, sich durch so gewichtige Fürbitten eine Unterredung mit ihp zu er zwingen — ohne den Brief der Oberin würde sie ihr augenblick lich den Rücken zugekehrt und sich entfernt haben. Vielleicht auch nicht — es lag etwas Bezwingendes in dem Blick der kleinen Dame, vor der jetzt die Gräfin mit einem kalten hochmütigen Gruß leicht das Haupt beugte — ein Ausdruck unbeschreiblicher Güte, teilnahmsvoller Trauer, vor dem die Gräfin erbebte. Sie wußte es sofort — nicht um etwas von ihr zu erbitten, war diese Frau gekommen
, sie hatte ihr ein Unglück zu melden, das sie selbst bedrohte. War es denn noch nicht genug, was sie gelitten hatte? Frau Kwistel deutete das Erbleichen ganz richtig. „Beunru higen Sie sich nicht, Frau Gräfin," sagte' sie sanft, „wir kommen als Friedensboten und bringen Ihnen eine Nachricht, die Sie freuen wird — freuen muß. Denn jedem rechtschaffenen Menschen ist es ja Genugtuung, wenn er ein Unrecht, das er, ohne es zu wollen, beging, wieder gutmachen kann — nicht wahr, Frau Gräfin?" Wohin war es mit ihr gekommen
— sie wußte, was kommen würde! Frau Kwistel beachtete absichtlich die Bewegung der Gräfin nicht, sondern sprach nach deren bejahendem Kopfnicken mit freundlicher Gelassenheit weiter. „Ich wußte, daß Sie so denken würden, ich kenne Sie ja durch Ella. Ich weiß, mit welcher Seelengröße Sie all das Schwere getragen haben, das Ihren Lebensweg verdüstert hat. Die Frau, die sich durch ihr Unglück nicht verbittern ließ, son dern in der schwersten Zeit ihres Lebens eines verwaisten Kindes annahm, wer müßte
sie nicht hochschätzen, verehren! Und das tue ich, ich, die mütterliche Freundin Ellas, die für Sie, wie es ihre Pflicht ist, nur dankbare Wertschätzung empfindet." Die Gräfin stöhnte leise auf — nein, das ertrug sie nicht! Nach dem, was sie auch Ella damals zugefügt hatte, mußte ihr diese milde Gesinnung als Barmherzigkeit erscheinen — die aber verschmähte sie — Almosen zu empfangen, war die Gräfin Eichen horst nicht fähig! Entschlossen richtete sie sich auf. „Wollen Sie nicht die Qual abkürzen, die ich leide
?" fragte sie kurz und rauh. „Ich wünsche die Beweise für das Unrecht, das ich begangen haben soll." Frau Kwistel gab Ella einen Wink. „Es ist auch zugleich ein Beweis, daß treue Anhänglichkeit an Sie und Ihr Haus, die Ihnen wertvoll sein muß, nie gewankt hat, Frau Gräfin," sagte sie sanft, „daß sie echt war, wie es Ellas Zuneigung für Sie ist. Gib der Beschützerin deiner vereinsamten Kindheit den Beweis für die Treue deines Vaters, Ella!" Tief bewegt reichte diese der Gräfin das vergilbte Blatt