, die etwa eine Stunde von Wildenfels entfernt lag. Es war eine kleine Kreisstadt. Für Gräfin Susanne stand ein besonders lu xuriös ausgestatteter Wagen immer bereit. Ihr Gatte wollte sie bis zum Bahnhof begleiten. Sie verabschiedete sich eben in der großen, hochgewölbten Halle des Schlosses von ihrer Schwiegermutter, Gräfin Thea Wildenfels. Diese, eine aristokratisch aussehende Dame mit grau meliertem Haar, feinen, durchgeistigten Zügen, hatte klare, gütige Augen. Der Abschied zwischen den beiden Damen
war betont herzlich. Beide gaben sich Mühe, einen warmen Ausdruck in ihre Stimme zu legen, aber gerade der gezwungene Ton verriet, daß sich ihre Herzen nicht sehr nahe standen. Während Gräfin Susanne die alte Dame auf die Wange küßte, kam ein schlanker, etwa vierzehnjähriger Knabe den langen Gang vom westlichen Flügel hergestürmt. „Mama — du hättest wohl verges sen, mir Adieu zu sagen!“ rief er vorwurfsvoll. Susanne wandte ihr schönes, stolzes Gesicht lächelnd ihrem einzigen Sohne zu. „Du bist kein Baby
hörte. Wie leicht hätte ich zu spät kommen können. Großmama kommt immer zu mir, um mir Lebewohl zu sagen, wenn sie verreist.“ Seine Mutter lachte. Es war kein gutes, warm klingendes Lachen, welches Wohltat. Ein gereizter, spöttischer Klang lag darin. „Ja, ja“, sagte sie halb scherzend, halb ta delnd, „Großmama verzieht dich sträflich.“ In dem feinen, gütigen Gesicht Gräfin Theas zeigte sich eine leise Röte. „Den Vorwurf solltest du mir nicht machen, Susanne. Ich verziehe Lo thar gewiß
diese in ihrer klaren, ruhigen At^ diese Bezeich nung nicht verdiente. Der wahre Inhalt ihres Wesens war Güte und Vornehmheit. Gräfin Thea liebte freilich ihren Sohn und ihren Enkel anders, als Susanne ihr Kind liebte. Diese hatte nie viel Zärtlichkeiten übrig, weder für ihr Kind noch für ihren Mann. Sie war mit ihrer eigenen Persönlichkeit vollauf beschäftigt, liebte zu sehr sich selbst, als daß sie noch einem anderen Wesen besonderes Interesse zu widmen imstande gewesen wäre. Da soeben Graf Joachim Wildenfels
rätselhaften seelischen Depression gewesen und hatte sich fast willenlos in alles gefügt. Komtesse Hagenau schien loachims Vater die passendste Lebensgefährtin für seinen Sohn. Obwohl sie erst achtzehn Jahre zählte, war sie eine vollendete Dame, deren kühle Selbstbeherschung ihm genug Garantien bot, daß sie seinen Sohn nach seinen Wünschen beeinflussen würde. Es schien auch, als habe er das Rechte ge troffen. Joachim schien nach seiner Verheiratung ein ganz anderer geworden zu sein. Gräfin Thea