Jedem das Seine! : eine Wiedergabe des allgemeinen Lehrertages in Brixen am 4. September 1900
, dessen schädigenden Einfluss jeder Zu geben muss, der vom Volksschulwesen nur etwas versteht. Will ein Lehrer sein Einkommen verbessern, so muss er von seiner Gemeinde, wo er sich einge lebt hat, fort und sich um einen in einer höheren Gehaltsclasse stehenden Posten umschauen. Dass dabei die einclassigen Volksschulen, die gerade der größten Pflege und des tüchtigsten Lehrers bedürfen, am schlechtesten zukommen, ist ein leuchtend. Die kleineren Landgemeinden werden aus diese Weise zu einem wahren Tummelplätze
für junge Lehrer. b) Das Ortsclassensystem schadet dem Lehrer, indem es ihn zwingt, seinen Posten zu verlassen, wenn er „avancieren" will; er muss das schöne Band zerreißen, das ihn an seinen Wirkungskreis knüpfte, hat viele Übersiedlungs kosten zu zahlen, braucht lange, bis er sich wieder eingelebt hat, sich wieder wohl und heimisch fühlt. o) Das Ortsclassensystem schadet der Gemeinde, insbe sondere den Landgemeinden. Hat die Gemeinde einen guten, strebsamen Lehrer, der den Ort liebt
, der von allen geachtet wird, an dem die Kinder mit Ver ehrung hangen, so braucht nur an einem größeren Orte oder in einer Stadt ein in einer höheren Gehaltsstufe stehender Posten vacant Zu werden, und der Lehrer wird aus begreiflichen Gründen zulangen. Die Landgemeinde, obwohl sie mehr im Verhältnis für die Schule zahlt als die Stadt, muss sich mit einem anderen Lehrer begnügen, der vielleicht noch wenig Praxis hat oder eben an kein Avancement zu denken hat. Und so geht es den Landgemeinden
durch das Ortsclassensystem fort und fort; aus dem Lande holt sich der Lehrer die Praxis, in der Stadt und in größeren Orten wendet er sie an. Die Land schulkinder sind die — Versuchskaninchen. Es wäre gewiss Sache der Ver treter der Landgemeinden, gegen einen solchen, mehrfach ungerechten Zustand aufzutreten. Doch „das geht aus p ri n c ipiellen Gründen nicht!" ä) Das Ortsclassensystem ist ungerecht. Seine Vertheidiger sagen, der Lehrer an kleinen Orten lebe billiger. Im allgemeinen ist der Satz unrichtig. Es gibt
Landgemeinden, wo infolge des großen Fremdenverkehres — wie viele Gemeinden sind hievon noch nicht berührt? — alles viel theurer ist, als in der Stadt. Der Satz ist ferner unrichtig, denn, je weiter entfernt man von der Stadt ist, desto schwieriger und theurer wird der Transport, desto mehr Hände passiert die Ware, desto theurer wird sie. Ferner ist dieser Ein wand auch deswegen ein einseitiger, weil, wenn der Lehrer auf dem Lande in folge seiner Umgebung genügsamer ist, er die ersparten Kreuzer hernehmen