Freitag, den 2. Juni 1944 ,N eueste Zeitung' Nr. 107 Seite 3 Die Abenteuer eines Kronprinzen Chronik einer Verräier-Dynasiie Von unserem Berichterstatter itl (Schluß) Diejenigen Kreise Italiens, die ihr Wissen über ihr Herrscherhaus nicht nur aus den^Drei- Lire-Broschüren „Unsere geliebte Dynastie" be zogen, konnten in Kenntnis des Hauses Savoya kaum überrascht sein, als gegen das Jahr 1926 in Rom die ersten Gerüchte über das Privat leben des damals 22jährigen Thronfolgers Umberto, Prinz
von Piemont, laut wurden. Ihnen zufolge zeichnete sich Umberto, erzogen von dem Geliebten feiner Mutter, Admiral de Bono, bereits in diesem Alter nicht eben durch geistige Regsamkeit sondern durch einen er staunlichen Hang zum weiblichen Geschlecht aus, der ihm im Volksmund sehr bald die Bezeich nung eines „dofmaiolo", zu deutsch, eines Wei bernarren, eintrug. Die patriotische Hoffnung, es möge dies nicht die einzige bemerkenswerte Eigenschaft des zukünftigen Herrschers bleiben
, sondern sich mit den Jahren wie bei seinen nicht aus fürstlichem Blut stammenden, dafür aber normalen Untertanen ein Mittelding zwischen diesem und jenem entwickeln, scheiterte. Mit dem Alter kam Umberto beileibe nicht der Ver stand. Was kam, waren Skandale und Skan- dälchen, und zwar in so reicher Zahl, daß man versucht ist, von einer fortdauernden geometri schen Progression zu reden. Die Zahl seiner Geliebten wurde so groß, daß er — wie Ken ner dieser Materie versichern — beispielsweise mehrere Jahre
nur unter Vorsichtsmaßnahmen die Salons der Türmer „Gesellschaft" betreten durfte, da es erfahrungsgemäß im anderen Fall zu überaus unliebsamen und kaum noch zu vertuschenden Auftritten der von ihm abge legten Damen und ihrer nicht weniger wütenden Männer kam. Zieht man die Tatsache in Be tracht, daß sich Umberto nun beileibe nicht im mer in Turin aufhielt, sondern der seltsamen Vorstellung lebte, überall und immerfort seine zukünftigen Untertanen — ausgenommen die an der Front — durch sein Erscheinen beglücken zu müssen
er sich durch vollständige geistige Leere gegenüber allem aus, was für Italien politisch und wirtschaftlich wichtig ist, wofür sein letztes „Times"-Jnterview (Anfang Mai) mit dem Sturm der Entrüstung, die es auslöste, das neueste Beispiel ist. Bei den Erfolgsserien Umbertos im Alkoven wurden hie Frauen aller Schichten Italiens mit seiner Aufmerksamkeit beehrt, was die einzige je an Umberto beobachtete „soziale Note" Br. ^VolkllictcF von Bangen, Rom ist- Sehr bezeichnend für die auf Kenntnis der zahllosen Skandale