Nahrungsmittel seit Jahren fehlen, das zudem durch die Kriegssorgen heruntergekommen und zermürbt ist, wird schon einem geringen Anstoß zum Opfer fallen. Die jetzigen Sterblichkeitszisfern Wiens sprechen eine furcht bare Sprache? nie hatte vielleicht das Wort: „Wer rasch gibt, gibt doppelt' mehr Geltung wie gerade heute bei der Schweizer Hilfsaktion. Ein Blick auf die Speisekarten von Wiener E a st- häusern ist nicht ohne Interesse. Es ist aber zu be achten, daß die Portionen vielleicht kaum ein Drittel
: dem Oberkellner, dem Speisen- tröger und dem Geträntekellner. Heute muß man sich, wenn man Wert auf halbwegs anständige Bediennung legt, mehr denn je an diese Landessitte halten. Wiener Blätter geben zu, daß die Teuerung im Wirtsgewerbe gegenüber früher etwa bis 3MV Prozent beträgt. Es ist selbstverständlich, daß diese Gasthauspreise nur von Bemittelten bezahlt werden können, von Fremden müssen sie aber ausgelegt werden, da eine Verpflegung außerhalb der Restaurants heute unmöglich ist. Denn es gibt heute
keine anderen Speisegelegenheiten, insbeson dere sucht man heute vergeblich billigere Pensionen, deren Preise sich heute zwischen 5l) bis IVO X pro Tag bewegen. Für das Volk bestanden bis vor einiger Zeit Volksküchen und andere össentkche Ausspeisungen. Diele solche Betriebe wurden aber in den letzten Wochen ein gestellt infolge Unmöglichkeit der Speisenbeschaffung. Auch an einzelnen Wiener Hotels findet sich heute eine Tafel: „Restaurant wegen Lebensmittelmangels ge schlossen'. Für die Bevölkerung Wiens sind die Lebensmittel
nichts ab Zucker, Tabak, Kleider, Wäsche, Schuhe vermögen ihn aber unter Um ständen gnädig zu stimmen, und so gelingt es manchmal, mit etwas Kartoffeln, einigen Eiern, vielleicht gar mit etwas Fett die heimreise anzutreten. Die meisten Wiener Familien sind heute auf diese „hamsterfahrten' angewiesen, sie kosten natürlich Zeit und Geld, zudem wandern die heute unersetzlichen notwendigsten Kleidungs stücke des Städters aufs Land. Aber man stillt für heute den Hunger, und weiß nicht, ob man morgen frieren muß
Engländer haben Eßwaren nach Wien gebracht und eine eng lische Militärmusik. Tie Engländer sind Ver schwender, es hätte vielleicht die Militärmusik allein genügt. Seit das hochbetagte Tvrn- röschen ,Oofburg' nicht mehr um die Mittag stunde mit der „Burgmusik' aufgeweckt WiH, spürt der Wiener den Hunger doppelt. Lie Musik allein hatte dem Wiener seine Heiterkeit zurückgegeben, aber die Engländer handelten noch fürsorglicher. In der berechtigten Besorg-, nis, daß. dem Wiener das mitgebrachte Mehl