Zweites Blatt der Meraner Zeitung Nr. 99 vom 5. November 1881. Ein fescher Operntext. Wie man auS den Zeitungen erfährt, ist in den letzten Tazen der Wiener großen Oper ein neues Musikdrama eingereicht worden, dessen S.xtworten nichts wehr und nichts weniger zu »Munde liegt, als Shakespeares »Richard der Dritte'. . . . Man ist ja längst daran gewöhnt, daß die Komponisten ihre gierigen Notenlinien nach allen möglichen und unmöglichen SujetS ausstrecken, daß sie weder vor der tiefen Philosophie
Ham lets, noch vor dem erhabenen Geiste FaustS zu- rückbebeu: Daß ihnen aber auch vor Richard dem Dritten, diesem Hohenlied des Bösen, mit seinen Nnmenschlichkeiten, seinen Gräueln, seinem in breiten Schlecken sich dahinwälzenden Blutstrom der KompositiouSappetit nicht vergehen würde, daS hätte man bis jetzt doch sür unmöglich ge» halten. Item, eS ist geschehen, und wir haben nur noch mit der vollendeten Thatsache zu rechnen. Und — wenn man sich'S reckt überlegt — gar so schimm ist die Sache
nicht einmal. Jeden falls wiro eS dem Libretto-Dichter gelungen sein, einige Härten des Stoffe zu mildern und etwaige gar zu barocke Szenen unseren heutigen Nerven- verhältnissen dadurch anzupassen, daß er sie in sanstere Formen goß. Nebenbei kann man als Entschuldigung anführen, daß Richard selbst vor» geahnt habe, man werde ihn einst unter Musik setzen, denn einmal — im vierten Akt — sagt er zu feiner Schwägerin Elisabeth, vm deren Tochter er wirbt: „Bereit' ihr Ohr auf eineS Freiers Lied', ur.d ein anderes Mal sagt
vor Brüderchens PalaiS: O hüte Dich, ich bitte Dich, vor dem Buchstaben G t „Wie ist mir? Was hör' ich?' spricht Eduard ganz forsch. „Ist Clären» nicht geheißen von Kindesbeinen Georg?' O Clarence, o Clären», du allerliebster Held, Es hilft Nichts, du mußt sterben im weit und breiten Feld. Die darauf folgende Begegnung Richards mit Aunaj welche der Leiche ihreS VaterS das Geleit giebt, und die berühmte Brautwerbung dürfte etwa so lauten: Richard: Ich hab' Dir den Vater ermordet» Den Gatten dann gleich
hinterher. Ich hab' Dich zu Grunde gerichtet: Mein Liebchen, was willst Du noch mehr? Anna: Du bist ein gemeiner Hallnoke, Ein Schurke von schlimmster Couleur, Ein Mousirum, ein Abschaum, «In Ekel.. Mein Liebchen, wäS willst Du noch mehr? Richard: Ich seh', wir sind also emig. Anna: Gewiß, wir verstehen uns sehr. Richard: Nun laß' uns Verlobung schnell feiern. Beide: , Mein Liebchen, was willst D» noch mehr? ^ Die große, grausige Fluchszene der Marga» «eethe wird iu moderner Opernfassung etwa so lauten