zu haben, und es gab Leute, die hoch in die achtzig waren. — Das Hostheater servierte nur loyale und wohlbewährte Sachen: Eine Portion Schiller, — viel Goethe, ein wenig Lessing, auch Shakespeare. Und gar nichts Neues? — O doch, ein paar harm lose Lustspiele, um die harmloseren Residenzler bei guter Laune zu erhalten. Nun auf einmal die Premiere. — Natürlich ein Drama. — Und der Titel. — Nein, der Titel. — Die Hochstädter Damen erröteten schon, wenn davon gesprochen wurde, denn der Titel war furchtbar: „Der Liebe
zuliebe.' In der Hofapotheke war nie so viel Migränin ge kauft worden als in diesen Tagen. „Nein, dieser Titel, dieser schreckliche Titel.' — Das Wort „Liebe' als Substantivum war längst aus dem Wortschatz der guten Hochstädter gestrichen, es existierte nur noch als Adjektivum in Anreden, als: „Liebe Frau Hofrat' — oder „meine liebe Exzellenz'. Ja, gab es denn in Hochstädt keine Backfische und jungen Damen? Doch, doch. — Aber was hatten die mit der Liebe zu tun? Die heirateten eben, und zwar den schon
so. 2. Der Schriftsteller vr. Stern hatte die winzige Villa in der Albertallee gemietet. — Ein Salon, ein Arbeitszimmer, ein Schlafzimmer, ein Bedienstetenraum — das war alles. Die logisch außerordentlich scharf denkenden Hochstädter hatten sofort weg: vr. Stern muß unverheiratet sein. — Wie ein auto matischer Hebel löste diese Erkenntnis bei zweiunddreißig Hoch städter Müttern denselben Gedanken aus: dieser vr. Stern könnte meine Tochter heiraten, wenn auch seine Premiere einen straf baren Titel trägt. Aber wer
ist vr. Stern?? — Das war die große Tagesfrage. „Papa, wer ist vr. Stern?' „Onkel, wer ist vr. Stern?' „Vetter, wer ist vr. Stern?' „Herr Pate, wer ist vr. Stern?' Ein Achselzucken, ein Kopffchütteln, ein verlegenes Lächeln und Brnmmeln — das waren die Antworten. Nur Hostat von Eschebach gab seinem Töchterchen Susi einen bei weitem geist volleren Bescheid: „vr. Stern ist jedenfalls kein Goethe, sonst hieße er nicht vr. Stern und sonst machte er auch kein Drama mit solch scheußlichem Titel.' Kurz und gut
, es wußte niemand in der ganzen Stadt, wer vr. Stern sei, nicht einmal der Hofbuchhändler Mühlig, und dem war es nicht übel zu nehmen, da er früher nur Buchbinder ge wesen war. Um so größer wurde das Interesse an dem Schöpfer der Premiere mit dem furchtbaren Titel. Endlich war er da, der Doktor. — Der Bäckerjunge raunte es den Dienstmädchen zu, die Dienstmädchen den Kammerzofen und diese wieder mit einem allerliebsten Knickschen der gnädigen Frau. Genau so geschah es auch im Hause des Hostats