Seite 4. Nr. 6. Dienstag, „Brixener Chronik.' 14. Jänner 1908. XXI. Jahrg. Der Maulkorb in Deutschland. Durch den jetzt schon berüchtigten Vorschlag des Vereinsgesehes soll in Deutschland den Polen der Maulkorb angelegt werden. Doch das ist dem Freisinn zu wenig, einem Volke zu ver bieten, daß es in offener Versammlung in der Muttersprache seine Interessen behandeln darf. Man soll auch als Volksvertreter im Reichstag gar nicht mehr sprechen dürfen, wenn es für den freisinnigen liberalen Block
unbequem ist, es soll der Maulkorb auch in die Vertretungskörper hinein. Hören wir darüber die „Augsburger Postzeitung*: Ein Maulkorb für den Reichstag ist, wie schon berichtet, vom Block geplant. „Kontingen tierung der Debatten' nennt man das verschämt. Es zeigt sich immer klarer, daß, je älter der Block wird, er um so mehr nicht an Festigkeit, sondern an Zartheit gewinnt. Verwunderlich ist das ja auch nicht, da er seinem Wesen nach etwas Unnatürliches ist und infolgedessen seine Entwicklung
Blatt hat sich die Sache wie folgt gedacht: „Am besten wäre es, wenn die Block parteien sich untereinander einigten, daß nur zwei Redner jeder Partei zum Wort kommen. Der erste vertritt die Anschauungen der Fraktion, der zweite übernimmt die Erledigung einer etwaigen Kritik gegen andere Parteien .... Die Mehrheitsparteien haben es, wenn sie einig sind, vollständig in der Hand, im Reichstag eine gute Hauspolizei einzuführen. Sie sind durchaus berechtigt, nach Erledigung von zwei Reden
heitsparteien, welche die Blockparteien umlagern und umstellen, haben bei ihrer Forderung der unbeschränkten Redezeit uud Rednerzahl offenbar noch das Ziel im Auge, die Blockparteien zu Unbesonnenheiten zu reizen und so die ohnehin schon unklare politische Lage noch mehr zu verwirren.' Nicht ein flotter Fortgang der Geschäfte des Reichstags ist also der Grund, weshalb dem Reichstag ein Maulkorb angelegt werden soll, sondern einzig und allein die Rücksicht auf das schwache Lebenslicht des Blocks