Nun, was feil man dazu sagen?' versetzte der brave Meister, indem er seine Kappe auf den ergrauenden Locken seines klugen Hauptes zur Seite rückte, — eine Handbewegung, die ihm eigenthümlich war und gewöhnlich dann stattfand, wenn er irgend etwas mit besonderer Aufmerksamkeit aufs Korn nehmen wollte. „Die Geschichte läuft nicht gerade aus, wie sie angefangen hat, aber es paßt doch Alles seltsam zusammen.' Er schwieg und ging eine Weile nur so neben
mir her. „Ich bin nur froh', sagte er dann, „daß Ihr noch zwischen uns Beiden wohnt, sonst müßte ich noch mehr an Alles denken.' „Habt Ihr denn noch etwas Besonderes dabei?' fragte ich den Meister. „Ja, sehet, lieber Nachbar,' versetzte er, „wir zwei, der Herr Flores und ich, sind im Grunde sehr alte Bekannte, und da ists nicht gut für beide Thelle, wenn die unter den heutigen Umständen gar zu nah beisammenwohnen.' So! Ihr seid alte Bekannte?' fragte ich verwundert. „Aber das habe ich ja noch nie
bemerkt, daß Ihr Euch so gut untereinander kennt. Freundschaft habt Ihr sicherlich nicht miteinander gehalten? „Nein, Freundschaft haben wir auch nie mit einander gehabt', antwortete der Meister bedächtig, indeß geht unsere Bekanntschaft sehr weit im Leben zurück. Wenn wir nachher uns nicht angerührt haben im Leben, so liegt das in beson deren Verhältnissen.' Während wir noch so mit einander uns über den Nachbar unterhielten, war eben in dessen Hause der Lärm eines Gezänkes
mir wohnte der Meister Dietrich, ein wohlhabender, tüchtiger Bürger von echtem Schrot und Korn, schlicht und recht, fromm und wohl thätig; dabei sparsam und fleißig, daß es eine Lust war, in sein Haus zu treten und diese Ordnung, diese Sauberkeit, dabei diese musterhafte Zucht in der Familie zu sehen. Das war eine von jenen seltenen Bürgerfamilien, worin man wie daheim ist, wenn man sich nur auf einen Stuhl des Wohn zimmers niederläßt. Ich hatte deßhalb immer gern mit Meister Dietrich zu thun