Seite 6 Das russische Dorf. Eine Kricgsepisode. Seit halb vier Uhr morgens marschierten die öster reichischen Regimenter in den blauen Sonnentag hin ein, der warm und schimmernd über der weiten russi schen Ebene lag. Gelb und grau, und wieder gelb und grau. Sand, aus dem da und dort wie in Büscheln Ginster aufwuchs gleich Bartstoppeln in einem unge pflegten Gesicht. Der Sand war jetzt der Feind; zäh und unentrinnbar lag er überall; bis zu den Möcheln versank Man in ihm. Der taktmäßige Soldaten
zuerst eingesäumt hatten. Schon stand die Sonne hoch, als sie genau erkennen konnten, wie winzig und erbärmlich das Dorf war, oas auf ihrem Wege lag. Aber immerhin, cs war ein feindliches Dorf, sie würden dort Menschen begegnen, und also gingen sie unwillkürlich rascher trotz ihrer Ermüdung, faßten ihre Gewehre fester. Ein Hund be gann zu kläffen, wütend, heiser, wie aus einem tiefen, unversöhnlichen Haß. Und da fiel auch schon das Gebell von allen Hunden ein. Man sah sie nicht, sie waren fin
den Hütten eingeschlossen wie die Menschen. Aber während der Haß der Menschen nicht wagte, sich durch einen Laut zu verraten, heulte der Ingrimm der Tiere den Einrückenden entgegen. So begannen sie durchs Dorf zu ziehen, die Oester- reicher. Unwillkürlich erinnerten sich die Bauernsöhne bei diesem Dorfe an ihre Heimat, und sie fingen wieder zu singen an. Und da zeigten sich hinter den Fenster luken Gesichter, zuerst nur wie vorüberhuschende Schat ten, wasseräuige Kinder krochen heraus, und ein zittriger
wieder einige Sätze, die offenbar seine Ergeben heit beteuerten, und die Bitte des Dorfes unr Scho nung. Der Oberst nickte ernsthaft nrit dem Kopfe, machte eine abwehrende Handbewegung, um die Rede zu un terbrechen, und ritt weiter. Sofort strömte das ganze Dorf zusammen, spähte scheu und stuinm auf die vor überziehende Armee. Manche Soldaten riefen ihnen zu, aber die Russen antworteten nicht, sondern ver beugten sich nur tief. Man wollte ihnen Geflügel, Eier, Butter abkaufen, doch sonderbarerweise
. Und wie zum Beweise eilte einer in seine Hütte und kam gleich mit einer sich heftig sträubenden mageren Henne wieder, die er als seine köstlichste Gabe den Befreiern seines Volkes darbot. Indes zogen die Truppen immer weiter, einem dunk len Fleck entgegen, ihrem nächsten Ziele. Das war einer der spärlichen Wälder dieser Landschaft, und hinter jener Deckung stand, das wußten alle, der Feind. Ihn erwarteten sie mit einer Ungeduld, der die Müdig keit kaum etwas anhaben konnte. Das Dorf aber be trachtete