. Würde heute ein Protestant ein „Christ" nach seiner Lehre sein, dann wäre er in Wahrheit nichts anderes als ein gesetzloser heidnischer Anarchist, der vom Christenthum nichts anderes hat. als den falschen Stempel des christlichen Namens. Mit unwiderstehlicher Klarheit lehrt dies Luther selbst. Er erklärt seine „Christen" für frei und entbunden von allen Geboten und Gesetzen, von den Geboten Gottes, von den Geboten der Kirche, von den Gesetzen des Kaisers und jeder weltlichen Obrigkeit. Er sagt ja geradezu
, ein Christ sei innerlich und äußerlich ganz und gar frei von allen Gesetzen, kein einziges ausgenommen (Gal. 1, 197), auch nicht das Gebot, sich taufen zu lassen. „Die Taufe ist frei", sagt Luther, ebensowohl, „wie die Be schneidung." (1522 Jänuar 13. Luther an Melanchthon bei De Wette 2, 128.) Es sollen alle Sakramente frei sein Jedermann, „wer nit tauft sein will, der lass anstehen." (Von der Beicht" 1521. Vgl. Luth. Werke 27, 343.) Also auch die Taufe ist zu einem „Christen menschen" nach Luthers
Begriff nicht nothwendig. Ein solcher Mensch ist kein Christ, sondern ein Heide, und zwar ein völlig gesetzloser Heiden mansch, der vom Christenthum weiter nichts hat, als den Namen „Christenmensch". Was für Folgen muss eine solche höchst gefährliche Moral haben? Muss sie nicht nur ein Frei pass für Laster und Zügellosigkeit, sondern auch eine Zerstörungsferment des gesammten sozialen Lebens sein? Luther hebt alle Gesetze, 'nicht bloß Gottes, sondern auch „des Kaisers" im Gewissen auf, erklärt
für den „Christeumenschen" alle und jedes Gesetz „innerlich und äußerlich" als ab- gethan. Er stürzt daher alle Ordnung, die sitt liche und auch die bürgerliche oder soziale von Grund aus um. Diese Lehre ist der Umsturz „des weltlichen Regiments und der Religion", um seine eigenen Worte zu gebrauchen. (Luth. Werke 58, 275.) Konsequent durchgeführt musste die „Frei heit des Christenmenschen" von der Haltung der Gebote der Zügellosigkeit Thür und Thor öffnen und im öffentlichen Leben bald ein zweites Sodoma schaffen
. Und so war es denn auch. Die nächstfolgenden Kapitel sollen uns die Folgen dieser Grundlehre des „Reforma tors" vor Augen führen. Wir werden diese an der Person des Luther selbst und dann an den bösen Früchten beurtheilen, welche die Refor mation hervorbrachte. XII. Luthers moralische Haltung. Wenn sich ein Mann als Kirchen- und Welt-„Verbesserer" ausgibt, so muss er vor allen Dingen selbst frei sein von jenen Lastern, die er bekämpft und die er tadelt. Luther schimpfte und wetterte in der schändlichsten und bisher unerhörten Weise