damit zu sein, denn er erbat sich die Erlaubnis, die Kopie mit nach seiner Wohnung nehmen und sie seinen andern Schülern zeigen zu dürfen. Acht Tage später machte er der jungen Dame die Mitteilung, daß ein ihm bekannter Engländer das Bild zu kaufen wünsche. Alexandra besaß Einsicht genug, sich zu sagen, daß ihre Kopie keineswegs ein Meisterwerk sei, und vermutete, daß der betreffende Sohn Albions kein großer Kunstkenner sein müsse. Aber die dreihundert Mark, die er für das Bild bot, waren eine sehr willkommene Einnahme
für sie, und sie beeilte sich, diese Freudenbotschaft ihrer Mutter zu überbringen. Nach Ver lauf von einem Monat bestellte der Engländer ein zweites Bild, das er mit vierhundert Mark zu bezahlen versprach. Es sollte, wie der Professor meinte, ein ähnliches Motiv darstellen und gewissermaßen ein Pendant zu dem ersten bilden. Durch diesen Erfolg außerordentlich ermutigt, machte sich Alex andra mit großem Eifer an die Arbeit. In vierzehn Tagen hatte sie das Bild vollendet und brachte es, da es nur von mäßigem Umfange
war, selber dem Professor. Aber dieser war nicht anwe send, so daß sie genötigt war, es dem Bruder desselben, der ihr die Tür öffnete, zu übergeben. Erich Wagnitz war ein geschickter Kupferstecher und besaß, obwohl er selbst nicht malte, ein feines Verständnis für die Malerei und ein vortreffliches Urteil über Gemälde. Er stellte das sorgfältig eingehüllte Bild in eine Ecke und versprach, es seinem Bruder abzuliefern. Ohne weiter Notiz davon zu nehmen, denn der Kupferstecher hatte von der Bestel lung
des Bildes keine Ahnung, fing er mit dem jungen Mädchen, das ein auf der Staffelei stehendes Bild seines Bruders Rudolf bewunderte, ein Gespräch an, das er mit folgenden Worten schloß: „Ja, mein Bruder besitzt ein schönes Talent, aber denken Sie sich, gnädiges Fräulein, obwohl er selbst anerkannt Tüchtiges leistet, und die Technik vollkommen beherrscht, fehlt es ihm doch zuweilen an dem zutreffenden künstlerischen Urteil. So fand ich gestern in einem Schranke eine italienische Landschaft
, die er für wertvoll erklärte, während es nach meiner Meinung sich lediglich um die Arbeit eines Dilettanten handelt. Hier ist das Bild, über zeugen Sie sich selbst, gnädiges Fräulein', fügte er, das Gemälde aus dem Schranke nehmend und es Alexandra hinhaltend, hinzu. Das junge Mädchen erkannte auf den ersten Blick, daß es ihr eigenes Werk war, welches der kunstverständige Bruder so beur teilte. Sie wurde purpurrot, und ehe sie noch antworten konnte, trat Rudolf Wagnitz in das Atelier. Als er die Situation