Walther von der Vogelweide : ein Dichterleben.- (Geisteshelden ; 1)
— 76 Wohl hatte Walther Ursache, als er diesmal den Hof zu Wien verließ, Gottes Segen für seine Fahrt zu erflehen (L. 24, 18) : „Mit Heile laß' mich heut' aufftehn, Herr Gott, in deinem Schutze gehn und reiten, wohin ich des Wegs mich kehre. Und du, Herr Christ, bring' an den Tag, was deiner Güte Kraft vermag, und hüte mein durch deiner Mutter Ehre, wie ihr und dem der heil'ge Engel pflegte, als sie dich, Kind, in deine Krippe legte (so jung als Mensch, so alt als Gott!), demütig vor dem Esel
und dem Rinde — es nahm dich Gabriel so gut in seine freu denreiche Hut mit ganzer Treue ohne Fehl — so hüt' auch mein, daß keinen Makel finde an mir dein göttlicher Befehl." Mit Trauer blickte Walther auf Wien zurück, denn der heitere, sangesfrohe und milde Herzog Friedrich war vom Kreuzzuge nicht heimgekehrt, und der nun an seiner Statt das Herrscheramt übte, Herzog Leopold, war härter und der Kunst des Dichters weniger freundlich gesinnt- So kleidet denn dieser sein Gefühl in einen Spruch
, welchen er dem Hose selbst in den Mund legt (L. 24, 33): Es sprach der Hof von Wien zu mir: Gefallen sollt' ich, Walther, dir und ihn' es nicht; das möge Gott erbarmen! Mich rühmte einst des Sängers Lied: wie ich hat nur Ein Hof geblüht, des Königs Artus Hof. O weh mir Armen! Wo sind die Ritter und die Frau'n, ein Kranz von Blumen einst zu schau'n? O seht, wie jammervoll ich bin! Mein Dach wird faul, ein sinkt die Wand, und niemand, niemand ist mir hold. Was gab ich Rosse, Kleider, Gold und Silber nur in Fülle