Walther von der Vogelweide : ein Dichterleben.- (Geisteshelden ; 1)
— 26 — »Du schönes Weib, nun sei du mein eigen, Freude und Leid sollen wir teilen, so lang als ich lebe, bist du mein, du teure." Und sie trennen sich nicht mehr, die sich gefunden haben. — Zuweilen aber bleibt die Herzensfreude nicht ungetrübt, weh mütig ruft dann die Frau: „Einen feinen Ritter hat' ich mir ge wonnen; den haben mir die Späher und ihr feindlicher Haß genommen, niemals kann mein Herz mehr froh werden." Oder sie kleidet ihren Schmerz in das schöne Bild: „Einen Falken zog
ich mir länger denn ein Jahr; da er nun mein eigen und wohl gezähmt schon war und ich mit Gold ihm schmückte sein stolzes Federkleid, da stieg er in die Lüfte und flog von mir gar weit. Seither sah ich den Falken oftmals fliegen, er trug an seinem Fuße seidene Riemen, und sein Gefieder deckte all rotes Gold: ach sende Gott sie einander, die sich lieb sind und hold." Auch der Ritter wirbt, er klagt, daß er sein Mädchen nicht selbst sehen darf, sondern ihr Boten senden muß: so weiß er gar nicht recht
, ob er ihr gefällt, und doch ist ihm nie ein Weib so lieb geworden. Er mahnt in glücklicher Vertrautheit die Ge liebte, wie der Abendstern sich in die Wolken hüllt, so möge sie, die teure, ihre Blicke bergen, ihre Augen zu anderen Männern schweifen lassen, damit niemand gewahre, wie es unter ihnen beiden stehe. Auch ein übermütiger und sieg gewohnter Ritter ist in der Gesellschaft, derb spottet er: „Weiber und das Federspiel, die werden gar leicht zahm: lockt man sie nur richtig, so suchen sie den Mann. So warb
sich ein schöner Ritter auch eine Fraue gut; wenn ich daran jetzt denke, so wallt noch auf mein Blut". Es sind die schönsten Liedchen des beginnenden Minne sanges, welche in dieser kleinen Sammlung vereinigt wurden, gleichviel ob ein Dichter sich in so verschiedene Situationen gleich geschickt zu finden wußte und für jede den passenden Ton gleich unübertrefflich anschlug, oder ob, was ich für allem richtig halte, hier mehrere Frauen und Männer ihre tiefste