Du schönes grünes Alpenland! : Sitten, Sagen, schnurrige Geschichten und Volkslieder
bereu es so manche gab, und die Partikeln von dem Kreuz, woran Gott gelitten, waren von großem Werte. Eine solche ergriff der Klosterbruder, bestrich damit Suchenwirt und gab ihm den Segen. In der Nähe dieses Altares war eine Grabstätte, neben welcher der Dichter sechs Frauen mit kummerhafter Miene sitzen sah und mit trauernder Stimme klagen hörte, während ihnen gegenüber sechs Ritter sahen, deren Herz durch bitteres Leid verwundet schien. „Derzeih, Bruder, wenn ich eine neue Frage
an dich richte! Sag mir doch, bei Gott, warum die Frauen klagen und die Ritter so traurig sind?" frug Suchenwirt abermals neugierig. „So hör es denn, der Graf Ulrich, der an hohen Würden reich war, lieget hier begraben, ein Graf, über den noch Ritter, Knechte und Frauen klagen, die sein Ingesinde waren." „Nun thue mir auch kund, ich beschwöre dich, wie sie mit Namen sind genannt," bat Suchenwirt. „Ich thu dir's gerne kund, die Frauen, die da klagen, heißen: Zucht, Maß und Scham, Wahrheit, Stetigkeit
und reine Tugend. Denn die pflegte Ulrich ja von Jugend auf und setzte sie in feines Herzens Schrein. Die Ritter aber, die hier trauern, ich mach sie dir nun auch bekannt: der erste Gottlieb ist ge nannt, dann kommen Ehrwart und Getreuwart, die nie von ihm gewichen sind, Herr Mildemar und Adekger, die gaben ihm stets reiche Lehr, der sechste^ Mannhaft, hat nie in seinem Leben, so er stritt.