Seite 10. Nr. 81. Donnerstag, den 4, Anguß 1927. mit jenen starren Augen an, wie im Gufer Wald und sagte: „Mein Lenele . . . mein lieb's Lenele ... du bist mein Schutzengel . . jetzt ist alles wieder gut . . Eines Tages wurde der Zustand des Vaters so schlimm, daß ich fürchtete, er werde den Verstand ver lieren. Wir hatten in der Stube unseres Häuschens bis her kein Kreuz, sondern nur ein Mld der Muttergottes. Einmal kam ein Kreuzschnitzler und bot schöne Kruzifixe zum Kauf an. Ich nahm
eines und hing es in dem Winkel der Stube über dem Tisch auf. Der Vater war nicht dabei gewesen; er war mit Holzspalten beschäftigt. Als er zum Essen in die Stube kam und das Tischgebet verrichten wollte, sah er das Kreuz im Tischwinkel. Sein Mick wurde glasig, sein Angesicht bleich, ein Zittern ging durch den ganzen Leib, er schaute ganz starr immer und immer auf das Kreuz. Ich führte ihn zur Bank, weil ich fürchtete, er könnte hinsinken. Jetzt fuhr er sich wieder in feinen Haaren herum und begann ganz
so verzweifelt zu jammern, wie ich es an jenem schrecklichen Tage im Gufer Wald gehört hatte, da er auf dem Steine saß. Diesmal war alles Zureden umsonst. Zum Glück war nie mand in der Nähe, der das Elend sehen und hören konnte. In meiner Angst wußte ich keinen Rat mehr. Wie ein Sonnensttahl, der die Wolken durchbricht, kam mir der Gedanke, ein Gelübde zu machen. Ich stellte mich vor das Kreuz hin und betete laut: „O lieber Herr Jesus, wenn du meinem armen Vater diesmal noch hilfst, will ich Jungfrau bleiben
und dem heiligen Kreuz auf dem -Wiesele als Einsiedlerin dienen, sobald der Vater mich nicht mehr braucht." Bei diesen Worten, und zwar gerade als ich vom heiligen Kreuz am Wiesele sprach, wurde der Vater ganz plötzlich ruhig. Er stand auf, nahm mich bei der Hand und sagte: „O mein Lenele . . . mein lieb's Lenele . . . du bist wirklich mein Schutzengel . . . diesmal ist's arg gewesen ... ich Hab wieder das Schreckliche gesehen wie am Kreuzbüchl, wo ich auf das Kreuz geschossen
habe... Jetzt ist alles wieder gut... mir hat eine Stimme gesagt: „Es ist alles gebüßt. Lenele hat dir alles abgenommen . .. Sie wird für dich Buße tun beim heiligen Kreuz am Wiesele . . ." Wunderbar! Von diesem Tag an war der Vater ganz ruhig, ja manchmal so munter und heiter wie er einst war, wenn er mit einem schönen Gemsbock aus dem „Bierg" kam. Nur vom Heimgehen durfte man nie zu ihm reden. Uns ging es bei den Bauersleuten auf dem großen Hof sehr gut; sie hatten uns gern und waren mit uns recht zufrieden. Eines Tages