Erziehungs- und Unterrichtslehre für Gymnasien und Realschulen
ZZF II. tt. Das Lehramt. Kapitel 3. schieben; eine unrichtige oder oberflächliche Antwort würde eine Versündigung an der Jugend, die Bemäntelung der eignen Unwissenheit eine unwürdige Heuchelei sein, welche außerdem in der Regel ihres Zwecks verfehlt. Denn die Schüler durchschauen das vorgehaltene Trugbild doch bald und werden hierdurch in ihrer Achtung vor dem Lehrer wie vor der Wahrheit empfindlich gestört, wogegen die Wahrhaftigkeit desselben in beiderlei Bezüge nur den vorteilhaftesten
Eindruck machen kann. Aus jener Gewissen haftigkeit folgt endlich die stetige geistige Sammlung und Aufmerk samkeit des Lehrers und zwar muß dieselbe sowol aus den Lehrstoff wie auf die ganze Klasse gerichtet sein. Der Lehrer gehört während des Unterrichts ungeteilt seinen Schülern; die nicht seltene Versuchung, über ein Problem, welches ihm beim Unterricht Z. B. bei der Erklärung eines Schriftstellers aufstößt, selbständig nachzudenken und während dessen den Schüler unbeaufsichtigt weiter übersetzen
zu lassen, hat er also stets abzu weisen. Denn es ist eine überdies sehr erklärliche Thatsache, daß sich die Zerstreutheit des Lehrers sofort der Klasse mitteilt; es wird also dann eine besondere Anstrengung erfordert, um die Schüler zur Aufmerksamkeit und zur Sache zurückzurufen. Gegen seine Schüler soll der Lehrer strenge Gerechtigkeit und Unparteilichkeit üben, nicht jene schon getadelte Buchstabengerechtigkeit, welche allen dasselbe, sondern diejenige welche jedem das seine zukommen läßt. Er mag
wie natürlich an dem befähigten Zöglinge eine größere innere Freude haben; allein seine Sorge und Hilfe gebührt allen, ja den schwachen und irrenden am meisten. Jene Gerechtigkeit verlangt serner, daß der Lehrer ohne Rücksicht auf sich durchführe, was zu verfügen nöthig ist. Schwache Lehrer unterlassen zuweilen Untersuchung und Strafe aus tadelnswerther Selbstschonung; sie wollen sich Nicht ärgern, sie scheuen die austauchenden Schwierigkeiten oder das Ergebnis der Untersuchung, welches verdrießliche
Misstände oder die Schuld von Schülern aufdecken könnte, die dem Lehrer sonst besonders lieb sind. Allein diese Schwäche, unwürdig an sich, ist der Feigheit und Ungerechtigkeit nächst verwandt und der Lehrer trägt die Verantwortung für jeden Fehler, den er un gerügt oder unaus- gerottet läßt. Aergern soll sich aber der Lehrer überhaupt nicht und er wird dies um so leichter vermeiden, je sorgfältiger er jede Unart aufzudecken und zu bemeistern bestrebt ist. Denn der Aerger entspringt