¬Die¬ Entstehung und Ausbildung der socialen Stände und ihrer Rechtsverhältnisse in Tirol : von der Völkerwanderung bis zum XV. Jahrhundert.- (Geschichte der landständischen Verfassung Tirols ; Bd. 1)
welche Strassen der Handel der oberdeutschen Städte, namentlich Augsburgs, Nürnbergs und Ulms, mit Venedig einschlug, die grösste Wichtigkeit. Die Antwort bietet sich wie von selbst: er wählte die kürzeste Verkehrslinie, welche schon von den Römern nach Germa nien, später von den kaiserlichen Romfahrten und den Pilgerzügen ©ingeschlagen worden war: die Strasse über die Gebirge von Tirol. Nach Roth’s nicht gehörig verbürgter Angabe hätte Nürn berg schon unter den sächsischen Kaisern
Handelsverbindungen mit Italien gehabt 1 ); als sichere Thatsache gibt aber derselbe Schriftsteller die Nachricht, dass Nürnberg von der Zeit an, als Venedig den levan- tinischen Handel an sich zog, dahin strebte, den durch Tirol gehen den Zwischenhandel in seine Mauern zu leiten 2 ). Augsburg trieb seinen grössten Verkehr mit Venedig über Füssen durch Tirol, und seine Kaufleute führten ihre dort erhaltenen grossen Frachten auf demselben Wege in ihre Heimat zurück; Augsburgs Handel kam ge rade durch den Waarenzug
aus Italien über die Alpen zu seiner grossen Blüthe und Bedeutung 3 ). Da die augsburgischen Kaufleute auch den Lech für den Waarentransport benützten 4 ), so weist auch diese Strasse auf Tirol zurück. Im 15. Jahrhunderte wurde neben der Strasse über Füssen auch die Handelsstrasse über Kempten häufig besucht, auf welcher ein werthvoller Waarentransport nach und aus Venedig stattfand 5 ). Die Kaufleute von Ulm gingen über Augsburg am Lech hinauf über Schongau, Füssen und Tirol nach Venedig; sie betrieben
einen beträchtlichen Handel, und suchten znm Schutze ihrer Waarenzüge mit den Grafen von Tirol, den Söhnen Meinhards IL, stets in gutem Vernehmen zu bleiben, wie denn auch einer derselben, der Herzog Otto, 1309 dem gesammten Handelsstande von Ulm freien Zug durch Tirol gab 6 ). Aber nicht nur die drei genannten süddeutschen Handelsstädte verkehrten mit Venedig durch Tirol, sondern auch die sämmtliehen Kaufleute aus Flandern und Brabant, besonders Brügge und Antwerpen, ferner aus Köln, Mainz, Worms, Speier
, Frankfurt nahmen meist ihren Weg über Ulm, und gleich den Ulmern durch 9 Roth, Geschichte des Nürnberger Handels I. 18. 2 ) Ebend. p. 18. 3 ) Fischer II. 245—247. 4 ) Der Handel Augsburgs mit Venedig reicht zurück ins 14. Jahrhundert, Die freie Schiffahrt auf dem Lech erhielt Augsburg 1418 von Kaiser Sigmund, Fischer I. c. 447. ®) Fischer 1. c. 447—448 zählt zu den Waaren, mit welchen der Handel auf der Kemptener Strasse nach und von Venedig über die Alpen ging: Gold- und Silberarbeiten und Seidenwaaren